Vor Urteil im Lina-E.-Prozess: Autonome drohen mit Gewalt, Verfassungsschutz ist besorgt

Das Urteil im Fall Lina E. verzögert sich weiter. Aber wenn es gesprochen ist, soll in Leipzig dagegen demonstriert werden. Autonome drohen auch mit Gewalt. Der sächsische Verfassungsschutz hält das für den möglichen Auftakt einer militanten Kampagne.

Anfang Februar wurde etwas auf linken Szeneseiten veröffentlicht, das fast ein bisschen wie eine lockere Idee zur Freizeitgestaltung klingt – von Polizei und Verfassungsschutz aber durchaus ernst genommen wird. Man habe einen Vorschlag, heißt es in dem von nicht näher benannten „autonomen Gruppen“ veröffentlichen Beitrag. Der Vorschlag klingt dann aber eher so, als sei die Sache schon abgemacht: Für jede Hausdurchsuchung und jedes Jahr Haftstrafe gegen Angehörige der Szene, so heißt es, „gibt es ab sofort 1 Million Sachschaden bundesweit!“. Und „ein paar Anregungen für mögliche Ziele“ von Angriffen stehen in dem Beitrag auch: Neonazis, staatliche Einrichtungen, Parteien.

Übliche Randale-Folklore oder echte Krawall-Gefahr?

Zwar kann quasi jeder etwas auf linken Szeneseiten im Internet hochladen – und regelmäßig sind es tatsächlich Vorschläge, denen in weiteren Posts widersprochen wird. Aber was die Sicherheitsbehörden besorgt, ist das Drumherum: Die mutmaßlich linksextremen Brandanschläge in Leipzig, die es zuletzt gehäuft gab. Das zwar wieder verschobene, aber absehbare Urteil im Prozess gegen die mutmaßlichen Linksextremisten um Lina E.. In dem Beitrag werden nicht nur allgemein Sachschäden in Millionenhöhe angedroht, sondern es wird auch konkret für eine Reise nach Leipzig geworben: Am „Tag X“, dem Samstag nach dem Urteil im Fall Lina E., solle man sich in der Stadt versammeln „und ein Drohszenario für weitere Prozesse“ aufbauen.

Seit Monaten schon wird für eine Demonstration in Leipzig nach der Urteilsverkündung im Fall Lina E. geworben. Kritik am Prozess, an der Vorgehensweise der Polizei, den juristischen Konstrukten der Anklage gibt es längst nicht nur aus der radikalen Linken. Aber ausschließlich aus diesem Spektrum kommen bislang die Aufrufe zur Demo. Sind die Androhungen von Gewalt in manchen dieser Aufrufe die übliche Randale-Folklore – oder drohen tatsächlich Krawalle?

Die Polizei Leipzig ist vorsichtig, aber doch leicht alarmiert. Man bereite sich auf einen Großeinsatz vor, sagte eine Sprecherin. Geplant sei unter anderem die Hinzuziehung von Beamten aus anderen Bundesländern. Mehr könne man noch gar nicht sagen, unter anderem weil der Tag des Urteils im Fall Lina E. noch nicht feststehe. Vergangene Woche hatte sich der Prozess abermals verzögert, Verhandlungstermine vor dem Oberlandesgericht gibt es jetzt bis Mitte Juni.

Verfassungsschutz sieht mögliche militante Kampagne

Auch der sächsische Verfassungsschutz beschäftigt sich dennoch schon jetzt mit den kursierenden Aufrufen für den „Tag X“ in Leipzig. Die Behörde erwartet, „dass insbesondere Personen aus dem gewaltbereiten Spektrum zum Kreis der Demonstranten gehören werden“, wie eine Sprecherin auf LVZ-Anfrage mitteilte. Demnach sieht auch der Verfassungsschutz, dass die Aufrufe zur Demo bislang nur aus dem radikalen Spektrum kommen. „Die Formierung eines Bündnisses von Nicht-Extremisten und Linksextremisten, das auf das Umfeld militanter Akteure mildernd einwirken könnte, ist derzeit nicht ersichtlich“, so die Behörde. Allerdings hat sich mit dem Urteil auch „Tag X“ weiter in die Ferne verschoben, konkrete Planungen sind auch für mögliche Demo-Anmelder noch gar nicht möglich.

Den sächsischen Verfassungsschutz beschäftigt der Aufruf, bei Urteilen oder Hausdurchsuchungen künftig Millionenschäden anrichten zu wollen, aber auch über eine „Tag X“-Demonstration in Leipzig hinaus. „Der Aufruf ist möglicherweise der Auftakt einer militanten Kampagne“, teilte die Behörde mit. Ganz generell sieht der Verfassungsschutz in den jüngsten mutmaßlich linksextremen Straftaten in Leipzig einen Beleg für „die nochmals gewachsene Gewaltbereitschaft der Szene“.

All das beschäftigt inzwischen auch die Justiz. Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden wegen des Beitrags, in dem die Millionenschäden angedroht werden. Einer Sprecherin zufolge geht es dabei um den Verdacht der Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten. Ermittelt wird gegen unbekannt.

passiert am 24.04.2023