Aufruf für eine internationale Woche der Solidarität mit der “Gruppe 8.12.”
AUFRUF für eine
INTERNATIONALE WOCHE DER SOLIDARITÄT
mit der “GRUPPE 8.12.”
– vom 16. bis 23. SEPTEMBER 2023 –
Die sieben Genoss*innen, die am 08. Dezember 2020 in Frankreich verhaftet wurden, werden wegen angeblicher “Gründung einer kriminellen, terroristischen Vereinigung” (art. 450-1) angeklagt. Sie stehen vom 03. bis zum 27. Oktober vor dem Pariser Strafgericht (16. Kammer – Terrorismusbekämpfung). Nach zweijähriger Ermittlung, die von umfangreicher Überwachung bis hin zur Anwendung von Weißer Folter geprägt war, konnte keinerlei “terroristisches Projekt” nachgewiesen werden. Die kriminellen Komponenten der Anklage wurden zurückgestellt, jedoch wurde die Dimension des “Terrorismus”, anhand der Beschuldigung als Kollektiv, beibehalten. Das alles geschieht trotz Mangel an Beweisen – es wurde nicht einmal nachgewiesen, dass sich die Angeklagten überhaupt alle kennen. Einige von ihnen werden der “Weigerung, Passwörter für verschlüsselte Medien und Geräte auszuhändigen” (Art. 434-15) beschuldigt.
Die Genoss*innen werden angeklagt, “an einer Gruppe oder einem Abkommen zur Vorbereitung von terroristischen Taten teilgenommen” zu haben. Dieser Vorwurf soll mit den folgenden “Indizien” gestützt werden: falsche Geheiminformationen (note blanche), die Nutzung von Hilfsmitteln für digitale Privatsphäre (Tails, Tor, Signal, Silence, etc.) und die Weigerung, Passwörter für verschlüsselte Handys oder Festplatten zu nennen, gelegentliches AirSoft-Spielen, Reisen (nach Belgien, Tschechien, Griechenland, Kolumbien, etc.), kurzer Aufenthalt in Rojava, einmaliger Ladenklau, Besitz von Kategorie C- und B-Waffen (vier davon nicht angemeldet), Besitz von Substanzen, die zur Herstellung von Sprengsätzen benutzt werden könnten, die spielerische Anfertigung kleinster Mengen von Sprengsätzen.
Die meisten diese “Indizien” sind nicht illegal oder aber sie fallen unter allgemeines Gesetz. Weiterhin betreffen sie jeweils nicht alle Beschuldigten. Um die “terroristische Gefahr” zu konstruieren, erfand der französische Geheimdienst DGSI die Geschichte einer “Gruppe”, die “paramilitärisches Training” betreiben würde, um “terroristische Taten” gegen “Vollzugsbehörden oder das Militär” vorzubereiten. Gleichzeitig wird behauptet, die Genoss*innen hätten sich mit gleichgesinnten Mitgliedern verschiedener Gruppen mittels verschlüsselter Kommunikation ausgetauscht, und zwar sowohl in Frankreich als auch außerhalb.
Dieses Szenario wird oft gegen internationalistische Genoss*innen angewendet.
Es ist offensichtlich, dass (tatsächliche oder angenommene) politische Meinungen, Lebensstile (z.B. autonom in besetzten Häusern oder Bauwägen, internationaler Aktivismus) und Profile der beschuldigten Menschen für ausreichend gehalten werden, um allgemeine Gesetzverstöße in “Terrorismus” umzudefinieren. Um es noch mehr auf den Punkt zu bringen: Es geht um das anarchistische Ideal der Genoss*innen und eine Vorverurteilung, ohne dass ein bestimmtes Projekt definiert werden kann.
Diese negativen rechtlichen Auswüchse wurden in Frankreich durch islamophobe Gerichtsbarkeit nach dschihadistischen Morden seit dem Jahre 2012 immer weiter ausgeweitet. Der neueste Streich von DGSI und der neuen französischen Anti-Terror-Behörde PNAT ist der Versuch, gerichtliche Verfahrensweisen, die wegen Anhängern des Islamischen Staates erfunden wurden, nun gegen Aktivist*innen anzuwenden, die als “ultra-links” bezeichnet werden. Frankreich will dabei mit anderen Europäischen Staaten wie Italien (wo schon die einfache Herausgabe einer anarchistischen Zeitung mit “für terroristische Zwecke” betitelt wird – wie in der jüngsten Anti-Terror-Operation Scripta Scelera zu beobachten). Dieser Umschwung wurde bereits 2008 mit der so genannten “Tarnac-Affäre” angestrebt, damals war jedoch der Versuch gescheitert.
Die Bezeichnung “Anti-Terror” wird vom Staat als Werkzeug genutzt, um Repression in schikanierenden und brutalen Formen anzuwenden – während gleichzeitig behauptet wird, all das geschehe für das Gemeinwohl. Die repressive Gewalt wird immer wieder neu legitimiert, indem die öffentliche Meinung mit Angst gefüttert wird. Die restriktivsten Maßnahmen werden ständig erweitert: Massenüberwachung, Administrativ- und Präventivhaft, die Verschränkung von Polizei und Militär, Weiße Folter usw.
Kein sozialer Kampf bleibt von der “anti-terroristischen” Repression verschont. Revolutionäre Ideen und Praktiken – ob radikal, reformistisch oder aufständisch, gewaltsam oder pazifistisch – sind ganz vorne auf der Liste. Im heutigen Frankreich wird hunderten von Vereinen wegen angeblicher “Verbindnug zur Ultra-Linken” die Finanzierung entzogen. Das Instrument der Terrorismusbekämpfung zielt darauf ab, jegliche soziale Kontroverse und das Hinterfragen von Staat und Kapitalismus zum Schweigen zu bringen.
WER TERRORISIERT WEN?
Repression hat kolossale Konsequenzen für die betroffenen Menschen und ihr politisches Umfeld. Leben werden zerstört und Solidarität an sich geschwächt. Überall auf der Welt erfahren Genoss*innen die volle Wucht der Repression im Namen von “Anti-Terror”: Von Russland bis Chile, Griechenland, Italien, Spanien, USA, Kanada, Peru, Chad, Burma, Philippinen, Türkei, Kurdistan, Weißrussland, … Welche Formen des Kampfes auch immer genutzt werden, es ist klar, dass „Terror“ mit unserer politischen Ausrichtung nichts zu tun hat. Im Gegenteil: Wir kämpfen jeden einzelnen Tag dagegen an.
Internationale Solidarität wird überall kriminalisiert. Genoss*innen, die den Kurdischen Befreiungskampf unterstützt haben, werden mit Repressionen überzogen, internationale Soli-Aktionen werden als “terroristisches Netzwerk” markiert, Menschen aus antifaschistischen und ökologischen Kämpfen erteilt der französische Staat zunehmend Gebietsverbote.
Im diesem Fall vom 08. Dezember bezeichnete der DGSI (und die Justiz) Kampagnen internationaler Solidarität als “Aktionen niedriger Intensität” und bediente sich dabei eines Kriegsvokabulars, um die angebliche Bedrohung zu unterstreichen, die von unseren Genoss*innen ausgehe. Simple Graffitis wie “Stop Law and Order Exarcheïa” an einem Griechischen Konsulat oder ein Transpi bei einer Demo, auf dem stand “From Exarcheïa to Lyon against state repression No Pasaran!” sollen schon als Beweise für das “terroristische” Potential der französischen Ultra-Linken herhalten. Solche Aussagen sollen dann genutzt werden, bei den 8/12-Angeklagten gefundene internationalistische Plakate und Zines zu kriminalisieren.
Ja, wir sehen uns in Solidarität mit allen Kämpfen, die überall auf der Welt versuchen, das zu schützen, was an Freiheit, sauberem Wasser und fruchtbaren Land noch übrig ist. Nein, wenn wir verreisen, dann fahren wir nicht in Küstenstädte oder auf umweltfeindlichen Kreuzfahrtschiffen übers Meer. Wir besuchen Orte der Emanzipation und des Widerstands.
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Wir kämpfen gegen die allgemeine Zerstörung des Lebendigen und die Versklavung der Menschheit durch den Kapitalismus.
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Wir kämpfen gegen die Massaker, die von Staaten und ihren wirtschaftlichen Imperien verübt werden.
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Wir kämpfen gegen Militarisierung und tödliche Grenzen.
Die soziale Revolution ist kein terroristisches Projekt!
Terroristen sind diejenigen, die über Massenvernichtungswaffen und die mächtigsten Armeen der Geschichte verfügen. Es sind diejenigen, die unsere Erde zerstören und ihre Ressourcen ausbeuten. Es sind diejenigen, die Menschen versklaven und die Widerständigen umbringen.
Es ist dieses Frankreich, das es auf den zweiten Platz der globalen Waffenexporteure geschafft hat. Es sind diejenigen, die blutrünstige Diktatoren wie Erdogan oder Mohammed bin Salman herzlich am Élysée-Palast begrüßen.
Solange Unterdrückung existiert, wird die Macht uns verfolgen.
WIE KÖNNEN WIR UNS AN
DER SOLIDARITÄT BETEILIGEN?
Lassen wir uns von polizeilicher Repression und dem Instrument der “Terrorismusbekämpfung” nicht atomisieren!
Gegen die Staaten, die Widerstandsbewegungen und Freundschaften, Kollektive und alle Formen linker Organisation im Allgemeinen spalten wollen, beanspruchen wir Solidarität in all ihren Formen!
Wir rufen euch auf, unsere Entschlossenheit und Wut gegen ihre Welt und unsere Solidarität mit denjenigen, die vom 3. bis 27. Oktober 2023 in Paris vor Gericht stehen werden, auf vielfältige Weise erklingen zu lassen.
Jedes Individuum, jedes Kollektiv und jede Organisation kann sich an diesem Aufruf beteiligen. Auf ihre eigene Weise, mit ihren eigenen Mitteln, ihrer Kreativität und ihrer Fantasie! Von den einfachsten bis zu den spektakulärsten Aktionen, alle haben einen Sinn. Und wenn es unsere Verbindungen, unsere Gedanken und unsere Empfänglichkeit stärkt, dann lasst uns die Gelegenheit ergreifen.
Solidarität kann per Mail geteilt werden:
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812support@riseup.net (wenn möglich, mit PGP)
WIR RUFEN ZU DEN FOLGENDEN AKTIONEN AUF:
- ZWEI VERSAMMLUNGEN VOR DEM PARISER GERICHTSHOF: am ersten Verhandlungstag (3. Oktober) und am Tag des Urteils (27. Oktober).
- EINE WOCHE DER INTERNATIONALEN SOLIDARITÄT: wir rufen alle Genossinnen auf der ganzen Welt und alle, die einen Sinn für Gerechtigkeit haben, dazu auf, sich vom 16. bis 23. September 2023: vor den französischen Botschaften, Konsulaten oder Institutionen zu versammeln oder auf jede andere geeignete Art und Weise, um ihren Protest gegen diese eklatante und unmenschliche Ungerechtigkeit zum Ausdruck zu bringen.
- DIE ORGANISATION VON UNTERSTÜTZUNGSVERANSTALTUNGEN: bis zum Ende des Prozesses.
- VERÖFFENTLICHUNG DES FALLS: verbreitet unsere Pressemitteilungen in euren sozialen Netzwerken, euren Zeitungen und Medienplattformen.
- FINANZIELLE UNTERSTÜTZUNG: die vier Wochen Prozess werden die Genossinnen jeweils mehrere tausend Euro kosten. Hier ist ein Online-Spendenpool: https://www.cotizup.com/soutien-8-12
- VERBREITET DIESEN AUFRUF AN EURE BEFREUNDETEN ORGANISATIONEN
Mehr Infos, Hintergrund, Bilder und Pressemitteilungen findet ihr unter
~ solidarityto8december.wordpress.com (verschiedene Sprachen)
oder:
~ soutien812.blackblogs.org (Französisch)
~ soutien812.net (Französisch)
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WIR LASSEN UNS NICHT ANTI-TERRORISIEREN!