Coming soon: ASOG Berlin

Symbolbild

Wir nehmen euch mit auf einen kleinen Spaziergang zu den Neuerungen des Berliner Bullengesetzes, damit ihr euch nicht alleine durch den kompliziert formulierten Müll durchwühlen müsst.

Ich laufe durch die Straßen. Es ist Silvestermorgen. Eigentlich sollte mit dem heutigen Tag das neue Bullengesetz in Kraft treten, aber noch wurde es nicht entgültig beschlossen. Ich bin am Strausberger Platz. Reste von Böllern. Weniger als sonst, aber dennoch hat sich ein Komplettverbot nicht durchsetzen können. Dafür haben die Bullen auch gleich präsentiert, wie viel sie selbst an einem außergewöhnlich ruhigen Silvesterabend auffahren können. Mehrere Helis am Berliner Himmel. Wannen, Einsatzfahrzeuge, behelmte Bullen, moderne Kameraüberwachungswägen. Böller- und Alkoholverbot waren ausreichend, um mal wieder eine Übung der Aufstandsbekämpfung unter realen Bedingungen durchzuführen.

Heute morgen ist es ruhig. Wenige Autos rauschen im Zirkel um den großen Brunnen. Fünf zerlatsche Masken liegen auf dem Boden. Ich bin auf dem Weg zu meiner Freundin Yasmin. Wir wollen den Silvestermorgen im Görlitzer Park mit einem Sektfrühstück begrüßen. Bei einer unserer letzten Begegnungen, hat sie mir von dem neuen Bullengesetz für Berlin erzählt. Entgegen der Polizeiaufgabengesetze in anderen Bundesländern, wird das in Berlin mit dem ASOG geregelt. Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz. Seit unserem letzten Treffen habe ich die Bullen nochmal ganz anders betrachtet. Wie sehr doch ihre Präsenz im Alltag zugenommen hat.

Generell werden die neuen ASOG-Bestimmungen als besonders liberal und gemäßigt bejubelt, doch liegen die Fallstricke und Tücken in den Details. Yasmin meinte, dass wir jetzt noch etwas gegen diese Neuerungen machen könnten. Das kann doch nicht so still und leise einfach durchgehen. Gerade die letzten Monate in Frankreich ermutigen uns. Dort wurde durch massive Proteste das Ton- und Bildaufnahmeverbot verhindert. Die uniformierten Schläger*innen können also weiterhin bei ihren Einsätzen gefilmt und aufgenommen werden. In manchen Fällen ist das lebensrettend.

Schlimmer geht leider immer und ohne Widerstand werden Gesetze schneller mal durchgewunken. Bemerkenswerterweise hat auch Horst Seehofer die Erfahrung gemacht, dass man Gesetze kompliziert machen muss, „dann fällt es nicht so auf“. Dann gibt es weniger Widerstand und sie können „ganz stillschweigend“ eingebracht werden. Auch wenn es sich beim ASOG nicht um ein Gesetz aus dem Hause Seehofer handelt, scheint diese Strategie die übliche Vorgehensweise der Schreibtischtäter*innen zu sein.

Ich freue mich sehr, endlich Yasmin wieder zu sehen. Ich muss noch so viel wissen, ich habe soviele Gedanken und noch mehr Fragen. An der Andreasstraße ist es ruhig. An einem Fenster werden drei einzelne Böller gezündet. Der Knall echot zwischen den hohen Blöcken.

Am Ostbahnhof stehen die Bundesbullen und ich will doch mal schauen, ob die rechteckigen Taser an ihrem Gürtel hängen. Das SEK setzt schon seit etwa 2 Jahrzehnten Taser wie selbstverständlich ein. In Berlin haben während eines dreijährigen Testlaufs Bullen zweier Abschnitte damit schon bei vier Einsätzen auf Menschen geschossen. Nun soll mit dem neuen ASOG der Taser als weitere Waffe eingeführt werden. Bestrebungen mit dieser vermeintlich “milden Waffe” die “Lücke zwischen Pfefferspray und der Pistole schließen” zu wollen, haben einen mehr als faden Beigeschmack. Allein 2019 sind in Deutschland mindestens vier Menschen durch Taser-Einsätze verstorben. Noch immer ist rechtlich ungeklärt in welchen Situationen der Einsatz von Tasern gerechtfertigt ist. Obwohl politische Debatten dazu noch nicht abgeschlossen sind, werden die Bullen bereits jetzt mit diesen Waffen ausgestattet. Die Diskussionen drehen sich natürlich nicht um die Gefahren, die von dieser Waffe ausgehen, sondern nur um die rechtliche Absicherung des Einsatzes.

Ich lasse den Bahnhof hinter mir und laufe am klaffenden Loch des zukünftigen Amazontowers vorbei. Kürzlich erst habe ich auf der Baustelle Bullen vom Zoll gesehen. Auch sie bekommen mit dem neuen ASOG eine Erweiterung ihrer Eingriffsmöglichkeiten. Sie dürfen nach wie vor Menschen festnehmen, es werden ihnen jedoch mehr Kompetenzen dabei zugestanden und diese mit mehr Rechtssicherheit festgeschrieben. Mit dem neuen Gesetz dürfen sie nun endlich auch – tätä – mit ihren Waffen rumballern.

Von der Oberbaumbrücke, die Falckenstein entlang, in Richtung Görli. In den Hauseingängen drücken sich Leute herum, versuchen dem durchziehenden kalten Wind zu trotzen. Die Gegend um den Park ist ein sogenannter kriminalitätsbelasteter Ort (KBO). Zwei Anlässe werden gestrichen, welche bisher Kontrollen in einem Gefahrengebiet rechtfertigen, nämlich Prostitution und das Fehlen von Aufenthaltstiteln. Dies soll mal wieder zeigen, wie modern und liberal das künftige ASOG ist. Angeblich werde damit Racial Profiling vorgebeugt, aber die generelle Möglichkeit einer Kontrolle wegen einer vermuteten Straftat geht damit nicht verloren. Da es nach wie vor strafbar ist ohne Aufenthaltsgenehmigung unterwegs zu sein, braucht es diesen expliziten Absatz offenbar gar nicht.

Entgegen der Tasereinsätze wurden die Unklarheiten, ob der örtlichen Benennung von Gefahrengebieten rechtssicher gemacht. Mit dem neuen ASOG muss nun die Anzahl der berlinweiten KBO’s und auch die ungefähre räumliche Einordnung angegeben werden. Außerdem soll der Senat an jedem Jahresende einen Bericht zu der Arbeit in diesen Bereichen erhalten. Aber es bleibt dabei, für jede*n persönlich kann es weiterhin zu den bisherigen Einschränkungen ungeahnten Ausmaßes kommen. Denn so ganz genau muss eben doch nicht mitgeteilt werden, wo die Grenzen der Gefahrengebiete verlaufen. Ob ich auf Höhe Wrangelstraße schon drin bin, werde ich auch mit der Novellierung nicht wissen. Vielleicht wirke ich verdächtig, dann kann ich kontrolliert und mein Rucksack durchsucht werden. Selbst Haus- und KFZ-Durchsuchungen sind in einem Gefahrengebiet jederzeit möglich.

Auf der Kreuzung zur Wrangelstraße steht ein Einsatzwagen. Ich sehe die Dashcam am Auto und einen Bullen mit Bodycam. Laut Begründung soll dies in erster Linie zum Eigenschutz dienen. Erst in zweiter Linie sollen dadurch auch Dritte geschützt werden. An letzter Stelle wird eine transparentere Aufarbeitung von Einsätzen angeführt, sofern die Kamera in jenen Momenten eingeschaltet ist. Sollte das vergessen werden, dürfen Betroffene von Maßnahmen auch ganz lieb fragen, ob die Bullen die Kamera einschalten. Allerdings ist es fraglich, ob sie jemals Beweise gegen sich oder ihre Kolleg*innen aufnehmen werden. Hervorgehoben werden auch die Erfahrungen in anderen Bundesländern, wo sich mit den Körperkameras “Solidarisierungseffekte von Unbeteiligten vermindern“ lassen.

In dem neuen Gesetzesentwurf geht es nicht nur um Körperkameras, sondern auch Aufnahmegeräte an Fahrzeugen und ebenso Tonaufnahmen. Bemerkenswert ist zudem, dass die Kamera eigentlich immer läuft und erst wenn der Button gedrückt wird, wird inklusive der vergangenen 30 Sekunden aufgezeichnet und gespeichert.

Auch die verpasste Aufnahme wird gleich rechtssicher verpackt, denn in besonders dynamischen, eiligen Situationen sei es kaum möglich, noch an den Einsatz der Kamera zu denken. Unklar bleibt welche*r Beamt*in für die Durchsicht und Löschung der Daten zuständig sein wird. Wer wird die Bilder sehen und weiterverwenden? Nachdem die faschistischen Bullentätigkeiten samt Schreiben von Drohbriefen aufgedeckt wurden, ist diese Unklarheit mehr als bedenklich.

Im Görli. Endlich bin ich mit meinen Gedanken nicht mehr allein. Mit Yasmin auf einer Bank, Tee aus der Thermoskanne und ein paar Kekse dazu. In diesem Moment ist es ruhig. Als wir an die vergangenen Wochen denken, fallen uns die Fahradbullen ein. Schnell und leise huschen sie durch den Park und stoppen, wen sie als unwürdig empfinden, sich im Park aufzuhalten. Gerade hier wird Racial Profiling gesetzlich legitimiert, mit dem dazu passenden, alle Maßnahmen rechtfertigenden Auftrag. Platzverweise, Datenaufnahmen, Gewahrsamnahmen.

Der sogenannte Unterbindungsgewahrsam beträgt bisher bis zu vier Tage und wird nun verkürzt auf 48 Stunden. Na herzlichen Dank. Eingesperrt werden können jene, von denen gedacht wird, dass sie in unmittelbarer Zukunft eine Straftat begehen oder fortsetzen werden. Mit hinzugenommen werden jetzt auch Ordnungswidrigkeiten, wenn auch nur solche von erheblicher Bedeutung. Es ist lächerlich, dass dies als Modernisierung abgefeiert wird. So oder so ist unverzüglich eine richterliche Anordnung einzuholen, um eine Person länger festzuhalten und wir sprechen hier noch immer von einer präventiven Maßnahme. Es macht schlussendlich keinen Unterschied zur vorigen Fassung, liest sich aber im ersten Moment ganz schön und lässt das neue ASOG in liberalem Glanz erscheinen.

Ich frage Yasmin, ob sie nicht Lust hat im Sommer mit mir zum Klimacamp zu fahren. Lust hat sie schon, aber sie hat Bedenken, dass sie nicht darf. „Wer soll dir das denn verbieten?“ – “Die Bullen.” Im letzten Jahr wurde sie bei der Besetzung einer Kohlegrube in Gewahrsam genommen, mit Anzeigen überhäuft und hat seitdem einen LiMo Eintrag. “Einen was Eintrag?” Sie wird seitdem als linksmotivierte Straftäterin in der Datenbank der Polizei geführt. Ihr könnte nun eine Meldeauflage für den Zeitraum des anstehenden Camps drohen. Ich soll also lieber erstmal ohne sie planen.

Meldeauflagen können gegen eine Person verhängt werden, wenn die Polizei meint, damit Straftaten zu verhindern. Sich melden heißt konkret, dass die Person zu bestimmten Tagen und Zeiten bei einer festgelegten Dienststelle auftauchen muss, mit dem Zweck sie von bestimmten Orten fernzuhalten. Die Auflage wird von der Polizei angeordnet, gilt bis zu einem Monat und kann gegebenenfalls verlängert werden. Außerdem muss es sich um ein konkretes Ereignis handeln, welches zeitlich und räumlich einzugrenzen ist – z.B. eine Demonstration, ein Fußballspiel oder ein Gipfel-Treffen.

Ich wundere mich, die Meldeauflagen gibt es doch schon lange. Yasmin klärt auf, den Meldeauflagen wird nun ein eigener Paragraf gewidmet. Bisher waren sie durch eine generelle Klausel zu polizeilichen Maßnahmen gedeckt. In der Begründung heißt es, dass sich diese Praxis besonders bei Großveranstaltungen bewährt habe und es sich nur um eine verbesserte Rechtsklarheit für die Polizei handele. Dass sich hier insbesondere auf Großveranstaltungen berufen wird, gleichzeitig aber eine Anordnung über einen Monat lang stattfinden kann, ist schon abenteuerlich. Welche Veranstaltung dauert denn länger als maximal ein paar Tage? Es bleibt im Kern alles beim Alten, aber das macht diese Praxis nicht besser. Wieder zeigt sich, dass gerne erst Mal gemacht wird und dann mit Verweis auf Praktikabilität das Ganze nachträglich in einem Gesetz zementiert wird.

Auch in der Berliner Regierung wurde verstanden, wie wichtig Telefone und Handys heutzutage sind, darum muss man diese natürlich auch besser überwachen können. Logisch! So umfasst der neue Paragraf zur Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) im Gesetzesentwurf mehr als 5 Seiten sowie weitere 4 mit dazugehöriger Begründung. Damit besteht erstmalig die Möglichkeit einer TKÜ aus gefahrenabwehrrechtlichen Gründen. Es braucht also gar keine Straftat mehr, sondern es handelt sich um präventive Maßnahmen, die allein auf der Einschätzung von Bullen beruhen.

Die TKÜ beschreibt drei verschiedene Anwendungsoptionen. Zum einen das Überwachen und Aufzeichnen von Telekommunikationsdaten, also das Mithören und Aufnehmen von Gesprächen per (Mobil)Telefon. Zum zweiten den Einsatz von technischen Mitteln, um Geräte- und Kartennummern zu ermitteln. Das heißt konkret z.B. mittels IMSI-Catcher Handys zu finden. Letztendlich können noch Bestandsdaten von den Telekommunikationsanbietern angefordert werden. Bestandsdaten sind Name, Adresse, Konto, Geburtsdatum, Handy-PIN, Mail-Passwort und IP-Adresse. Diese Liste wird stetig erweitert. Die genannten Maßnahmen können bis zu drei Monate lang angeordnet und jeweils verlängert werden.

Vermeintlich geht Überwachung stets nur bestimmte Personen an, doch Kommunikation involviert auch immer Dritte. Ein Telefonat funktioniert nur mit mehreren Gesprächsteilnehmer*innen, außerdem können sich mehrere Personen einen Telefonanschluss oder ein Gerät teilen. Yasmin stimmt zu und muss kurz lachen. Sie meint, dass die neuen Regelungen zum sogenannten “Kernbereich privater Lebensgestaltung” ein schlechter Scherz sind. Wenn es um etwas Privates geht, darf nicht live mitgehört werden. Es darf allerdings weiter aufgenommen werden, weil der*die Verdächtige im weiteren Gesprächsverlauf doch noch etwas Relevantes sagen könnte. Diese Aufnahme wird dann einem Gericht vorgelegt, welches sich die Aufnahme anhört und über die weitere Verwendung entscheidet. Weiterhin muss immer erstmal mitgehört und dann währenddessen entschieden werden, ob das Gesprochene privat ist. Vielleicht sollten wir in Zukunft ankündigen, was das nächste Thema ist. “Hallo, ich werde jetzt über persönliche Gesundheitsdaten reden. Das folgende Gespräch beinhaltet intime Gedanken.”

In dem Gesetzesentwurf ist festgehalten, dass nach 4 Jahren eine Evaluation und gegebenenfalls eine Anpassung stattfinden muss. Daraus folgt entweder eine dauerhafte Eingliederung in das ASOG. Eine weitere Option wäre, dass der Paragraf wieder gestrichen wird. Wahrscheinlicher hingegen ist eine Verschärfung der bestehenden oder Erweiterung um neue Befugnisse, weil den Behörden die aktuellen nicht genügen.

Es gibt auch einen Abschnitt zur nachträglichen Benachrichtigung Betroffener. Bei der Abfrage von Bestandsdaten ist das prinzipiell nicht vorgesehen. Im Nachgang von überwachten Gesprächen sind alle Teilnehmer*innen zu benachrichtigen. Vom Einsatz eines IMSI Catchers muss nur die Zielperson informiert werden, dabei ist es unerheblich, wenn auch andere davon betroffen sind. Wie so oft findet sich auch in diesem Teil eine Hintertür. Eine Mitteilung muss nämlich nicht stattfinden, wenn die Bullen ihre Arbeitsweise geheim halten wollen. Oder wenn sie der Meinung sind, dass die Personen kein Interesse haben benachrichtigt zu werden und in ihren Augen nur unerheblich betroffen sind.

Vor diesem Hintergrund soll in der Evaluation insbesondere geprüft werden, ob ein ähnliches Vorgehen wie beim Funkzellen-Transparenz-System (FTS) verwendet werden kann. Es funktioniert so, dass jede Person ihre Handynummer auf der Webseite eintragen kann. Wenn die eigene Nummer bei einer Funkzellen-Abfrage mit auftaucht, wird die Person nach abgeschlossenen Ermittlungen, per SMS informiert. Die Verpflichtung Betroffene grundsätzlich zu benachrichtigen wird damit vollends untergraben. Wer nicht gewillt ist, sich in dem System anzumelden, kann als gleichgültig im Umgang mit den eigenen Daten angesehen werden. Die Bullen entziehen sich somit komplett der Verantwortung die ausgespähten Menschen zu benachrichtigen.

Wir reden schon seit über eine Stunde nur über Bullen. Wir lassen unsere Augen durch den Park streifen. Unser Blick fällt auf einen merkwürdigen Mann in grüner Jacke. Er mustert recht offensichtlich eine Gruppe von Jugendlichen. Ich frage Yasmin: „Ist das ein Zivibulle?“ „Ich denke eher nicht, aber dazu kann ich dir auch noch was erzählen.“ Der neu gefasste Paragraf zu Verdeckten Ermittlern, also Angestellte bei den Bullen und V-Personen, jene die mit den Bullen zusammen arbeiten, scheint auf den ersten Blick die Kompetenzen der Cops durch einen Richtervorbehalt einzuschränken. Dies ist nicht unbedingt eine freiwillige Neuerung, sondern basiert vielmehr auf einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts in dem das BKA Gesetz bereits gerügt wurde. Dies soll mal wieder zeigen, wie modern und kritisch die „Hauptstadtpolizei“ ist. Ein Richtervorbehalt kann jedoch unterschiedlich ausgelegt werden. Nach StPO werden die Voraussetzungen erstmal von der Staatsanwaltschaft geprüft und dann dem Gericht zur Entscheidung vorgelegt. Nach dem ASOG wird lediglich ein Bericht der Bullen an das Gericht als Grundlage genommen. Außerdem handelt es sich bei einem richterlichen Vorbehalt nicht unbedingt um eine große Hürde, schließlich ziehen die Ermittlungsbehörden oft am selben Strang. Um ein Beispiel dafür anzuführen; in den letzten 12 Jahren in Berlin kein einziger Antrag auf TKÜ nach §100 StPO abgelehnt.

Weiterhin gibt es einen neuen Absatz, der sich mit Verdeckten Ermittlern aus anderen Bundesländern befasst. Wenn sie schon aus ihrem Bundesland eine richterliche Anordnung mitbringen, brauchen sie nun keine gesonderte mehr, um in Berlin zu schnüffeln.

Die Gesetze der Bullen haben nicht nur in jedem Bundesland verschiedene Namen, sondern weichen auch inhaltlich teilweise voneinander ab. Zum Beispiel in Bayern und Sachsen gelten die Entwürfe als besonders hart. Berlin und Bremen sollen den liberalen Gegenentwurf darstellen. Scheiße wird nicht zu Gold, auch wenn man es golden anmalt. Aufgrund dieser vermeintlichen Modernisierungen wird das Berliner ASOG als Musterpolizeigesetz gehandelt. Es soll kein bundesdeutsches Polizeigesetz geschaffen werden, sondern nur ein unverbindlicher Rahmen für alle Bundesländer. Die dazugehörige Arbeitsgruppe entstammt der Innenministerkonferenz 2017 und wurde im Bezug auf eine Debatte zu islamistischer Terrorabwehr angeregt. Dies lässt drauf schließen, dass die Gesetze in Zukunft weiter verschärft werden, denn Terrorismusabwehr ist ein gern genutztes Argument. Wenn die gewünschten Befugnisse erst mal in Kraft gesetzt werden, dauert es in der Regel nicht lange bis die Gründe zur Anwendung aufgeweicht werden.

Zwar hat es in den letzten Jahren einigen Aufschrei gegen die PAG gegeben. So kam es in Bayern im Zuge dessen zu Demonstrationen mit mehreren Zehntausenden. Leider hat die Dominanz von Corona in den öffentlichen Diskursen und im Alltag den Widerstand und die Debatten gegen die Sicherheitspolitik in den Hintergrund gerückt. Zugleich haben sich viele insbesondere junge Leute gegen die inflationären und rassistischen Bullenkontrollen gewehrt. Wir denken da an Stuttgart im Juni, die großen Black Lives Matter Demos, Silvester in Berlin. Damit wird deutlich, dass Viele mit dem aktuellen Zustand unzufrieden sind und bereits in ihrem Alltag bekämpfen.

Offiziell gilt es sogenannte mögliche Gefahren im Vorfeld abzuwehren. Das ist höchst überflüssig, da alle Maßnahmen im Zuge schwerer Straftaten, genauso wie deren Vorbereitung bereits im Strafgesetzbuch insbesondere hinsichtlich der Terrorismusabwehr, zu genüge geregelt sind. Folglich beziehen sich PAG und ASOG meist auf leichtere Straftaten und dienen vor allem der Kontrolle des öffentlichen Raumes. Diese kleineren Vergehen sind bisher nämlich eben nicht von der StPO gedeckt.

Auch wenn das Gesetz in Berlin noch nicht durch ist, befürchten wir, ist das Kind quasi jetzt schon in den Brunnen gefallen. Aber schlussendlich geht es nun vielmehr darum miteinander in Austausch zu kommen, Augen und Ohren offen zu halten, zu schauen, was sich da noch anbahnt. Sich gegen weitere Verschärfungen zu wehren, auf die Straße zu gehen. Sich nicht vereinzeln zu lassen, Betroffene nicht alleine zu lassen.