12-monatige Aufenthaltsverbote im Wrangelkiez / 12-month bans of entry into Wrangelkiez
English below
12-monatige Aufenthaltsverbote im Wrangelkiez – Rassistische Diskriminierung von Schwarzen Menschen, People of Color und Sinti*zze und Rom*nja in unserem Kiez stoppen!
Im Wrangelkiez werden regelmäßig bis zu 12-monatige Aufenthaltsverbote durch die Polizei ausgesprochen.
Wir fordern mit 14 weitere Gruppen, Initiativen und Kollektiven die sofortige Beendigung der Kriminalisierung!
Bereits im Januar berichteten wir über das einjährige Bestehen der Brennpunkt- und Präsenzeinheit (BPE) der Polizei [1]. In den Medien wurde die Bilanz mehrheitlich als ‚Erfolg‘ verkauft. Als Anwohner:innen-Initiative, die sich gegen Racial Profiling, rassistische Polizeikontrollen und Polizei(gewalt) stellt, haben wir uns die Statistiken [2] und vermeintlichen ‚Einzelfälle‘ genauer angeschaut:
In den letzten Jahren ist insbesondere die Anzahl an verteilten Platzverweisen und Aufenthaltsverboten explodiert. Die Anzahl an Platzverweisen hat von 2016 bis 2020 um rund 350% zugenommen (2016: 778, 2017: 991, 2018: 1.770, 2019: 1.748, 2020 bis Ende Nov.: 2.772); die Anzahl an Aufenthaltsverboten zwischen 2018 und 2020 um rund 1.600% (2018:6, 2019: 25, 2020: 103).
Dabei handelt es sich um ein Experimentierfeld für polizeiliche Maßnahmen, die der Durchsetzung einer rassistischen Abschiebe- und Verdrängungspolitik dienen.
Uns liegen mehrere Aufenthaltsverbotsverfügungen der Polizei vor, die seit Oktober 2020 ausgesprochen wurden. Bei diesen Verfügungen handelt es sich um eine Maßnahme der Polizei, die betroffenen Personen untersagt, für 12 Monate den Wrangelkiez inklusive Görlitzer Park zu betreten. Bei Verstößen dagegen droht zunächst eine Geldstrafe in Höhe von 500€, bei Wiederholung sogar eine Haftstrafe.
Diese Aufenthaltsverbote werden mit wiederholtem Tatverdacht begründet. Angeführt werden dann zumeist Ermittlungsvorgänge sowie erteilte Platzverweise. Allerdings handelt es sich bei den Ermittlungsvorgängen um Tatverdachte und (oftmals) nicht um Verurteilungen. Für die betroffenen Menschen gilt also keine Unschuldsvermutung, sondern ein Generalverdacht.
Eine betroffene Person, die ein solches Aufenthaltsverbot erhalten hat, erläuterte uns die Unrechtmäßigkeit dieses Generalverdachts. Ihr Aufenthaltsverbot wurde mit aufgelisteten Ermittlungsvorgängen und Platzverweisen begründet. Darunter auch ein Fall, in dem die betroffene Person Opfer einer Körperverletzung geworden ist. Dieser Angriff wurde jedoch zu ihrem Nachteil ausgelegt und damit unter anderem das Aufenthaltsverbot begründet.
Biplab Basu von der Beratungsstelle ReachOut [3] erweitert die Kritik in einem Interview im Freien Radio Berlin-Brandenburg vom 3. Februar 2021 [4]:
„Viele Menschen mit diesen Verfügungen sind auch zu mir in die Beratung gekommen. Ich habe dann von Anwältinnen und Anwälten erfahren, dass, wenn die Polizei 7 oder 8 Vorfälle oder Straftaten auflisten, dann in der Akte […] nur noch 2 [stehen]. Also eigentlich lügen sie auch noch.“
Unterfüttert werden die polizeilichen Schreiben mit moralisierenden Argumentationen, die eine Gefahr konstruieren, die völlig überzogen ist. In den neunseitigen, bis auf wenige Zeilen wortgleichen Schreiben, heißt es:
„Sie machen mit Ihren kontinuierlichen Verstößen gegen bestehende Gesetze und gesellschaftliche Normen deutlich, dass Sie diese Werte missachten und ignorieren. Ihr Verhalten indiziert ferner, dass Sie Ihre eigenen Interessen über die gesetzlichen Regelungen stellen. Auf Grund dieser Fakten, der hier gewonnenen Erfahrungswerte, ist anzunehmen, dass Sie versuchen werden, ihren Lebensunterhalt mit der Begehung von Straftaten zu finanzieren. […] Ihre Beharrlichkeit, weiter Straftaten zu begehen, lassen sich anhand des immer wiederkehrenden Antreffens in den Verbotsbereichen ableiten. Die mit Ihrem Aufenthalt und Verhalten in den oben angegebenen Verbotsbereichen verbundenen Gefahren für so bedeutende Individualschutzgüter, wie Leib, Leben und Gesundheit sowie die Schwere und zeitliche Dichte der angefallenen Straftaten sind derart gravierend, dass nicht erst der Abschluss eines verwaltungsgerichtlichen Hauptverfahrens abgewartet werden kann.“
Die Konstruktion einer Gefahr, die gar nicht da ist, hat System. Denn die Task Force der Polizei im Görlitzer Park/Wrangelkiez ist damit beauftragt, nicht nur den Drogenverkauf zu verdrängen, sondern auch Menschen auf Grundlage des Aufenthaltsrechtes abzuschieben, wie der Tagesspiegel berichtet [5]. Zivilgesellschaftliche Organisationen üben daran vehement Kritik [6][7]. Hilfsweise werden hierfür Platzverweise und Aufenthaltsverbote erteilt, um dort nachzuhelfen, wo nicht unmittelbar abgeschoben werden kann. Häufig betroffen sind hiervon Schwarze Personen, die keinen festen Wohnsitz haben oder woanders gemeldet sind, also unter die sogenannte ‚Residenzpflicht‘ fallen, die von vielen Organisationen seit Jahrzehnten kritisiert wird. Dass der Görlitzer Park/Wrangelkiez von der Polizei als ‚kriminalitätsbelasteter Ort‘ ausgewiesen wurde, spielt der Polizei nur in die Karten. Sie können daher verdachts- und anlasslos Menschen kontrollieren und dadurch Ermittlungsvorgänge konstruieren, die später Anlass für ein Aufenthaltsverbot werden.
Wir verurteilen die Kriminalisierung von Schwarzen Menschen, People of Colour, Sinti*zze und Rom*nja und rassistische Abschiebepraktiken von der Berliner Polizei und dem Innensenator Andreas Geisel (SPD) aufs Schärfste. Wir kritisieren, dass diese Institutionen vorgeben, im Sinne der Anwohner:innen zu handeln.
Schluss mit den kolonialrassistischen Gesetzgebungen auf Bundesebene und ihrer überzogenen Anwendung auf Landesebene!
Für eine dauerhafte und bedingungslose Legalisierung aller Personen ohne Aufenthaltsgenehmigung, die sie erst in prekäre Erwerbstätigkeiten drängen!
Für eine Abschaffung von der Kategorie der ‚kriminalitätsbelasteten Orte‘, die Möglichkeitsräume zur Kriminalisierung verschärfen!
#LegalisierungJetzt #KBOsAbschaffen #NoAufenthaltsverbote
• Babylonia e.V. Sprachschulkollektiv
• Berliner Obdachlosenhilfe e.V.
• Bizim Kiez
• Bündnis “Ihr seid Keine Sicherheit!”
• Guinée Solidaire
• Initiative “Wo ist unser Denkmal?”
• Kiezanker 36, Familien- und Nachbarschaftszentrum Wrangelkiez
• Komitee für Grundrechte und Demokratie, Köln
• KOP – Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt
• Kontakt- und Beratungsstelle für Flüchtlinge und Migrant_innen e. V. (KuB)
• Migrantifa
• ReachOut Berlin
• Stadtteilarbeit Reichenberger Kiez
• We’ll Come United Berlin und Brandenburg
• Wrangelkiez United!
[2] https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/SchrAnfr/S18-25894.pdf
[3] https://www.reachoutberlin.de
[4] https://archive.org/details/2021-02-03-interview-david-mit-kopberlin-biblap-basu-gefaehrliche-orte-defund-th
[5] https://www.tagesspiegel.de/berlin/drogenhandel-in-berlin-kreuzberg-die-goerli-bilanz-gar-nicht-gut-schimpft-ein-anwohner/26978374.html
[6] https://fluechtlingsrat-berlin.de/wp-content/uploads/09.03.2021_pm_guinea_.pdf
[7] https://fluechtlingsrat-berlin.de/presseerklaerung/11-03-2021-gemeinsamer-offener-brief-an-innensenator-geisel-zu-seinem-presseauftritt-im-goerlitzer-park/
12-month bans of entry into Wrangelkiez – Stop racist discrimination against Black
people, People of Color and Sinti*zze and Rom*nja in our neighborhood!
Bans of entry into Wrangelkiez for up to 12-months are regularly issued by the police. We demand an immediate end to the criminalization!
Already in January we reported on the one-year existence of the police’s Brennpunkt- und Präsenzeinheit (BPE) [1]. In the media, the balance was sold mostly as a ‘success’. As a residents’ initiative that opposes racial profiling, racist police controls and police (violence), we took a closer look at the statistics [2] and alleged ‘individual cases’.
In recent years, especially the numbers of distributed expulsions [Platzverweise] and bans of entry [Aufenthaltsverbote] have exploded. The number of distributed expulsions has increased by about 350% from 2016 to 2020 (2016: 778, 2017: 991, 2018: 1770, 2019: 1,748, 2020 by end of Nov: 2,772); the number of bans of entry between 2018 and 2020 by about 1600% (2018: 6, 2019: 25, 2020: 103).
This is an experimental field for police measures that serve to enforce racist deportation and displacement policies.
We have collected several ban of entry orders issued by the police since October 2020. These orders are a measure of the police, which forbids affected persons to enter the Wrangelkiez including Görlitzer Park for 12 months. Violations of these orders are punishable by a fine of 500€, in case of repetition even by imprisonment.
These residence bans are justified by repeated suspicion of a crime. In most cases, the reason given is the fact that an investigation has been carried out or that a person has received expulsion orders. However, the investigations are based on suspicions and (often) not on convictions. For the people concerned, therefore, there is no presumption of innocence, but a general suspicion.
One affected person who received such a residence ban explained to us the unlawfulness of this general suspicion. His residence ban was justified by a list of investigations and expulsions. Among them was a case in which the person concerned had been the victim of an assault. However, this assault was interpreted to his disadvantage and thus, among other things, the residence ban was justified.
Biplab Basu from the counselling centre ReachOut [3] expands on the criticism in an interview with Freies Radio Berlin-Brandenburg on February 3, 2021 [4]:
“Many people with these orders have also come to me for counseling. I then learned from lawyers that if the police list 7 or 8 incidents or crimes, then in the file […] only 2 [are] left. So actually they are lying as well.”
The police letters are underpinned with moralizing arguments that construct a danger that is completely exaggerated. The 9-page letters, identical in wording except for a few lines, state: “You make it clear with your continuous violations of existing laws and social norms that you disregard and ignore these values. Your behavior further indicates that you place your own interests above the legal regulations. On the basis of these facts, the experience gained here, it can be assumed that you will try to finance your livelihood by committing crimes. […] Your insistence on continuing to commit crimes can be deduced from your recurring encounters in the prohibited areas. The dangers to such significant individual protected interests as life, limb and health associated with your stay and behavior in the above-mentioned prohibited areas, as well as the severity and temporal density of the criminal offenses incurred, are so serious that it is not possible to wait for the conclusion of main administrative court proceedings.”
The construction of the danger, where such a danger is not even there, has a system. For the police task force in Görlitzer Park/Wrangelkiez, is charged not only to suppress drug sales, but also to deport people on the basis of the right of residence, as the Tagesspiegel reports [5].
Civil society organizations vehemently criticize this [6][7]. As an alternative, expulsion orders and bans of entry are issued in order to help where deportation is not possible immediately. Often affected by this are black people who have no permanent residence or are registered elsewhere, thus falling under the so-called ‘Residenzpflicht’, which has been criticized by many organizations for decades. The fact that the Görlitzer Park/Wrangelkiez has been designated by the police as a ‘Kriminalitätbelasteter Ort’ only plays into the police’s hands. They can therefore control people without suspicion or reason and thereby construct investigative processes that later become grounds for a ban of entry.
We strongly condemn the criminalization of Black people, People of Color and Sinte*zza and Rom*nja and racist deportation practices by the Berlin police and the Senator of the Interior Andreas Geisel (SPD). We criticize that these institutions pretend to act in the interest of the residents. An end to colonial racist legislation at the federal level and its excessive application at the state level. We demand a permanent and unconditional legalization of all persons without a residence permit, which pushes them into precarious employment. For an abolition of the category of ‘Kriminalitätsbelastete Orte’ that exacerbate spaces of opportunity for criminalization.
#LegalizationNow #AbolishKBOs #NoBansOfEntry
• Babylonia e.V. Sprachschulkollektiv
• Berliner Obdachlosenhilfe e.V.
• Bizim Kiez
• Bündnis “Ihr seid Keine Sicherheit!”
• Guinée Solidaire
• Initiative “Wo ist unser Denkmal?”
• Kiezanker 36, Familien- und Nachbarschaftszentrum Wrangelkiez
• Komitee für Grundrechte und Demokratie, Köln
• KOP – Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt
• Kontakt- und Beratungsstelle für Flüchtlinge und Migrant_innen e. V. (KuB)
• Migrantifa
• ReachOut Berlin
• Stadtteilarbeit Reichenberger Kiez
• We’ll Come United Berlin und Brandenburg
• Wrangelkiez United!
[2] https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/SchrAnfr/S18-25894.pdf
[3] https://www.reachoutberlin.de
[4] https://archive.org/details/2021-02-03-interview-david-mit-kopberlin-biblap-basu-gefaehrliche-orte-defund-th
[5] https://www.tagesspiegel.de/berlin/drogenhandel-in-berlin-kreuzberg-die-goerli-bilanz-gar-nicht-gut-schimpft-ein-anwohner/26978374.html
[6] https://fluechtlingsrat-berlin.de/wp-content/uploads/09.03.2021_pm_guinea_.pdf
[7] https://fluechtlingsrat-berlin.de/presseerklaerung/11-03-2021-gemeinsamer-offener-brief-an-innensenator-geisel-zu-seinem-presseauftritt-im-goerlitzer-park/
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