So soll der Technologiepark Adlershof besser geschützt werden

Berlin. Firmen in Adlershof mit Bezug zur Rüstungsindustrie stehen im Visier von Linksextremen. Der Technologiepark-Chef ist vom Angriff überrascht.

Der nach eigener Aussage größte Wissenschafts- und Technologiepark Deutschlands steht in Berlin-Adlershof und seit mehr als 48 Stunden still. Der Brandanschlag auf zwei Hochspannungsmasten am Mittwochmorgen wenige Kilometer entfernt soll ihm gegolten haben, dem laut einem Bekennerschreiben „militärisch-industriellen Komplex“ – ansässige Firmen haben Verbindungen in die Rüstungsindustrie. Der Chef des Technologieparks, Roland Sillmann, warnt vor langfristigen Folgen und zeigt sich überrascht von dem Angriff.

„Alle Firmen von uns sind so gewissenhaft aufgestellt, dass keine Gefahr dadurch ausgeht, wenn der Strom ausfällt“, sagt Sillmann, Geschäftsführer der WISTA Management GmbH, die den Technologiepark betreibt. „Aber natürlich fehlt ihnen erstmal Produktionsausfall und die Forschungszeit. Und es ist auch nicht so, dass sie die Anlagen einfach wieder einstöpseln und dann läuft es wieder, sondern sie müssen die teilweise wieder neu kalibrieren.“ Die Reinigung von Reinräumen könne Wochen in Anspruch nehmen.

Stromausfall nach Anschlag: Vor diesen Schäden warnt der Technologiepark-Chef

„Der konkrete Schaden lässt sich nicht beziffern“, so Sillmann. Jedes Unternehmen sei anders betroffen. Doch zur Einordnung: In einer Woche machten die Firmen einen regulären Umsatz von 100 Millionen Euro. „Einer der schlimmsten Schäden für die Firmen wird sein, wenn sie die Vertrauensbasis von ihren Kunden verlieren. Sie sind ja eingebunden in Lieferketten und liefern Teile, mit denen Endgeräte hergestellt werden“, so Sillmann.
Die Stromversorgung soll laut Stromnetz Berlin bis Donnerstagabend wiederhergestellt werden. „Wir versuchen alles hinzukriegen, dass die Firmen möglichst am Wochenende wieder produzieren können, damit Produktions- und Forschungsausfälle mindestens teilkompensiert werden können“, erklärt Sillmann.

WISTA-Chef von Angriff auf Technologiepark überrascht

„Wir haben um die 100 Firmen, die Weltmarktführer sind und Dinge können, die niemand anderes kann.“ Daher gebe es von anderen Ländern und Organisationen ein hohes Interesse daran, „an dieses Wissen auch auf kriminelle Weise heranzukommen“.

Dass der Technologiepark jedoch ins Visier der Linksextremisten geraten ist, sei überraschend gewesen, ebenso wie die Wortwahl. „Da ging es um Turbo-Kapitalismus. Das entspricht alles nicht dem Selbstverständnis der Unternehmen hier am Standort“, erklärt Sillmann. „Wir machen Technologie, um grundsätzlich die Zukunft besser zu gestalten.“ Schwerpunkte sind unter anderem Erneuerbare Energien, Informationstechnologien und Biotechnologie. Insgesamt arbeiten und forschen rund 1400 Unternehmen mit rund 30.000 Beschäftigten am Standort Adlershof.

Allerdings: „Den meisten Technologien liegt es zugrunde, dass sie für unterschiedliche Sachen genutzt werden können.“ Sogenannte Dual-Use-Güter, wie Drohnen, die im Katastrophenschutz aber auch in der Verteidigung eingesetzt werden können.

Unternehmen im Verteidigungsbereich: „Derartiger Angriff noch nie vorgekommen“
Die im Bekennerschreiben genannten Unternehmen, wie Siemens, würden am Standort Adlershof nicht zu Verteidigungstechnologie forschen, so Sillmann. „Die Tätigkeiten beziehen sich auf Forschung und Entwicklung im Bereich innovative und nachhaltige Bahnlösungen“, erklärt ein Siemens-Sprecher auf Anfrage der Berliner Morgenpost.

Auch Trumpf – ebenfalls im Fokus der Linksextremen – bestreitet, in Adlershof im Bereich Verteidigung zu arbeiten. „Die sich in einem frühen Stadium befindliche Befassung mit der lasergestützten Drohnenabwehr findet nicht in Berlin statt“, so ein Sprecher. Erst vor Kurzem wurde bekannt gegeben, dass das Hochtechnologieunternehmen seine Laser auch an Kundschaft in der Rüstungsindustrie verkauft. Dies wurde mit den veränderten sicherheitspolitischen Bedingungen begründet.

Andere Firmen, die im Bekennerschreiben Erwähnung finden, wie Atos und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), wollten sich hingegen nicht dazu äußern, ob ihre Tätigkeiten im Technologiepark Adlershof Bezüge zum Bereich Verteidigung und Sicherheit haben.

„Die Entwicklungen in den letzten Monaten haben mit diesem Anschlag ihren traurigen Höhepunkt erreicht“, erklärte DLR-Sprecher Andreas Schütz mit Blick auf den polarisierten gesellschaftlichen Diskurs über den Ukrainekrieg und die Gefahr, die von Russland ausgeht. „Das DLR forscht seit 50 Jahren im Bereich Sicherheit und Verteidigung“, so Schütz weiter. Im digitalen Raum sei die Forschungseinrichtung vielen Cyberattacken ausgesetzt. „Ein derartiger Angriff wie in Adlershof ist aber noch nie vorgekommen.“

Nach Anschlag auf Stromnetz: So soll der Technologiepark besser geschützt werden

Wie reagieren auf die gestiegene Gefahr durch Attacken auf kritische Infrastruktur? „Wir haben bereits sehr viele Sicherheitsvorkehrungen“, erklärt WISTA-Chef Sillmann – auch Unternehmen, wie Siemens und Atos, sprechen von bewährten Sicherheitskonzepten, die fortlaufend überprüft werden, ohne dabei konkreter zu werden. „Nötig sind aber noch klar getrennte Stromeinrichtungen, die redundant ausgeführt sind.“ Von zusätzlichen Zäunen, von Abschottung halte er nichts. „Damit büßt man Innovationskraft ein.“ Es müsse abgewogen werden, inwieweit kritische Punkte gesichert und gleichzeitig Offenheit bewahrt werden könne.

Zudem macht er darauf aufmerksam, dass der Anschlag außerhalb des Technologieparks stattgefunden hat. „Ich erwarte von der Politik, dass sie dieses Thema ernst nimmt.“ Der Anschlag auf den Technologiepark in Adlershof sei „grundsätzlich ein Angriff auf Technologie und Wissenschaft“. Die deutsche Industrie müsse weiterhin innovationsfähig sein. „Als Exportweltmeister müssen wir uns bewusst sein, dass wir diese Struktur stärker schützen müssen.“

adlershof_luftbild2