Künstler verklagt Berlin nach mutmaßlichem Übergriff durch Polizisten

„I can’t breathe!“ – „Ich kann nicht atmen!“ Dieser Satz ging 2020 um die Welt. Es war der Ausruf des unter dem Knie eines Polizisten sterbenden Afroamerikaners George Floyd (43). 9 Minuten und 29 Sekunden lang kniete der weiße US-Beamte auf dem Hals des am Boden liegenden Schwarzen und drückte ihm die Luft ab.

Dass diese umstrittene Polizeipraxis offenbar auch in Berlin angewendet wird, bekam Zefanias M. (31) schon Monate vor dem Tod des US-Amerikaners schmerzlich bei einem mutmaßlichen Übergriff zu spüren.

Rückblick: Am 4. November 2019 sieht der Künstler auf dem U-Bahnhof Hermannstraße, wie zwei Sicherheitsleute der BVG einen Obdachlosen auffordern, den Bahnsteig zu verlassen. Dabei sind sie nicht zimperlich, sollen den Mann übel beschimpft haben. Zefanias M. will dem Mann helfen, spricht die Sicherheitsleute an. „Weitergehen, hier gibt es nichts zu sehen!“, antworten die.

Nach einer Diskussion über ihr unverhältnismäßiges Vorgehen bieten die Sicherheitsleute Zefanias M. schließlich an, die Polizei zu holen: „Ich stimmte noch erleichtert zu, hoffte auf Unterstützung!“ Doch das Gegenteil sei der Fall gewesen.

M. zu B.Z.: „Als die Beamten eintrafen, wollte ich von der Bank aufstehen und wurde gleich zurückgeschubst. Als ich erneut aufstand, wurde ich zu Boden gebracht.“

Polizist soll ihm Knie in den Nacken gedrückt haben

Ein älterer Polizist soll ihm dann das Knie in den Nacken gedrückt haben. Eine Viertelstunde lang! „Mir lief der Speichel in den Hals, ich sagte: ‚Ich kann nicht atmen. Ich habe Angst, zu ersticken!’“ Die unglaubliche Antwort des Beamten darauf soll gewesen sein: „Das hoffe ich doch!“

Zefanias M. fiel laut eigener Aussage bei der Auseinandersetzung mehrfach in Ohnmacht. Spätestens jetzt seien die Beamten verpflichtet gewesen, einen Arzt zu rufen. Doch das sei nicht geschehen. Stattdessen sei er in die Gefangenensammelstelle gebracht worden.

Zefanias M. erstattete Anzeige gegen die Polizisten, das Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung im Amt wurde eingestellt. Er selbst wurde aber wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte angezeigt und zu einer Geldstrafe verurteilt.

Der Musiker hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. Aus einem 50 Minuten langen Überwachungsvideo, das die BVG für die Ermittlungen der Polizei übergab, sollen genau die 15 Minuten verschwunden sein, die die Polizisten belastet und Zefanias M. entlastet hätten. Wie das passieren konnte, wurde bislang nicht aufgeklärt.

In einem sogenannten Amtshaftungsprozess hat M. die Stadt nun auf Schadenersatz verklagt. „Das Land Berlin als oberster Dienstherr muss für das Fehlverhalten seiner Beamten in Regress genommen werden“, sagt sein Anwalt Armin Grimm. Ab Donnerstag (5. Dezember) wird der Fall vor dem Berliner Landgericht verhandelt.

Laut Grimm ist die Fixierung von Verdächtigen mit dem Knie auf Brust, Rücken oder Nacken zwar nicht Teil der Polizeiausbildung, sei aber immer noch gängige Einsatzpraxis. Der Jurist: „Ich habe Verständnis, dass Polizisten sie nutzen, wenn sie Gefahr für ihr eigenes Leben abwenden können.“

Aber: Die lebensgefährliche Praxis dürfe nicht wahllos gegen Menschen eingesetzt werden, die Politik müsse verbindliche Rechtsnormen schaffen. Dafür wollen Zefanias M. und sein Anwalt jetzt kämpfen.

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