Auf der digitalen Spur der Kriminellen: So erschnüffeln Polizei-Spürhunde Handys, Festplatten, USB-Sticks
Wo sie zum Einsatz kommen, geht es um Straftaten wie Kinderpornografie oder Steuerhinterziehung. Um Beweise auf USB-Sticks oder Festplatten zu finden, trainiert die Polizei in Thüringen vier Spürhunde der besonderen Art. Sie folgen dem Geruch von Handys und Speichermedien, helfen bei der Suche nach digitalen Daten – auch im Altenburger Land.
Altenburg/Gera. Noch weiß er nicht ganz genau, wie er am besten vorgehen soll. Der Trüffelhund mit den braunen Locken ist acht Monate alt und hat gerade erst mit der Ausbildung zum Datenträgerspürhund begonnen. „Alfredo, hier“, hilft ihm Katja Aumann und zeigt mit dem Finger dorthin, wo er schnüffeln soll. Eine Minute später hat Alfredo seinen ersten Fund in der Gerätehalle in Gera gemacht: Es sind zwei in einer Schublade versteckte Leiterplatten. Katja Aumann betätigt den Hundeklicker und vergibt ein Leckerli zur Belohnung.
„Immer mehr Straftaten werden digital geplant und ausgeführt“
Die Trainerin ist die Leiterin der Diensthundestaffel Nordthüringen, die bei Bedarf auch ins Altenburger Land kommt. Und Alfredo ist einer von mittlerweile vier Spezialspürhunden der Polizei Thüringen. Zusammen mit seinen Kollegen Kevin, Marlis und Egon soll er künftig USB-Sticks, Festplatten, Speicherkarten oder Handys erschnüffeln. Dabei seien die vier Diensthunde laut Polizei nicht nur im Altenburger Land und in Thüringen allgemein, sondern ganz Deutschland gefragt. Einzig Sachsen, Bayern und Nordrhein-Westfalen haben ihre eigenen Datenträgerspürhunde zur Verfügung.
Warum aber sind die Spürhunde überhaupt so begehrt? „Das digitale Zeitalter ist auch bei der Polizeiarbeit angekommen“, erklärt Polizeihauptmeister Nico König, der selbst zwei der Thüringer Datenträgerspürhunde ausbildet. „Immer mehr Straftaten, wie Kinderpornografie oder Steuerhinterziehung, werden digital gespeichert, geplant oder ausgeführt.“ Die Hunde könnten kleinste Speichermedien selbst in vermüllten Wohnungen aufspüren.
Wonach riecht ein Datenträger?
„Welche Stoffe und Gerüche unsere Hunde dabei verfolgen, das wissen wir gar nicht genau“, fügt Trainerin Katja Aumann an. Die einzelnen Bestandteile der Speichermedien, wie Plastik und Metall, könnten es jedenfalls nicht sein – sonst würden die Hunde auch auf Stromkabel oder Lichtschalter reagieren. „Es muss etwas mit dem Produktionsprozess der Datenspeicher zu tun haben.“ Bei der Herstellung von USB-Stick, Festplatte & Co. kämen bestimmte Verarbeitungsprozesse zum Einsatz, die dann geruchlich am Speicher haften. „Das können bestimmte Chemikalien sein oder Rückstände des Schweißprozesses“, erklärt Aumann.
Beim Training sei es deshalb besonders wichtig, Datenspeicher verschiedener Hersteller zu verwenden. Außerdem müssen die Hunde lernen, alte, neue, frisch benutzte und lang verstaubte Speicher gleichermaßen zu beachten. Damit die Tiere nicht nach ihrem eigenen Geruch oder dem der Trainer suchen, wechseln die Hundeführer die Trainingsgegenstände regelmäßig aus. Generell müsse ein Datenträger vor einem Einsatz mindestens 15 Minuten an Ort und Stelle liegen, damit sich eine feine Duftwolke herausbildet.
„Die Tiere müssen sich dabei viel stärker konzentrieren als bei der Suche nach Rauschgift“, merkt Aumann an. „Junge Hunde, die noch dazu am Anfang ihrer Ausbildung stehen, trainieren deshalb nur kurz“, sagt sie und leint den braunen Trüffelhund wieder an. Irgendwann soll Alfredo bis zu 30 Minuten arbeiten können. Spätestens dann bräuchten jedoch selbst erfahrene Datenträgerspürhunde eine Pause. Die Polizei Thüringen setzt die Spürhunde deshalb in Zweierteams ein: Bei einem „scharfen Einsatz“, wie Katja Aumann es nennt, sollen sich Alfredo und Border Collie Kevin gegenseitig abwechseln. Schäferhündin Marlis und Terrier Egon bilden das zweite Team.
Border Collie Kevin: Strategisch und ruhig
Wie ein Einsatz dann im Idealfall aussehen kann, das zeigt Border Collie Kevin. Er sammelt Arbeitserfahrung seit 2020 und hat schon einige Einsätze in Thüringen, aber auch Dresden, Leipzig, Bayreuth oder Bremen hinter sich. Im Altenburger Land hat Kevin bisher keinen Fall angenommen, sagt Aumann. „Aber sobald eine Anfrage eintrifft, werden wir kommen.“
Langsam läuft Kevin beim Training die Regale ab, pausiert bei jeder Kiste und schnüffelt. „Er weiß genau, wo und wie er suchen muss“, sagt Aumann. „Kevin kann sich den Raum selbst einteilen und geht dann strategisch vor.“ Seine Ausbeute nach wenigen Minuten: eine Festplatte zwischen Elektroschrott, ein USB-Stick in einer Schublade und sogar die kleine Speicherkarte an einem City-Roller. Die besonders feine Nase und das ruhige Wesen machen den Border Collie zum perfekten Datenträgerspürhund.
Nicht jeder Hund hat das Zeug zum Datenträgerspürhund
Dass es nicht allen Hunden so leicht fällt, das führt Aumanns Kollege Nico König mit seiner Malinois-Hündin Marlis vor. Als belgische Schäferhündin passt sie eher ins Bild des klassischen Wach- und Schutzhundes der Polizei.
Auf der Suche nach einem versteckten Handy geht die aufgeweckte Hündin aber immer wieder am Versteck des Datenspeichers vorbei. „Wenn ein Hund hektisch ist und zu schnell atmet, dann kann es sein, dass er über die feine Geruchsspur ,hinwegatmet’“, erklärt Trainer Nico König. Deshalb führt er die Hündin mit einem Zeigestock mehrmals an dieselben Orte zurück. Solange, bis sie das Mobiltelefon erschnüffelt. Auch Marlis’ Einsatzpartner Egon sei kein typischer Datenspürhund, sagt König: „Er ist ein Heideterrier aus dem Tierheim. Diese Hunde haben ihren eigenen Kopf.“
Dass sich der Polizeihauptmeister mit Marlis und Egon damit zwei schwierige Kandidaten für die Ausbildung ausgesucht hat, mache ihm nichts aus. „Ich freue mich über die Herausforderung“, sagt er. Und dafür, dass Egon zum ersten Mal außer Haus trainiert habe, sei es doch ganz gut gelaufen. Die Platinen hinter dem Schrank sind dem Eineinhalbjährigen jedenfalls nicht entgangen.