Rassistische Polizeichats: Landgericht Frankfurt lässt Anklage gegen Polizisten nicht zu
Polizisten des 1. Frankfurter Reviers sollen rassistische und rechtsextreme Chatgruppen gehabt haben. Nun hat das Landgericht entschieden: Weil die Gruppen geschlossen waren, handelt es sich nicht um strafbares Verhalten.
Das Landgericht Frankfurt hat die Zulassung der Anklage im sogenannten „Chatgruppen-Verfahren“ gegen Polizeibeamte aus Frankfurt abgelehnt und insofern auch das Hauptverfahren nicht eröffnet. Dabei geht es um die Chatgruppe „Itiotentreff“ und andere Gruppen, in denen fünf Beamte aus dem 1. Polizeirevier in Frankfurt und die Lebensgefährtin eines der Beamten in den Jahren 2014 bis 2018 rechtsextreme, antisemitische und rassistische Inhalte ausgetauscht haben sollen.
Die Gruppen wurden im Zuge der Ermittlungen zum Drohbriefschreiber „NSU 2.0“ zufällig entdeckt. Damals wurden Smartphones von Beamten beschlagnahmt und ausgewertet, weil von einem Computer im 1. Revier Daten der kurz darauf vom „NSU 2.0“ bedrohten Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz abgerufen worden waren.
Die Staatsanwaltschaft Frankfurt hatte im April 2022 Anklage gegen die Polizisten erhoben und warf ihnen das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Volksverhetzung, Gewaltdarstellung, Beschimpfung von religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnissen und Besitz sowie Verbreitung pornographischer Schriften vor. Insgesamt handelte es sich um gut 100 Bilder.
Das Landgericht Frankfurt hat die Verfahrenseröffnung nun „aus Rechtsgründen“ abgelehnt. In dem Beschluss, welcher der F.A.Z. vorliegt, heißt es: Weil es sich um geschlossene Chatgruppen gehandelt habe, sei das für alle angeklagten Tatbestände notwendige Merkmal des „Verbreitens“ der Inhalte nicht erfüllt. Die Strafkammer bezieht sich insofern auf die Meinungsfreiheit in Artikel 5 des Grundgesetzes. Der Inhalt einer Meinung als solcher dürfe nicht verboten werden, sondern nur die Art der Kommunikation: Um ein Verbreiten im strafrechtlichen Sinn handele es sich erst, „wenn der inkriminierte Inhalt einem größeren Personenkreis zugänglich gemacht wird“. Dieser müsse zumindest so groß sein, „dass er für den Täter nicht mehr kontrollierbar ist“. Im vorliegenden Fall sei diese Voraussetzung nicht erfüllt, schreiben die Richter.
Der Chat hatte weniger als zehn Mitglieder
Die an den Chats beteiligten Mitglieder bilden nach Ansicht des Gerichts eine klar abgegrenzte Gruppe. Der Chat „Itiotentreff“, um den es in dem Verfahren vor allem geht, habe in der gesamten Zeit jeweils weniger als zehn Mitglieder gehabt. Es sei nicht ersichtlich, dass diese damit rechneten, dass die ausgetauschten Inhalte weitergegeben werden – oder dass sie dies sogar beabsichtigten. Im Gegenteil: Das Bewusstsein um die strafrechtliche Relevanz sei sogar aus den Chats abzulesen.
Die Chatgruppen seien insofern „exklusiv“ gewesen, als nur bestimmte Personen ausgewählt worden seien, dazuzugehören. Auch die Inhalte seien exklusiv den Mitgliedern vorbehalten gewesen. Diese Exklusivität hätten die Beteiligten unbedingt bewahren wollen. Weiter schreibt die Strafkammer, dass das Merkmal des Verbreitens auch dann nicht erfüllt sei, wenn man davon ausgehe, dass es den Teilnehmern egal sei oder sie billigend in Kauf nähmen, dass die Nachrichten an viele Dritte weitergegeben werden.
„Der Umstand, dass aus den ermittelten Daten eine menschenverachtende Grundhaltung mit rechtsextremen und insbesondere rassistischen Zügen erkennbar wird“, bedeute mit Blick auf die Meinungsfreiheit in Artikel 5 des Grundgesetzes „nicht automatisch, dass hier strafbares Handeln vorliegt“. Dagegen komme es bei der Frage, ob die Polizisten noch tragbar für den Polizeidienst sind, auf den Standpunkt an, nicht auf dessen Verbreiten.
Laut dem Beschluss handelt es sich bei den Chat-Inhalten teils um Hitler-Darstellungen, teils um Bilder, die Menschen mit Behinderung als „Error“ oder Türken als „Kanackenpack“ bezeichnen. In anderen Fällen würden dunkelhäutige Menschen als schwachsinnig, faul, dumm oder kriminell dargestellt, Gewalt an Kindern gezeigt oder sich über den Holocaust lustig gemacht. Die Staatsanwaltschaft teilte am späten Dienstagabend auf Anfrage mit, dass sie gegen den Beschluss sofortige Beschwerde beim Oberlandesgericht eingelegt habe.
Der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Dirk Peglow, sprach am Dienstagabend von einer „erwartbaren Entscheidung“. Es sei schon früh „der Gedanke aufgekommen, dass die Öffentlichkeit bei den Chats nicht gegeben ist“. Allerdings sieht er weiteren juristischen Klärungsbedarf und wartet nun die Entscheidung des Oberlandesgerichts ab.
Peglow sagte, es könne nicht sein, dass solche Chats „wegen fehlender Öffentlichkeit und mit dem Argument, es handele sich um Satire, nicht weiter verfolgt werden“. Gerade an Polizeibeamte müsse ein besonders hoher Maßstab angelegt werden, wenn es um rassistische Äußerungen und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit gehe. „Diese Diskussion muss geführt werden, ganz gleich, ob die Anklage am Ende doch noch zugelassen wird.“