Braune Mode

Die Bundeswehr will Rekruten anwerben und dreht einen Imagefilm. Doch einer der Soldaten darin zeigt eine bedenkliche Nähe zu rechten Modemarken. Nicht der erste Fall
Von Hauke Friederichs

Die Soldaten des Wachbataillons in ihren Galauniformen und mit ihren Karabinern in den Händen sind Repräsentanten der Bundesrepublik. Sie begrüßen zum Beispiel Staatsgäste, die Deutschland besuchen. Die Bundeswehr wirbt mit diesen Gardisten in ihrer neuen Serie Semper talis, die auf YouTube über ihre Social-Media-Kanäle läuft.

Einer der Soldaten, der in der Serie häufig vorkommt, der als Anführer von Scharfschützen und Teil eines Ehrenspaliers gezeigt wird, trägt T-Shirts und Jacken von Fight Cult, er tritt sogar in dessen Instagram-Profil als Repräsentant der Marke auf und posiert mit den Klamotten. Bloß: Das Label ist eines, das bei Rechtsradikalen beliebt ist. Der Repräsentant der Bundeswehr und Bundesrepublik weist also eine problematische Nähe auf.

Fight Cult trägt auch der rechte Rapper Prototyp, mit bürgerlichem Namen Kai Naggert, der zur Identitären Bewegung gezählt wird. In seinem Instagram-Account finden sich zahlreiche Porträts, auf denen er die Mode trägt. „Grüße raus gehen an fight cult“, schreibt er unter einen Post, „sehr stabile Marke“. Und Fight Cult antwortet mit drei Bizeps-Icons. So antwortet Fight Cult auch unter einem anderen Bild des Rappers, der einen Pullover des Labels anhat. Auch bei rechtsextremen Hooligans, etwa radikalen Anhängern von Borussia Dortmund und Dynamo Dresden, steht die Marke hoch im Kurs. Auf eine Anfrage von ZEIT ONLINE reagierte das Label nicht.
„Fight Cult produziert einfallslose Shirts, Hosen und Kapuzenpullover, die jeweils in schwarz gehalten und mit der Silhouette eines Kämpfers im Ehrenkranz versehen sind“, heißt es in einem Blog über die Identitäre Bewegung (IB). Seit Anfang 2020 versuche die Struktur hinter der Marke, die Fight-Cult-Bekleidung in subkulturellen Kreisen zu bewerben: „Dazu bedient sie sich Personen aus der Kampfsport-, Hooligan- und IB-Szene, die umsonst ausgestattet werden und im Gegenzug mit ihrem Gesicht mit Bekleidung der Marke posieren.“

Der Soldat aus Semper talis, der als Modell für die Marke agiert, betreibt Kampfsport. Er erzählt in der Serie, dass dies sein Hobby sei, und auf seinem Instagram-Kanal verweist er auf MMA, Mixed Martial Arts, und auf Fight Cult. „Ich halte es nicht für einen Zufall, dass extrem rechte Rapper und Kampfsportler die Marke Fight Cult tragen. Gewaltfaszination und ein traditionelles Männlichkeitsideal verbinden“, sagt Robert Claus, Mitarbeiter des Projektes „Vollkontakt – Demokratie und Kampfsport“ sowie Autor des Buches Ihr Kampf über extreme Rechte und Umsturzpläne. „Dass die Marke Fight Cult zum rechten, gewaltaffinen Milieu gehört, ist meiner Meinung nach eindeutig. In den vergangenen zehn Jahren gab es einen starken Anstieg von Modelabels aus rechten Subkulturen. Fight Cult muss man in diese Entwicklung einordnen.“

Kein Einzelfall

Kampfsportler aus Reihen der Bundeswehr mit rechtsextremen Kontakten sorgten bereits in der Vergangenheit für Aufsehen. So machte ein Elitesoldat aus Mecklenburg-Vorpommern Schlagzeilen, der vom Militärische Abschirmdienst (MAD), dem Geheimdienst der Bundeswehr, überwacht wurde, weil er Rechtsradikale ausgebildet haben soll. Das berichtete die Tagesschau.

Wie groß das Problem ist, zeigt der im Mai veröffentlichte Lagebericht Rechtsextremisten, „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ in Sicherheitsbehörden. „In Zahlen gab es 860 Verdachtsfälle aus den Bundes- und Landessicherheitsbehörden, und diese 860 Fälle wurden sehr genau geprüft“, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums vor der Bundespressekonferenz. „Bei 327 Bediensteten – das sind knapp 40 Prozent der geprüften Fälle – wurden tatsächlich Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung festgestellt.“ Mehr als 100 davon betrafen die Bundeswehr.

In dem Bericht wird dezidiert auf die Kontakte von Beamten und Soldaten zu rechten Kampfsportlern und Hooligans verwiesen: „Auch zu Organisationen aus dem subkulturellen Rechtsextremismus bestehen Verbindungen. Hierunter fallen überwiegend unstrukturierte Personenzusammenschlüsse zum Beispiel der Musik-, Hooligan- und Kampfsportszene.“ So besuchten Polizisten und Soldaten den „Kampf der Nibelungen“, ein bei Rechtsextremen beliebtes Event. „Es ist sehr bedenklich, wenn Polizisten und Soldaten Nähe zu extrem rechten Modemarken und Kampfsportausstattern zeigen“, sagt der Experte Claus. Solche Fälle habe es in den vergangenen Jahren immer wieder gegeben.
„Ich wollte zur Bundeswehr, denn mein Opa war auch Soldat“

Wachsend ist die Zahl der rechtsextremistischen Delikte in der Bundeswehr. 2020 gab es 477 neue Verdachtsfälle, 2018 waren es noch 270. Die Berichte der Wehrbeauftragten des Bundestages führen Jahr für Jahr weitere Verfehlungen auf: Soldaten zeigen den Hitler-Gruß, horten NS-Devotionalien, malen Hakenkreuze, gründen rechtsextreme WhatsApp-Gruppen. Das Kommando Spezialkräfte verursachte in den vergangenen Jahren zudem zahlreiche Negativschlagzeilen, weil Angehörige der Elitetruppe sich als Neonazis herausstellten und Waffen und Sprengstoff für den „Tag X“ versteckten. Mitte 2021 sorgten deutsche Panzergrenadiere, die zur Battle Group in Litauen gehörten, für Entsetzen. „Nach dem vorläufigen Ergebnis der disziplinaren Ermittlungen hätten am 20. April 2021 mehrere Mannschaftssoldaten ein Geburtstagslied für Adolf Hitler gesungen“, teilte die Wehrbeauftragte mit. Ein Vorgesetzter habe versucht, die Vorfälle zu vertuschen. Beschuldigte hätten zudem die Ermittlungen gestört.

Gegenüber Extremisten verfolge man eine Null-Toleranz-Politik, teilt ein Sprecher des Verteidigungsministeriums auf Anfrage von ZEIT ONLINE mit. „Geraten Angehörige der Bundeswehr auch nur in den Verdacht einer extremistischen Betätigung, werden Ermittlungen aufgenommen.“ Zum konkreten Fall könne man sich zwar nicht äußern, doch lässt das Ministerium wissen: Das Tragen von „vorgeblich szenetypischer Bekleidung“ sei ein Baustein, der eine Verdachtsfallbearbeitung des MAD begründen könne.

Doch auch ohne offizielle Stellungnahme gibt es noch mehr zu diesem Fall zu sagen. Seit zwölf Jahren dient der Soldat des Wachbataillons nach eigenen Angaben in der Armee. In Semper talis fällt er mit seinem stark tätowierten Körper auf. Das Porträt eines Landsers der Wehrmacht mit charakteristischem Stahlhelm prangt auf einem Arm. Er sagt in der Serie: „Ich wollte zur Bundeswehr, denn mein Opa war auch Soldat.“ Und: „Ich wollte unbedingt so werden wie Opa.“

Das Wachbataillon hat ein Imageproblem

Das Team von Bundeswehr Exclusive, das die Serie produziert, hat im Instagram-Accounts des Oberstabsgefreiten die Hinweise auf Fight Cult offenbar übersehen. Das sorgt auf Twitter und anderen sozialen Netzwerken für Unmut, einige weisen öffentlich darauf hin.

Ein Kritiker moniert: „Die Bundeswehr hat ein Problem mit rechtem Gedankengut“, ein Bundeswehrangehöriger empört sich: „Überragende Medienkompetenz! Wehrmachtssoldaten auf dem rechten Arm.“ Er prangert zudem das Werben für Fight Cult an und schreibt, dass der kritisierte Soldat auch Label23 folge, einer rechten Marke. Es gibt noch mehr solcher Kritiken.

Das Wachbataillon hat ein Imageproblem, das mit der Serie aufgebessert werden sollte. Im vergangenen Jahr kam heraus, dass mehrere Soldaten dort eine rassistische und antisemitische Gruppe gebildet hatten. Eines der Mitglieder soll offen ein T-Shirt mit rechtsextremen Symbolen getragen haben. Im Bericht der Wehrbeauftragten heißt es dazu: „Mindestens sechs Angehörige einer Kompanie sollen sich zu einer Gruppierung namens ‚Wolfsrudel‘ zusammengeschlossen haben, die Bezüge zum Rechtsextremismus aufweise.“ Einige der Beschuldigten hätten „Dienstausübungs- und Uniformtrageverbote“ erhalten. Der MAD habe sich eingeschaltet.

Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums erwähnte „ziemlich abartige Trink- und Aufnahmerituale“, sexualisierte Gewalt und rechtsextremistische Vorfälle. „Es ist für uns Soldatinnen und Soldaten, auch für mich als uniformierten Menschen in der Bundeswehr, schwer erträglich, dass es erneut und in einigen Verbänden eben auch gehäuft zu Vorfällen dieser Art kommt – und dann auch schon wieder in einem rechtsextremen Kontext“, sagt er.

Für die Bundeswehr spielt der Film eine bedeutende Rolle bei der Personalgewinnung. 2,3 Millionen Euro ließ sich die Armee die Serie und die Werbekampagne dafür kosten. Trotzdem fiel weder den Verantwortlichen im Wachbataillon noch den Filmemachern auf, welche problematische Nähe der Oberstabsgefreite zu dem umstrittenen Label aufweist. Dabei gab es einen ähnlichen Vorfall schon einmal bei Dreharbeiten: In einem offiziellen Film über die Mission in Mali trug ein Soldat eine Hose von Thor Steinar, eine Kultmarke bei Rechtsradikalen.
Gardisten sollen die Regierung schützen

Dem Oberstabsgefreiten aus Semper talis könnten ernste Konsequenzen drohen. „Wenn ein Soldat eine klar der rechten Szene zuordenbare Kleidung trägt und sogar dafür wirbt, dann gibt es für ihn ein Rechtfertigungsproblem“, sagt Professor Philipp-Sebastian Metzger von der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung in Mannheim. Es gebe eine Kernpflicht des Soldaten, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu verteidigen. „Das passt nicht dazu, wenn jemand als Gesicht einer rechten Modemarke fungiert“, sagt Metzger.

Wenn ein Soldat in seinen Social-Media-Kanälen auf rechtsradikale Gruppe verlinke oder rechtsextreme Bands like, dann kann das schon für eine Entlassung reichen. „Bei Bundeswehrangehörigen geht es um den bewaffneten Arm unseres Staates“, sagt der Jurist Metzger, der Experte für Wehrrecht ist. „Sie müssen auf dem Boden der Verfassung stehen, es wäre eine Katastrophe, wenn sie rechtsradikal wären und unser Grundgesetz nicht achten.“

Nun überschattet die Diskussion über den Soldaten die gesamte Kampagne mit dem Wachbataillon. Insbesondere, weil deren Gardisten nicht nur repräsentative Aufgaben haben: Im Krisenfall sollen sie das Bundeskabinett und das Regierungsviertel schützen. „Wir sind exzellente Kämpfer, die die Funktionstüchtigkeit als auch die freiheitliche demokratische Grundordnung verteidigen“, sagt ein Offizier in der Serie. Mit einem Soldaten, der einen Wehrmachtslandser auf dem Arm trägt und eine Vorliebe für rechte Mode zeigt, scheint dieser Auftrag nicht zusammenzupassen.

passiert am 11.07.22