Gesundheit im Kapitalismus
Eine weitere Perspektive aus unserer Gruppe. Diesmal wird aus marxistisch geprägter Sicht das Verhältnis von Kapitalismus und Gesundheit vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie betrachtet.
Gesundheit im Kapitalismus?
„Reicher Mann und armer Mann standen da und sahn sich an. Und der Arme sagte bleich: «Wär ich nicht arm, wärst du nicht reich».“ (Bertolt Brecht)
Bereits vor Ausbruch der Corona-Pandemie wurde der Gesundheitssektor durch immer weiter voranschreitende Privatisierung abgebaut und für Profitinteressen umstrukturiert. Die Kommerzialisierung des Gesundheits-, Pflege- und Betreuungswesens bedeutete eine zunehmende Verschlechterung bei den Angeboten und der Qualität der Versorgung sowie der Arbeitsbedingungen für das Personal [siehe dazu auch unsere Texte „Profite pflegen keine Menschen – eine Zuschrift“ (1) sowie „Die Soziale Frage und die neue Form von „Solidarität““ (2) ].Beispielsweise wurden seit der Jahrtausendwende 300 Hospitäler in Deutschland, das heißt 14% Prozent der Krankenhäuser, dichtgemacht.
Somit überrascht es nicht, dass nach Ausbruch der Pandemie in den Kliniken weiterhin Intensivbetten, Beatmungsgeräte, Pflegepersonal, Schutzkleidung und Desinfektionsmittel fehlten. Es gab kaum zusätzliche Kapazitäten, um eine große Anzahl schwerkranker Patient*innen zu versorgen (3).
Aktuell fehlen auf den Intensivstationen bis zu 50.000 Pflegekräfte. Sowohl für die stationäre als auch für die ambulante Versorgung müssten wesentlich mehr Ressourcen eingesetzt werden als momentan (4). Die einrichtungsbezogene Impfpflicht bedeutet eine zusätzliche Verschärfung der Lage. Bereits vor Einführung der Impfpflicht hatten sich 25.000 Menschen aus dem gesamten Gesundheits- und Sozialsektor arbeitssuchend gemeldet, davon 12.000 aus der Pflege (5).
Die von einigen – auch linken – Gruppen herbeigewünschte allgemeine Impfpflicht, welche den Pharmakonzernen zusätzlich mehrere Milliardenprofite einbringen würde, träfe die Ärmsten in der Gesellschaft am härtesten. Während sich die Reichen und Kapitalist*innen wie immer freikaufen könnten, wäre es für die Ärmsten in der Gesellschaft de facto nicht nur eine Impfpflicht, sondern ein Impfzwang! (6)
Patentfreie Impfstoffe hätten bereits 2020 zur Verfügung gestanden (7), doch dauerte es bis zum Sommer 2022, bis die WTO eine Aussetzung der Patente auf Vakzine gegen das Coronavirus beschloss (8). Viele Regierungen hatten in erster Linie das Ziel, die Aufrechterhaltung der Profite von Unternehmen zu sichern und nicht den bestmöglichen und sozial verträglichen Schutz der Bevölkerung. Allein der mit Steuergeldern aufgebaute und mit mindestens 375 Millionen Euro an Subventionen finanzierte Konzern Biontech rechnet im Gesamtjahr 2022 mit Impfstoffeinnahmen von 13 bis 17 Milliarden Euro. 2021 hatte Biontech einen Umsatz von knapp 19 Milliarden Euro erzielt, der Profit lag netto bei knapp 10,3 Milliarden Euro (9).
Es ist höchste Zeit ALLE medizinischen Patente abzuschaffen und die Versorgung aller Menschen mit Arzneimitteln gesellschaftlich zu organisieren. Dafür muss dieses kapitalistische System allerdings revolutionär überwunden und ein Gesellschaftssystem erkämpft werden, in dem Medikamente keine Waren mehr sind, sondern tatsächlich für die Bedürfnisse der Menschheit entwickelt und produziert werden.
Die Coronapandemie als Rechtfertigung zur Autoritarisierung des kapitalistischen Systems
Wir erleben derzeit eine Weltwirtschaftskrise von ungekanntem Ausmaß. Die Wirtschaftskrise existierte schon vor Ausbruch der Pandemie, wurde durch sie aber schlagartig verschärft. Die Hauptlast tragen die Arbeiter*innenklasse und die einfache Bevölkerung. Seit langem werden Löhne, Renten und Sozialleistungen gekürzt. Im Gesundheitswesen, im Bereich der Bildung, Kultur und Sozialem finden aus Gründen der Profitmaximerung gravierende Einsparungen und systematischer Abbau statt. Die Pandemie gab neoliberalen Regierungen und Monopolen lediglich die beste Gelegenheit, um zuvor bereits geplante Rationalisierungsmaßnahmen zu verwirklichen und sie als ein Rechtfertigungsnarrativ für die Vernichtung vonhunderttausendenArbeitsplätze zu instrumentalisieren (10).
Darüber hinaus gab es Ausgangssperren, die Lohnarbeit allerdings explizit ausgenommen hatten. Derartige Maßnahmen kannte man bisher von besonders reaktionären Regierungen, die damit gegen Massenproteste, Aufstände und Massenrebellion vorgingen.
Denn es ging den Herrschenden seit Beginn auch darum, die Überwachung und die Autoritarisierung des Systems voranzutreiben.Unter anderem haben sie Wissenschaftler*innen protegiert, welche bereit waren ihre Narrative mitzutragen. So entstand in der Öffentlichkeit bei vielen Menschen ein verzerrtes Bild, dass alle Wissenschaftler*innen sich ziemlich einig wären, was Corona betrifft. Beispielsweise auf Guadeloupe und anderen Gebieten der Französischen Antillen schickte der französische Staat aufgrund von Protesten, Widerständen und zivilem Ungehorsam gegen die Politik, Elitetruppen und Anti-Terror-Einheiten, die die Polizei bei der Wiederherstellung von „Ruhe und Ordnung“ unterstützen sollten (11).
Kapitalismus schadet unserer Gesundheit
Im kapitalistischen System gibt es viele negative Einflüsse auf die Gesundheit des Menschen. Bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie wurden diese Faktoren von den Herrschenden so gut wie nicht berücksichtigt. Stattdessen herrschte ein unterkomplexes Gesundheitsverständnis vor. Weitgehend ignoriert wurden unter anderem:
– Umwelt:
Unser gegenwärtiges System ist durch schonungslose Ausplünderung der letzten Naturreserven, Zerstörung unserer natürlichen Lebensgrundlagen sowie durch die systematische Vergiftung unserer Umwelt und Nahrungsmittel gekennzeichnet; wir sind immer mehr Schadstoffen und Umweltgiften ausgesetzt, die den Körper stark belasten (12).
Aufgrund der fortschreitenden Entfremdung von Mensch und Natur, mutwilliger Ausbeutung unseres Planeten und der systematischen Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen leidet unser Organismus und wir werden für gravierende Erkrankungen wie zum Beispiel Krebs anfälliger (13).
– Dauerstress:
Wir lassen uns fünf Tage die Woche, einige sogar sechs Tage die Woche in der Regel acht Stunden von den Kapitalist*innen ausbeuten, müssen fünf Tage die Woche zur Schule, hetzen von Termin zu Termin, sitzen beruflich und/oder privat viel zu lange vor dem PC, sind ständig telefonisch erreichbar…. Wir kommen einfach nicht zur Ruhe und haben Dauerstress.
Bleibt der Stress über längere Zeit bestehen (chronischer Stress), kommt es zu einer Unterdrückung des Immunsystems. Sowohl die unspezifische als auch die spezifische Immunabwehr werden beeinträchtigt. Das führt zu einer höheren Infektanfälligkeit und erklärt, warum viele Menschen in (oder nach) besonders stressigen Zeiten krank werden (14).
Dauerstress kann neben einem schwächeren Immunsystem unter anderem auch zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Hautausschlägen, Magen-Darm-Erkrankungen, Burnout oder Depression führen (15).
– Psyche/Angst:
Zu lange anhaltende Angst kann krank machen. Durch den Anstieg des Cortisols wird die Immunabwehr vorerst gesteigert. Bei einer Dauerbelastung allerdings führt Angst zu permanent hohen Cortisol-Werten. Die Folgen eines solch dauerhaft erhöhten Cortisolüberschusses können u.a. Stoffwechselstörungen, Übergewicht, Autoimmunerkrankungen und Depressionen sein. Auch auf die körperlichen Abwehrkräfte wirkt sich dieser Dauerstress aus: Die Zahl der Immunzellen im Blut sinkt, die natürlichen Killerzellen sind weniger aktiv und die T-Lymphozyten teilen sich langsamer – wodurch das Immunsystem geschwächt wird (15).
Corona, Krieg, staatliche Beschränkungen, schreckliche Medienbilder und die Aussicht auf eine ungewisse Zukunft schüren bei vielen Menschen Angst. Die Regierung und die bürgerlichen Medien haben wirklich alles dafür getan, dass die Bevölkerung seit über zwei Jahren unter Dauerangst steht (16).
– Armut:
Die Schere zwischen Arm und Reich klafft immer weiter auseinander. Hunger und Armut sind für Millionen Menschen auf der Welt Realität. Während Kapitalist*innen durch rücksichtsloses Handeln immer reicher werden, werden auf der anderen Seite zahlreiche Menschen immer ärmer. Auch in Deutschland steigt kontinuierlich die Armut. Laut aktuellem Paritätischen Armutsbericht hat die Armutsquote in Deutschland mit 16,1 Prozent (rechnerisch 13,4 Millionen Menschen) im Pandemie-Jahr 2020 einen neuen Höchststand erreicht (17).
Viele dieser Menschen müssen jeden Cent zweimal umdrehen, sind obdachlos oder leben in anderen miserablen Zuständen. Menschen, die in Armut leben, sind oft unter- oder mangelernährt. Sie können sich häufig kein gesundes, vitaminreiches Essen leisten und haben mit psychischen Problemen zu kämpfen, dadurch sind sie viel anfälliger für Krankheiten. Menschen mit geringem Einkommen und niedrigem sozialen Status tragen ein bis zu dreifach erhöhtes Risiko, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden. Sie haben häufiger Magengeschwüre, Lungenentzündungen und Diabetes als besser gestellte Altersgenoss*innen. Um ihre Zahngesundheit steht es schlechter. Depressionen und Angstzustände treten überdurchschnittlich häufig auf. Die Suizidrate unter Arbeitslosen ist wahrscheinlich 20 Mal so hoch wie unter Berufstätigen (18).
Ausgerechnet die Regierung, die seit Jahren systematisch die Existenz vieler Menschen vernichtet hat und unter anderem durch die Hartz-4-Armutsgesetze und die Agenda 2010 Millionen Menschen in die Armut trieb, will uns weismachen, dass sie sich um unsere Gesundheit Sorgen macht?!
Die Ursachen für viele gravierende Erkrankungen sind systembedingt. Erst in einem Gesellschaftssystem, in dem nicht Profitmaximierung im Vordergrund steht, sondern es um die Bedürfnisse der Menschen geht und im Einklang mit der Natur produziert wird, wird es uns gelingen, schrittweise die Ursachen für etliche gravierende Erkrankungen zu beseitigen.
Unser Bestreben sollte es daher sein, eine von kapitalistischer Ausbeutung und Unterdrückung befreite Gesellschaft zu erkämpfen, in der auch ein komplexeres Verständnis von Gesundheit und Krankheit, von Symptomen und Ursachen möglich ist.
Quellen:
(1) https://enough-is-enough14.org/2022/05/24/gruppe-autonomie-und-solidaritaet-profite-pflegen-keine-menschen-eine-zuschrift/
(2) https://enough-is-enough14.org/2022/04/18/gruppe-autonomie-und-solidaritaet-die-soziale-frage-und-die-neue-form-von-solidaritaet/
(3) https://www.dgb.de/themen/++co++61996106-6087-11eb-9368-001a4a160123
(4) https://www.zeit.de/gesundheit/2022-06/pflege-intensivstation-studie-unterbesetzung-personal
(5) https://www.focus.de/politik/deutschland/soll-am-16-maerz-in-kraft-treten-vor-einfuehrung-der-impfpflicht-melden-sich-12-000-pflegekraefte-arbeitssuchend_id_47544059.html
(6) https://www.medico.de/pandemie-und-versagen-18519
(7) https://jacobin.de/artikel/corona-impfstoff-patentfrei-finnland-moderna-pfizer-astrazeneca-impfstrategie-pharmakonzerne-kalle-saksela-seppo-yla-herttuala-kari-alitalo-biontech/
(8) https://www.rnd.de/politik/corona-impfstoff-wto-beschliesst-aussetzung-von-patenten-SS4YN6H2RRZCCYOC2IR23ZIXX4.html
(9) https://www.tagesschau.de/wirtschaft/biontech-comirnaty-impfstoff-gewinn-covid19-101.html
(10) https://www.labournet.de/branchen/dienstleistungen/gesund/gesund-allgemein/bertelsmann-fordert-kliniksterben-der-pflegenotstand-laesst-sich-auch-neoliberal-beseitigen/
(11) https://www.nd-aktuell.de/artikel/1158906.proteste-auf-guadeloupe-gegen-impfpflicht-und-soziale-haerten.html
https://www.tagesschau.de/ausland/amerika/guadeloupe-109.html
(12) https://www.dw.com/de/plastik-im-blut-wie-mikropl sowie die stik-in-unseren-k%C3%B6rper-kommt/a-61293458
https://www.reuters.com/business/mining-firm-backed-by-bezos-gates-begin-greenland-drilling-2022-03-24/
https://perspektive-online.net/2022/06/us-gericht-staerkt-bayer-konzern-den-ruecken/
(13) https://www.who.int/health-topics/environmental-health#tab=tab_1
(14) https://www.aok.de/pk/magazin/wohlbefinden/stress/stress-so-krank-kann-er-machen/
(15) https://www.mdr.de/wissen/faktencheck/faktencheck-angst-100.html
(16) https://fragdenstaat.de/dokumente/4123-wie-wir-covid-19-unter-kontrolle-bekommen/
(17) https://www.oxfam.org/en/press-releases/pandemic-creates-new-billionaire-every-30-hours-now-million-people-could-fall
(18) https://www.fr.de/wirtschaft/armut-macht-krank-krankheit-macht-11024454.html
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