„Mir ist wichtig, dass es zu keiner Eskalation kommt“: Bürgermeister Hikel über den 1. Mai in Neukölln

Organisatoren werfen dem Bezirk vor, die Mai-Demo behindern zu wollen. Im Interview spricht Bürgermeister Martin Hikel über die Hintergründe der Straßenfeste.

Herr Hikel, das Bündnis der Revolutionären 1. Mai-Demo wirft dem Neuköllner Bezirksamt vor, mit dem öffentlichen Fastenbrechen in der Sonnenallee die Demonstration gezielt verhindern zu wollen. Tatsächlich hat das Bezirksamt bislang noch nie ein Fastenbrechen veranstaltet. Wie kam es dazu?

Genau, das gab es bisher noch gar nicht. Wir haben uns im Februar erste Gedanken gemacht, dass wir hier so eine Veranstaltung oder überhaupt Veranstaltungen rund um den 1. Mai durchführen wollen. Dazu zählt neben dem Fastenbrechen auch eine größere Aktion am Hermannplatz, auf dem jetzt eine Showveranstaltung mit Flohmarkt stattfindet, und ein Kinderfest am Rathaus Neukölln.

Was war der Grund dafür, die Feste am 1. Mai zu planen?

Der 1. Mai ist ein Feiertag für alle, wo genau solche Veranstaltungen stattfinden können und wo wir auch zeigen können, dass der Bezirk solidarisch und weltoffen ist. Das finde ich ein gutes Signal und auch ein wesentlich besseres Signal als der 1. Mai im letzten Jahr in Neukölln. Es ging aber nicht primär um die Ausschreitungen im letzten Jahr, sondern darum, ein positives Zeichen aus dem Bezirk zu zeigen.

Die Veranstalter:innen der Revolutionären Demonstrationen werfen dem Bezirk vor, dass die Straßenfeste eine Art „Myfest 2.0“ werden sollen. Mit dem Myfest zielte der Nachbarbezirk Friedrichshain-Kreuzberg in früheren Jahren darauf ab, Bereiche rund um die Demonstration mit friedlichen Menschen zu überziehen und dadurch den traditionellen Ausschreitungen entgegen zu wirken.

Ich glaube, mit dem Myfest können und wollen wir auch gar nicht konkurrieren, das hat eine ganz andere Dimension. Wir wussten ehrlich gesagt weder im März noch bis vor wenigen Tagen, wie der genaue Verlauf der Revolutionären Demonstration sein würde. Wir haben auch keine Hinweise bekommen, wo etwaige Sammelpunkte oder Zwischenkundgebungen stattfinden sollen. Dementsprechend konnten und wollten wir da keine Rücksicht nehmen.

Das Bündnis, das die Demo organisiert, hat laut eigenen Angaben vorgeschlagen, das in der Sonnenallee geplante Fastenbrechen nach hinten zu verschieben, damit die Demonstration vorher vorbeiziehen könne. Dabei verweist es auch darauf, dass das Fastenbrechen traditionell erst 20.33 Uhr und nicht schon 19 Uhr stattfindet. Warum kommt aus Sicht des Bezirksamtes eine solche Lösung nicht in Betracht?

Der Aufbau für das Fastenbrechen beginnt bereits am Nachmittag, ab 19 Uhr kommen die Menschen an, es gibt ein musikalisches Rahmenprogramm, natürlich auch eine Begrüßung und schließlich gegen halb neun das Fastenbrechen. Wir reden hier über eine Veranstaltung mit hunderten von Teilnehmenden, die vorbereitet werden muss.

Das Bündnis betont auch, dass die muslimische Community rund um die Sonnenallee nicht miteinbezogen worden sei.

Die Gewerbetreibenden in der Sonnenallee wurden am Montag von uns informiert über die Veranstaltung. Wir arbeiten bei der Durchführung mit dem Deutsch-Arabischen Zentrum zusammen, das sich ganz gut etabliert hat und sich auch darum kümmern wird, dass es vor Ort für alle Interessierten Essen gibt. Wenn sich etwa auch Gewerbetreibende aus der Sonnenallee beteiligen wollen, freuen wir uns darüber. Die Resonanz aus der Community ist bislang überwiegend positiv. Aber es muss auch niemand teilnehmen, es ist ja unsere Veranstaltung. Und ich finde es eine gute Sache, denn wann hat schon mal das Bezirksamt zum Fastenbrechen eingeladen?

Im vergangenen Jahr kam es im Rahmen der Demonstration zu antisemitischen Sprechchören und Gewalteskalationen. Was will das Bezirksamt unternehmen, um ähnliche Vorkommnisse in diesem Jahr zu verhindern?

Selber verhindern können wir das gar nicht. Ich wünschte, wir könnten verhindern, dass Antisemiten auf der Demo mitlaufen und laut werden. Ich hoffe sehr, dass das Bündnis sich davon distanziert und selbst einen Weg findet, das zu verändern. Man kann zu der Demo stehen wie man will, aber mir wäre es lieber, man würde sich über die Art und Weise der Kapitalismuskritik, die die Demo äußert, unterhalten als darüber, dass dort Antisemiten mitlaufen.

Was halten sie denn generell von der Revolutionären Demonstration und davon, dass diese durch Neukölln führt?

Es gilt die Versammlungsfreiheit und die Demonstration ist ja seit den 1980er Jahren in der Stadt etabliert, dementsprechend soll sie stattfinden. Mir ist wichtig, dass sie nach Möglichkeit friedlich stattfindet und es zu keiner Eskalation kommt – und auch nicht zu irgendwelchen antisemitischen Ausfällen.

Sind Maßnahmen geplant, um die geplanten Straßenfeste vor möglichen Auseinandersetzungen am Rande der Demonstration zu schützen?

Ich hoffe, dass die Polizei da frühzeitig auf uns zukommt, wenn sie feststellt, dass es da mögliche Konflikte gibt und uns auch im Vorfeld miteinbezieht und die Möglichkeit gibt, die Veranstaltungen so zu unterstützen, dass es da keinen Stress gibt. Wobei ich nicht glaube, dass die Demonstration unsere Veranstaltungen stören möchte, die hat ein anderes Ziel. Ich glaube auch, dass es die Möglichkeit gibt, parallele Routen zu nehmen um nach Kreuzberg zu ziehen. Aber es obliegt nicht mir, da Vorschläge zu machen.

Was würden Sie sich wünschen, wie der 1. Mai in Neukölln abläuft?

Ich würde mich freuen, wenn viele Menschen aus Neukölln und anderen Bezirken zu unseren Veranstaltungen kommen. Und ansonsten hoffe ich einfach, dass die Berlinerinnen und Berliner einen friedlichen, konstruktiv-kritischen 1. Mai feiern werden.

 

Quelle der Hetze des Neukölnner Bürgermeisters (Bezahlartikel): https://plus.tagesspiegel.de/berlin/mir-ist-wichtig-dass-es-zu-keiner-eskalation-kommt-burgermeister-hikel-uber-den-1-mai-in-neukolln-464097.html

Gegenposition aus dem Bezirk: https://twitter.com/linksfraktionNK/status/1519057437969498119?t=sfJXqV58cgKREaXE5FYQQA&s=19

passiert am 26.04.2022