Kritik am Kollektiv des Køpi Haus während der Räumung des Wagenplatzes von der Interkiezionale

Criticism of the Køp​​​​​​​i Haus collective during the eviction period of the Wagenplatz by Interkiezionale

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Warum dieser Text und was war los bis jetzt?

Als Interkiezionale, einer Koordination zur Verteidigung bedrohter Projekte, bei der auch Einzelpersonen des Køpiwagenplatzes und der Køpi aktiv sind, wollen wir eine problematische Situation ansprechen, die während der Räumung des Køpiwagenplatzes ihren Höhepunkt erreicht hat, die aber schon seit einiger Zeit spürbar war.

Als Netzwerk, das gemeinsam mit dem Køpiwagenplatz und dem Haus der Køpi am Kampf gegen die Räumung beteiligt war, dass die Räume der Køpi für verschiedene Veranstaltungen und Aktivitäten genutzt hat als Struktur, die zu Kundgebungen und Demos aufgerufen und diese organisiert hat und die Verantwortung für die Menschen trägt, die gekommen sind und sie unterstützt haben, wollen wir transparent sein und diese Kritik mit der Szene teilen. Unser Ziel ist es, eine Diskussion anzustoßen, die auf eine gemeinsame Lösung abzielt.

Die Køpi ist – wie fast alle heute existierenden Projekte auch – ein Ergebnis der vergangenen Kämpfe: Es ist das Erbe der Hausbesetzungen der 90er, das in Berlin die Voraussetzungen für die Öffnung autonomer Räume geschaffen hat. Die Køpi sieht sich selbst immer noch als ein politisches Projekt. Folglich muss das, was während der Räumung passiert ist, kollektiv diskutiert werden, um gemeinsame Lösungen für ein Problem zu finden welches wir in Berlin in verschiedenen Hausprojekten erleben.

Als ersten Schritt sind wir im November 2021 zum Køpi-Hausplenum gegangen, um unsere Kritik zu übermitteln und das Haus über unsere nächsten Schritte zu informieren, wobei der erste Schritt die Veröffentlichung dieses Textes ist.

Was ist konkret passiert und über welche Probleme reden wir?

Als Interkiezionale wollen wir hier nicht die Verhandlungen, welche vor langer Zeit geführt wurden kritisieren, die damals vielen Projekten geholfen haben ihre Räume zu erhalten. Unter verschiedenen politischen Ansätzen haben wir immer die autonome Position eines jeden bedrohten Projekts akzeptiert und respektiert, wenn diese Entscheidung im Konsens getroffen wurde. Dies war jedoch bei einem Deal, der der Køpi und dem Køpi Wagenplatz angeboten wurde, nicht der Fall.

Teil der Strategie zur Rettung des Køpiplatzes waren auch Verhandlungen mit der städtischen Wohnungsbaugesellschaft HOWOGE, die versuchte, den gesamten Platz (Köpenicker Straße 133-138) vom Eigentümer zu kaufen. Das Projekt lehnte die ersten Vorschläge der HOWOGE ab, die eine Selbstverwertung des Wagenplatzes vorsahen. Stattdessen unterbreiteten sie eigene Vorschläge, um den Wagenplatz insgesamt zu retten, jedoch zumindest um einige Zeit zu gewinnen. Nach diesem Vorschlag hörte man einige Monate lang nichts von ihnen, bis die HOWOGE drei Wochen vor der Räumung, als der Räumungstermin bereits feststand, mit einem neuen Angebot antwortete. Dieses Angebot sollte ~30% des Wagenplatzes retten und die Verträge der Wohnungen im Haus verbessern, beinhaltete aber eine Selbsträumung der anderen 70% des Wagenplatzes. Dies solle bis eine Woche vor dem angekündigten Tag X geschehen. Dieser Vorschlag wurde zweimal abgelehnt, nachdem ihn die HOGEWE unterbreitete.

Anderthalb Wochen vor dem Tag X, legten zunächst einige Leute vom Wagenplatz und noch mehr Leute aus dem Haus diesen Vorschlag wieder auf den Tisch. Trotz der kollektiven Entscheidung und des Konsenses, den das Projekt schon zu Beginn des Kampfes hinsichtlich keiner Selbsträumung getroffen hatte. Dieses Verfahren zog sich über mehrere Tage hin. Am folgenden Tag wurde ein extra Treffen mit dem Anwalt als Update-Meeting angekündigt. Dort sollte über die neuen Vorschläge der HOWOGE informiert werden. Das Treffen aber entwickelte sich zu einem Abstimmungsprozess darüber, ob sich der Wagenplatz selbst räumen sollte. Bei dieser Abstimmung wurde das Geschäft trotz des vorherigen klaren Neins des Kollektivs angenommen. Dabei fand das Treffen und die Abstimmung ohne die meisten Leute des Wagenplatzes statt, da sie damit beschäftigt waren, sich auf die bevorstehende Räumung vorzubereiten und keine Zeit hatten, einen Deal zu diskutieren, der bereits abgelehnt worden war.

Dieses Verfahren stellt die gesamte Machtdynamik und die Mechanismen, die im Projekt herrschen dar. Die Wohnungen und das Leben mehrerer Menschen wurden hinter deren Rücken zu einem Geschäft, bei dem andere Menschen über die Zukunft ihres Projekts und ihres Wohnraums diskutierten und entschieden. Schließlich konnten die Verhandlungen nicht zu Ende geführt werden da der Eigentümer den Verkauf an die HOWOGE zu diesem Zeitpunkt ablehnte. Daher wurde keine endgültige Entscheidung mehr über die Verträge des Projekts getroffen.

Wir möchten auch darauf hinweisen, dass verschiedene Personen aus dem Køpi-Haus vor und während der Räumung keinerlei Solidarität mit dem Køpiplatz gezeigt haben. Nicht nur in Form von Gleichgültigkeit, sondern oft aktiv, als „Feuerwehrleute“, die verschiedenen Formen aktiver Solidarität für den Køpiplatz kontrollierten und ausbremsen wollten. Das Ausmaß der nicht vorhandenen Solidarität war erschreckend.ede*r reguläre Mieter*in zeigt mehr Empathie, wenn seine Nachbar*innen vertrieben werden. Hätte das Hausplenum während der Räumung nicht fast jede Form des Widerstandes aus dem Haus heraus verhindert und selbst kriminalisiert – es wäre sicher viel mehr möglich gewesen, um den Wagenplatz zu verteidigen.

Allgemeine Lage der Hausprojekte in Berlin

Die allgemeine Situation im Berlin der Turbogentrifizierung ist bekanntlich schwierig.
Viele Projekte, zu viele, sind bedroht, zu viele wurden bisher geräumt.

Es scheint, dass diese aussichtslose Situation uns in vielerlei Hinsicht noch mehr individualisiert hat als sonst. Die existenzielle Not und auch Verzweiflung hat oft dazu geführt, dass einzelne Projekte versucht haben, sich mit allen Mitteln zu retten, und sei es durch schmutzige Geschäfte, durch Distanzierung von anderen Projekten oder durch Ablehnung politischer Ideale.

Gleichzeitig sind viele der etablierten Hausprojekte rein auf sich bezogen, fast schon privatisiert (im Sinne, dass sie sich nichtmehr als Teil einer größeren Sache sehen und verstehen) und beteiligen sich nicht wirklich an stadtweiten Kooperationen.

Wir sollten nicht vergessen, dass dieses gegeneinander Ausspielen, die Politik des Teilen und Herrschens, eine übliche Strategie im Interesse der Herrschenden ist. Immer wieder werden von Eigentümer*Innen vermeintliche Erfolge in Aussicht gestellt, wenn die Füße stillgehalten werden sollen und das Politische negiert wird. Das darf aber niemals die Lösung sein.
Trotzdem müssen wir natürlich auch verstehen, was in solchen Extremsituationen des potenziellen Wohnraumverlusts mit Menschen passiert, anstatt sich hier nur gegenseitig anzumachen. Dass Entscheidungen manchmal nicht durchdacht oder nachhaltig getroffen werden ist menschlich und wir sollten einen Weg finden um damit umgehen zu können.

Aber dass einige Leute von der Køpi versucht haben, sich auf dem Rücken des Køpi Wagenplatzes in eine vermeintlich besser Zukunft zu retten, kann nicht akzeptiert werden.

Es sollte aber nicht nur um diesen einen Ort gehen, sondern um die allgemeine Situation der Entsolidarisierung und Individualisierung, die wir innerhalb mancher Berliner Hausprojekte wahrnehmen. Eine Grenze wurde hier überschritten und wir sollten nun sowohl für diese konkrete Situation entscheiden wie und ob es weitergehen kann, aber auch sonst kritisch reflektieren, wo wir als Szene nicht kohärent und aufrichtig handeln.

Aufruf zur Vollversammlung

Als Interkiezonale haben wir einiges von der hier geschilderten Situation mitbekommen und einige Leute aus der Køpi und vom Køpiwagenplatz eingeladen, mit uns über diese Situation zu diskutieren. Für uns war es sehr schwer, diese Geschichte zu hören und zu verstehen, und wir fanden es schwierig, jetzt und in Zukunft Solidarität mit der Køpi zu zeigen, während immer noch eine überwältigende Menge an unsolidarischem Verhalten im Projekt akzeptiert wird. Aber wir wollen die wenigen Leute im Haus unterstützen, die daran interessiert sind, das Projekt aus seinem Winterschlaf zu erwecken und wieder zu einem aktivem politischem Haus zu machen.

Wir sehen unsere Koordination nicht als eine externe Institution, die Konsequenzen beschließen oder Forderungen stellen kann. Vielmehr verstehen wir uns als Menschen und Gruppen aus bereits geräumten Orten und bedrohten Projekten, die sich solidarisch gegen Räumungen wehren. Deshalb suchen wir die gemeinsame Diskussion und den Austausch, wenn innerhalb unserer Strukturen dominante und unsolidarische Verhaltensweisen stattfinden.

Deshalb werden wir im Februar 2022 zu einer offenen Versammlung aufrufen, um gemeinsam die Probleme zu diskutieren, die sich in der Struktur der Køpi und darüber hinaus entwickelt haben, um eine gemeinsame Lösung zu finden. Datum und Ort werden noch bekannt gegeben.

 

**** english ****

Why we are writing this text and what we have done so far.

The Interkiezionale, as a coordination is defending the threatened projects -with individuals from Køpi house and Køpi Wagenplatz beeing part of Interkiezionale.
We feel the need to address a problematic situation with the Kopi collective that during the Kopiplatz eviction has reached its highest levels, but that had already been felt for some time.

As a network that was part in the fight against eviction, who used the spaces of Kopi for various events and activities, as a structure who called and organised manifestations and demos we feel responsability for the people who came and supported, we want to be transparent and share this critique with the scene.
Our goal is to start a discussion aiming at a collective solution.

Køpi -as other projects- is a result of the past fights: that represents the heritage of the squatting struggle, creating the conditions in Berlin for the opening of autonomous spaces. Køpi is still considered a political project. Consequently, what happened during the eviction has to be discussed in a collective way to find common solutions to a problem that is part of what we are experiencing in Berlin inside different Houseprojects.

As a first step we went in November 2021 to the Køpi house assembly to express the issue and share our criticisms and to inform the project of our next steps, which would be first the publication of this text.

What happened and what problems are we talking about

As Interkiezionale here we don’t want to criticize negotiations and deals that projects are willing to make in order to maintain their spaces. Among different political approaches we’ve accepted and respected the position of a threatened project when this decision was made through consensus. This though was not the case for a deal that was offered to Køpi and Køpiplatz.

Part of the strategy to save the Køpiplatz was also negotiations with the municipal housing association HOWOGE which tried to buy the whole place (Köpenicker strase 133-138) from the owner. The project refused the first proposals of the HOWOGE which would include a self-eviction of the Wagenplatz and made own proposals for saving the Wagenplatz all together at least for winning some time. After this proposal they heard nothing from them for a few months until 3 weeks before the eviction, when the eviction date was already set, the HOWOGE answered with a new offer. This offer should save ~30% of the Wagenplatz and improve the contracts of the flats in the house but included a self-eviction of the other 70% of the Wagenplatz until one week before the announced day X. This proposal was rejected twice after it was received.

Then suddely a week and half before day X first a few people from the Wagenplatz and even more people from the house put this proposal back on the table despite the collective decision and the actual consensus the project had made at the beginning of the struggle for no self eviction. This procedure took place over multiple days. An extra meeting with the lawyer was announced for the next day as an update meeting to inform about the new proposals from HOWOGE and developed into a voting process if the Wagenplatz should evict itself. This meeting and vote was without a lot of people from the Wagenplatz because they were busy preparing against the upcoming eviction and didn’t have time to discuss a deal that had already been rejected. This voting decided yes for the deal despite the collective’s previous clear no’s.

This procedure revals all the power dynamics and mechanisms that the project is facing. The homes and lives of multiple people became a deal behind their backs where other people were discussing and deciding the future of their project and home. eventualy the negotiations could not come to an end and the final decision about the contracts wasn’t taken by the project because by that time as the owner refuses the deal to sell to the HOWOGE.

We would also like to highlight how different individuals from the Køpi house, before and during the eviction, showed zero solidarity to the Køpiplatz.Non-solidarity did not only take the form of indifference, but often actively acted as firemen by controlling and extinguishing the different forms of active solidarity for the Køpiplatz. The level of non-existent solidarity was frightening, any regular tenent shows more empathy when their neighbours are evicted. If the house plenum had not prevented almost every form of resistance from the house during the eviction and criminalised it itself – much more would certainly have been possible to defend the Wagenplatz.

General situation of house projects in Berlin

The general situation in Berlin is difficult as we all know. Many projects, too many, are endangered, too many have been evicted so far.

It seems that the hopeless situation has in many ways made us even more individualized than usual. The existential need and also desperation has often led to individual projects trying to save themselves by any means, even if it involved dirty deals, distancing themselves from other projects or rejecting political ideals.

On the other hand, the established house projects are in many ways self-contained, almost privatized, and don’t really involve themselves in citywide collaborations.

The existing order continues to have an interest in dividing us, in playing us off against each other, this must not be forgotten. Again and again, owners hold out the prospect of supposed success if the feet were kept still and the political were let out. But that should never be the solution.
Nevertheless, we must of course also understand what happens to people in such extreme situations, instead of just fucking each other up. The fact that decisions are sometimes not made in a thoughtful or sustainable way is so, we should find a way to deal with that.

But that some people from Køpi tried to save themselves, on the back of the Køpiplatz, that can not be accepted.

Nevertheless, it should not only be about this single place, but also about the general situation of desolidarization and individualization within the projects. A line has been crossed and we should now decide both in this situation, how and whether it can continue, but also critically reflect where we otherwise do not act coherently and sincerely.

Call for general assembly

As interkiezonale we heard bits of this situation which is descriped here and invited some people from kopi and kopiplatz to dicuss this situation with us. For us it was very hard to hear and understand this story and we found it difficult to want to show solidarity to Kopi now and for the future while there is still an overwhelming amount of unsoliadric behaviour accepted in the project. But we want to support the few people in the house who are interested in waking up Kopi from its hibernation and being an active political house again.

We don’t see our coordination as an external institution that can decide consequences or propose demands. We rather see ourselves as people and groups from already evicted places, threatened projects, who fight against evictions and for this reason we seek for collective discussions and exchange, when dominant and unsolidaric behaviors are taking place inside our structures.

That’s why we will call in the february 2022 for an open assembly in order discuss together the situation developed in the structure of Kopi willing to find a collective solution. Stay tuned for the date!