Enteignung und soziale Revolution
Eine weitere Kritik auf den Beitrag zu „DWE ade? Wer zu oft Recht hatte ohne Konsequenzen hat trotzdem Unrecht (??). Eine anarchistische Position zu ‚Deutsche Wohnen & Co enteignen'“
ENTEIGNUNG UND SOZIALE REVOLUTION
Wir freuen uns das eine Auseinandersetzung um Enteignen entlang anarchistischer Positionen eröffnet ist.
In dem von uns im Nachfolgenden kritisierten Beitrag analysieren die Herausgeber*innen den sozialdemokratischen Charakter der Kampagne „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ (Im weiteren „Deutsche Wohnen kaufen“). Und Ihr verweist auf die Erfahrung zum Volksentscheid und die damit verbundenen treibenden Kräfte als nicht vertrauenswürdig. Dem stimmen wir zu.
Doch dann leitet Ihr dazu über das Scheitern der Kampagne „Deutsche Wohnen kaufen“ wäre fatal.
Und ruft auf, trotz der Widersprüche für die Kampagne zu stimmen.
Ihr seid von einer Sichtweise geleitet, die wir nicht teilen und ablehnen.
Zu allererst; die Kampagne wird scheitern. (Sie wird nicht wegen der schmutzigen Lobbyarbeit zum Beispiel des rechten Flügels der SPD, dem Tagesspiegel, scheitern. Das ist allen zu durchsichtig.) Die „Kampagne Deutsche Wohnen kaufen“ wird alle erforderlichen Stimmen bekommen und trotzdem scheitern. An diesem Paradox könnt Ihr nichts ändern, weil das Scheitern in der Kampagne bereits politisch angelegt ist. Die Akteure der Kampagne werden sie nicht ändern, ob Ihr nun für oder gegen die Kampagne stimmt oder sie euch am Arsch vorbei ziehen lasst.
Sie wird scheitern, weil sich die Reformist*innen auf die Argumentation der Sachzwänge einlassen werden. Dieser Weg ist so beschlossen und kann gar nicht anders beschritten werden. Sobald sie in den Gremien, runden Verhandlungstischen sitzen, werden die Realpolitiker*innen das tun, was sie immer tun: Mit der Macht dealen, sich auf deren Denklogik einlassen, Machtpolitik betreiben und Bündnisse im Apparat pflegen und Teil des Problems sein, nicht deren Lösung. Sie werden jede Vereinbarung als Erfolg verkaufen. Und ein Teil der Basis wird sich angewidert abwenden oder den Verdrehungen und Lügen glauben schenken, oder schenken wollen. Der politische Verrat ist in dieser Kampagne bereits angelegt. Er beginnt schon im Namen. Es geht um kaufen und verstaatlichen, nicht um soziale Revolution, in deren Folge die Armen die Reichen enteignen. Es geht Null um Enteignen.
Um so interessanter das radikale Linke trotz Widersprüche ihre Kraft für die Kampagne geben, anstatt in die Entwicklung breit aufgestellter sozialrevolutionärer und anarchistischer Perspektiven. Auch Ihr blast in das gleiche Horn.
Warum denkt Ihr, Ihr müsstet das Scheitern der Kampagne abfedern, in dem Ihr zur Wahl aufruft? Ihr könnt es nicht! Es ist scheißegal, ob Ihr für oder gegen die Kampagne stimmt, oder das tut was viele Anarchist*innen mit Wahlzetteln im Allgemeinen tun: durchstreichen, verbrennen, ignorieren etc.
An dieser Wahl „Deutsche wohnen kaufen“ entscheidet sich nichts. Weder die Gentrifizierung, weder die Verteidigung der Rigaerstrasse, weder sozialrevolutionäre Prozesse. Im Gegenteil verhindert die Kampagne die Entwicklung andere Perspektiven, wenn Anarchist*innen wie Ihr Ihre Positionen zu der Kampagne nicht schärfen.
Eure Analysen stoppen an dem Punkt an dem es spannend werden könnte. Wie kann die Praxis der Enteignung forciert werden? Welche Ansätze wollt Ihr verfolgen, die eine Alternative zu der Kampagne „Deutsche wohnen kaufen“ etablieren könnten und die Leute abholt, die den Bluff der Kampagne erkennen? Wo sind Kräfte zu bündeln und die Fragen der Enteignung massenwirksam, massenmilitant und subversiv anzugehen? Muss eine Kritik, im anarchistischen Sinne, offensiv mit den Unterstützer*innen der Kampagne nicht ein offenes Wort reden? Haben wir nicht die politische und moralische Verantwortung gegenüber sozialen Bewegungen den Bluff der Kampagne und den Irrweg der Akteure anzusprechen? Wie sich die Unterstützer*innen dann entscheiden liegt ja nicht an uns, an uns liegt aber andere politische Zugänge aufzuzeigen. Dies nicht zu tun und anstatt dessen die Kampagne durch unsere Kraft auch noch zu füttern, obwohl Enttäuschung, Verbitterung und Verrat vorprogrammiert sind, halten wir für unverantwortlich.
Wenn wir eine breite Bewegung anstreben, die für revolutionäre Perspektiven empfänglich ist, dann ist Vermittlung und Diskussion ein Ansatz. Den Menschen zu eröffnen, das Enteignungen nicht über Parlamente und Unterschriften zu bewerkstelligen sein werden, mag uns klar sein, aber diese Perspektive mit Unterstützer*innen der Kampagne zu diskutieren fordert uns inhaltlich heraus. Denn die Widersprüche werden berechtigterweise schnell zu Tage treten. Fragen „Wie soll das gehen?“ oder „Aber das ist ja Revolution, was Ihr vorschlagt?“ werden auch uns zwingen authentische Antworten dort zu geben, wo wir sie haben. Und wo es uns an Antworten fehlt, müssen wir sie mit anderen gemeinsam diskutieren und in der Praxis erproben.
Den Weg der sozialen Revolutionen in den reichen Ländern ist nicht vorgezeichnet. (und wird ohne die Armen anderer Länder eh ein Rohrkrepierer)
Der Weg der Kampagne „Deutsche Wohnen kaufen“ ist klar; alles bleibt wie es ist. Vielleicht gibt es ein Reförmchen mehr, während die Stadt sich der Armen entledigt und in die Peripherie abdrängt. Wir, die wir eine grundsätzliche, an Wurzel heranführende Antworten wollen, verlieren Klarsicht und Kraft, die in sozialen Kämpfen gebraucht wird, wenn sich Anarchist*innen für die Sozialdemokratie aufrauchen, sprich der Kampagne zuarbeiten.
Beim Kampf gegen den Bau neuer Eigentumswaben, bei der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen, bei Zwangsräumungen – da ist inneres Feuer und Entschlossenheit gefragt. Mit den Bullen macht es keinen Sinn militärische Schlachten zu führen. Militanz ist eine Taktik im Kampf gegen die Reichen. Eine von vielen. Wenn es sein muss, liegt eine Shoppingmail in Scherben. Wenn es sein muss, besetzt eine Demo eine Shoppingmail und plündert.
Wenn Militante und Nichtmilitante, Gemäßigte und Anarchist*innen faktische und solidarische Bündnisse eingehen, werden die Spaltungen und Isolierungen verunmöglicht. Eine Einbahnstraße wie die Kampagne „Deutsche Wohnen kaufen“ hat gar kein Interesse an einem solchen Bündniss, die Politik der Akteure hat diesen Prozess durch ihre politische Praxis ausgeschlossen. Sie haben zu viel Angst in faktische Bündnisse mit einer sozialrevolutionären Perspektive zu treten, zu sehr ist der Deal mit der Macht und die Ausrichtung des Handelns auf selbige, Teil der politischen Identität.
Für uns geht es also nicht darum, die Kampagne und deren Scheitern abzufedern. Wir haben auch nicht die Wahl zwischen Pest und Colera, Abstimmen Pro oder Contra oder gar nichts. Es geht darum, die soziale Revolution auf den Weg zu bringen. Nicht als Worthülse und neue Mode. Amsterdam, London, New York, Barcelona etc. zeigen; Appelle, Massenproteste, reichen nicht aus. Ohne revolutionäre, anarchistische Perspektive stehen wir immer nur in Verteilungsposition, rennen von einer Abwehr eines Angriffs gegen Arme zum nächsten. Wie die Mäuse im Hamsterrad sind wir berechenbar, wenn wir die Spielregeln nicht durchbrechen. Die Kampagne ist so was in den Spielregeln, was soll der Quatsch.
Wir drehen mal den Spieß um: Wir distanzieren uns! Wir distanzieren uns von einer parlamentaristischen, staats- und eigentumskonformen Kampagne, die dafür sorgt das alles so bleibt wie es ist.
Die treibenden Kräfte der Kampagne haben Rede und Antwort zu stehen für Ihre Machtpolitik. Bei dem derzeitigen Stand haben sie innerhalb sozialer Bewegungen nichts verloren. Sie benutzen die Not der Armen, die Suche nach Hoffnung, die Strukturen und die Kraft, die den sozialen Bewegungen innewohnt für ihre Interessen, die nicht unsere sind.
Das Abfackeln von Vonoviafahrzeugen kann keine soziale Bewegung ersetzen, aber es setzt Zeichen. Danke dafür. Die grundsätzliche Gegner*innenschaft gegen die Dominanz des Geldes, gegen Gentrifizierung und die Öko-Bourgeoisie, gegen die Reichen hat ihre eigene Qualität. Die Reichen in ihren Villen und Luxusquartieren dürfen unseren Zorn unmittelbar zu spüren bekommen. Die Organisierung mit wütenden, verzweifelten, von Verdrängung und Verarmung betroffenen Menschen ist ein Muss. Der Bezug auf Kämpfe ist schnell und solidarisch herzustellen, wenn sie unerwartet aufploppen. Unsere Strukturen taugen nichts, wenn sie nicht für diese Kämpfe bereit stehen und sich stattdessen auf subkulturelle und Identitätspolitische Selbstbespiegelung ergehen. Viele kleine anarchistische Gruppen, die schnelle Entscheidungen treffen und Strukturen stellen können und Wissensweitervermittlung betreiben. Das steht an. Da zu sein, wenn es kracht. Unablässig daran arbeiten das es knirscht im Gebälk.
Wir werden hier an dieser Stelle das Fass nicht weiter aufmachen, was eine militante Enteigungskampagne betrifft. Diese Diskussion muss anders organisiert sein, als in einer Erwiderung auf das oben zitierte Papier.
Wir wollten nur deutlich machen, das uns die Kampagne in gewisser Weise am Arsch vorbeigehen sollte. Wir sehen angesichts der Entwicklung an allen sozialen Fragen keine Alternative zu einer anarchistischen sozialrevolutionären und militanten Bewegung (Wir sind uns einig? Eine solche Bewegung ist anti kolonial und feministisch).
Gruppe: Enteignung und soziale Revolution
[Anmk. Kontrapolis: Link zum erwähnten Artikel „DWE ade?!“ durch uns nachträglich eingefügt.]