Razzia beim Peng-Kollektiv: Staatsmacht verteidigt Kolonialerbe

Die Polizei hat Räume und Privatwohnungen des Peng-Kollektivs durchsucht. Eine Karte mit kolonialen Gedenkorten soll ein Aufruf zu Straftaten sein.

BERLIN taz | Repressionen gegen die Kommunikationsguerilla: Am frühen Donnerstagmorgen hat die Staatsanwaltschaft Berlin die Räume des Peng-Kollektivs in Berlin-Kreuzberg durchsuchen lassen. Neben den Büroräumen der Künstlergruppe in der Lausitzer Straße wurden auch Privaträume von zwei Mitgliedern des Kollektivs durchsucht.

Die Durchsuchungen stehen laut Peng im Zusammenhang mit der Website tearthisdown.com, die unter der Überschrift „Tear this shit down“ („Reißt diese Scheiße runter“) eine bundesweite Karte von kolonialistischen Gedenk­orten verzeichnet hat. Die Karte ist eine gemeinsame Aktion mit der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland. Sie soll für mehr Geschichtsbewusstsein sorgen und zugleich an koloniale Verbrechen und deren Verharmlosung im öffentlichen Raum erinnern. Auf der Website kann man auch koloniale Spuren wie Denkmäler, Straßennamen oder Orte melden.

Das Peng-Kollektiv ist eine Gruppe von Künst­le­r*in­nen und Ak­ti­vis­t*in­nen, die mit gewaltfreien Aktionen auf Probleme aufmerksam machen. Anfang des Jahres hatte das Kollektiv etwa die Aktion BioNTech Leaks gestartet, und auf einer Website Mit­ar­bei­te­r*in­nen der Pharma-Firma dazu aufgerufen, die Anleitung des Impfstoffes zu veröffentlichen – um so den Patentschutz zu umgehen und die Gesundheitsversorgung für ärmere Länder zu vereinfachen.

Die Staatsanwaltschaft bestätigte der taz Durchsuchungen der Büroräume des Kollektivs sowie von zwei Privatadressen. „Grundlage sind Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten“, sagte Staatsanwältin Mona Lorenz. Es seien Unterlagen, Festplatten und Computer beschlagnahmt worden. Näheres konnte Lorenz am Donnerstag nicht sagen.
„Koloniales Gedenken offenbar wichtiger als Kunstfreiheit“

Ein Mitglied des Kollektivs, das von den Ermittlungen betroffen war, aber anonym bleiben wollte, sagte der taz: „Die Polizei behauptet, unbekannte Täter, die Kolonialstatuen verschönert haben, hätten sich auf uns bezogen. Wie viel absurder kann man es noch konstruieren?“ Man habe nur eine Website gemacht und sich dabei auf koloniale Verbrecher bezogen. Die Aktion sei ein Diskursbeitrag in einer weltweit stattfindenden Debatte.

Im taz-Interview hatte Simone Dede Ayivi zur Veröffentlichung der Karte vor einem Jahr gesagt, dass diese auch ein Aufruf zum Handeln sei. Dede Ayivi ist eine der In­itia­to­r*in­nen der Karte. Damit meine sie etwa Mails an Bezirksverordnete oder Demos. Es sei dennoch ein wohltuendes Bild, Statuen fallen zu sehen, hieß es im Interview.

Im Zuge der weltweiten Black-Lives-Matter-Proteste im vergangenen Jahr wurden kolonialistische Denkmäler gestürzt, etwa das in Bristol. Auch in Berlin kam es vereinzelt zu Vandalismus an Denkmälern. Ebenso gibt es hier seit Langem zivilgesellschaftliche Initiativen wie Decolonize Berlin, die sich dafür einsetzen, rassistische Straßennamen zu ersetzen.

Die Betroffenen vom Peng-Kollektiv halten entsprechend die Ermittlungen für völlig überzogen: „Die Rolle der Polizei war schon unterm Kaiser nicht rühmlich, das war offenbar eine weitere Möglichkeit, den Autoritätsmuskel zu flexen und linke Projekte zu durchsuchen“, sagten sie. „Der Staatsanwaltschaft ist offenbar das Gedenken an koloniale Verbrecher wichtiger als Meinungs- und Kunstfreiheit.“ In einer Demokratie gehörten diese Statuen vom Sockel gerissen. Auf Twitter schrieb das Kollektiv: „Wann machen die eigentlich mal Hausdurchsuchungen bei den Hohenzollern?“

 

Von Gareth Joswig
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passiert am 15.07.2021