5 Jahre mit Euch auf Reisen

Meine Liebsten

Fühlt euch mit jedem geschriebenen Wort von Herzen umarmt! Es hat etwas gedauert, seit ich euch das letzte Mal von einem Schleichweg aus dem Nirgendwo zugeflüstert habe. Aber wie sagt man so schön; gut Ding will Weile haben.

In Gedanken feuere ich frohen Mutes eine Fragensalve auf euch ab – wie geht es euch, was treibt euch um, was passiert Zuhause, und und und… Ich würde euch erbarmungslos an die Wand fragen und jeder Antwort von euch entsprängen zehn neue Fragen meinerseits, im naiven Glauben, so irgendwann auf Grund zu stoßen. Und immer wieder würde dieser Irrglaube durch die Schönste aller Erkenntnisse ersetzt werden; da ist kein Grund, der unsere Beziehungen und Verbindungen limitiert. Da ist nur endlose Tiefe.

Der Alltag mit seinen Herausforderungen, so profan oder komplex sie auch sein mögen, tut sein Möglichstes, uns diese Endlosigkeit vergessen zu lassen. Er führt euch und mir vor Augen, dass ich weg bin. Immer und immer wieder. Und wir alle mussten lernen, diesen Umstand zu benennen; Klandestinität, Untertauchen, Auf-der-Flucht-Sein… Es ist gut und wichtig, unsere durch Repression verursachte physische Trennung mit diesen Namen zu versehen, denn nur so könnt ihr euch in eurer eigenen Vorstellung ein Bild davon machen. Doch das Benennen, das Anbringen geistiger Etiketten, egal in welchem Bereich des Lebens, birgt auch Gefahren. Es begrenzt die Möglichkeiten und das Potential von allem, was uns umgibt. Der Anarchist Luigi Lucheni hatte das seinerzeit erkannt – eine Feile ist nicht mehr als ein durch gesellschaftliche Normen etikettierter Gegenstand. Befreien wir diesen von den gesellschaftlich konditionierten Assoziationen, eröffnen sich auf einmal unzählige Möglichkeiten.

Lasst und also die Etiketten und deren Assoziationen für einen Augenblick beiseite legen und in uns hinein horchen. Wir sind nicht mehr physisch zusammen, und trotzdem ist sie noch da; unsere endlose Verbundenheit, die auf Freundschaft, auf Komplizenschaft, auf Affinität und dem befreienden Drang nach Subversion basiert – egal wie viele Zeitzonen uns trennen, egal wie unterschiedlich unsere Lebensumstände aussehen mögen. Solange wir dieses Gefühl in uns tragen, haben wir nichts verloren.

Lasst uns in den Himmel schauen und uns vergegenwärtigen, dass wir denselben Mond bestaunen; dass wir auf derselben Erde für die Freiheit Aller kämpfen. Mit allem, was uns so in die Hände fällt…

Es fühlt sich gut an, euch seit Anbeginn meiner Reise, die nun bereits 5 Jahre andauert, an meiner geistigen Seite zu wissen. Danke, dass ihr da seid. Ich bin es auch.

In Liebe und auf ein Wiedersehen
euer Freund und Gefährte aus dem Nirgendwo
10. Juli, 2021