Über eine Stunde schafft die Polizei es nicht, vor die Lage zu kommen

Berlin sendet am 1. Mai Bilder in die Welt, über die man nur den Kopf schütteln kann. Es sind Bilder von einer stellenweise überforderten Polizei, von Beamten, die in Seitenstraßen gejagt werden. Demonstranten missachten massenhaft den Infektionsschutz.

Brennende Barrikaden, Flaschen- und Steinwürfe und eine Polizei, die es länger als eine Stunde nicht geschafft hat, vor die Lage zu kommen, sich stellenweise sogar zurückziehen musste: Die Gewalt entlud sich am 1. Mai mitten in Berlin auf der Sonnenallee. Für viele kam das unerwartet.

Für die Behörde ist es indes der vierte große Einsatz innerhalb weniger Monate, bei dem sie nicht gut aussah. Dabei galt die Hauptstadt-Polizei mal als die erfahrenste im ganzen Land. Doch dieser Nimbus hat Risse bekommen. Was ist passiert?

Los ging es im vergangenen August, als Hunderte Corona-Leugner, Reichsbürger und Rechte die Treppen des Reichstages hinaufrennen konnten. Aus Berlin gingen Bilder von Menschen um die Welt, die vor dem Parlament Reichsflaggen schwenkten. Die Demonstranten nutzten einen Moment der Unaufmerksamkeit und durchbrachen die Polizeikette. Auch wenn der Einsatz bei einer schwierigen Versammlungslage insgesamt gut lief: Hängen geblieben sind diese Bilder, die es so nie hätte geben dürfen.

In der Liebigstraße wirkte die Polizei völlig überrumpelt

Wenige Monate später zog ein linksextremer Mob nach der Räumung der Liebigstraße in Friedrichshain-Kreuzberg durch Mitte und hinterließ eine Schneise der Verwüstung. Dutzende Scheiben von Geschäften gingen zu Bruch und Autos wurden demoliert. Die Polizei griff über längere Zeit nicht ein. Sie wirkte völlig überrumpelt von dem Protest.

Auch bei der Demonstration gegen die Neufassung des Infektionsschutzgesetzes auf der Straße des 17. Juni vor anderthalb Wochen war die Berliner Polizei phasenweise nicht Herrin der Lage. Als die Demonstration wegen massenhafter Verstöße gegen den Infektionsschutz aufgelöst werden musste, sollten die Menschen das Gelände über den Tiergarten verlassen.

Dort kam es dann über knapp zwei Stunden zu stellenweise heftigen Auseinandersetzungen. Im Dickicht des Tiergartens löste sich die Einsatztaktik der Polizei in Luft auf. Beamte wurden von Demonstranten umzingelt und mussten sich ihren Weg mit großflächigem Einsatz von Pfefferspray regelrecht freikämpfen.

Und nun der 1. Mai. Bilder von Beamten, die im Flaschen- und Steinhagel in Seitenstraßen fliehen und Barrikaden, die über eine halbe Stunde brennen und immer wieder neu entfacht werden, hat es aus der Hauptstadt schon sehr lange nicht mehr gegeben. Die Polizei hat es über anderthalb Stunden erneut nicht geschafft, vor die Lage zu kommen.

Wieder sendet Berlin Bilder in die Welt, bei denen man nur den Kopf schütteln kann. Es sind Bilder von einer stellenweise überforderten Polizei und Bilder von einer vermeintlich linken Demo, die in einem sozialen Brennpunkt Scheiben von Kleinwagen und Eck-Imbissen zerstört, Beamte in Seitenstraßen jagt und das tut, was sie den Querdenkern vorwirft: massenhaft den Infektionsschutz missachten.

In der Polizei-Behörde dürften indes die Stimmen lauter werden, die bereits nach der Besetzung der Reichstagtreppe von taktischen Fehlern sprachen. Es sind Diskussionen, die unter dem alten Einsatzleiter der Berliner Polizei, Siegfried Peter-Wulff, der im vergangenen Jahr in den Ruhestand gegangen ist, undenkbar gewesen wären. Sein Nachfolger Stephan Katte muss sich diesen Diskussionen nun stellen.

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passiert am 1.5.2021