BKA-Beamter nimmt an rechtsextremen Demos teil

Ein Oberkommissar aus dem Bundeskriminalamt wettert gegen Migranten und demonstriert an der Seite der »Identitären Bewegung« gegen die »Islamisierung Europas«. Die Behörde will ihn loswerden. Aber das ist schwierig.

An einem Abend Ende 2019 haben sich in Berlin ein paar Zuhörer im Büro eines örtlichen AfD-Abgeordneten versammelt. Sie lauschen einem Vortrag. Draußen lärmen Demonstranten, man hört sie auf einem Video, das immer noch auf YouTube zu finden ist. Am Rednerpult steht Stefan Wischniowski, er trägt einen weißen Rollkragenpullover. Hinter ihm erscheinen Bilder von Zeitungsartikeln an der Wand, die seine Aussagen untermalen sollen.

Wischniowski, heute 50, ist Kriminaloberkommissar im Bundeskriminalamt (BKA). Früher gehörte es zu seinem Job, Bundesminister zu schützen, er kümmerte sich um die Sicherheit von Otto Schily und Franz Müntefering (beide SPD) während deren Amtszeit. Später sattelte er um auf Computertechnologie, zuletzt wertete er Handys aus. Seine Rede hat mit alldem nichts zu tun. Er spricht über Menschen mit ausländischen Wurzeln. Abfällig.

Im BKA würden sie als Bewerber bevorzugt, sagt er. »Das ist nicht mit der Verfassung vereinbar.« Und überhaupt. Die innere Nähe zur Behörde. Sie sei bei diesen Bewerbern schwächer ausgeprägt als bei Deutschen, »die schon immer hier sind«. Man könne »sich nicht in zwei Kulturen zu Hause fühlen«.

Er spricht dann noch über Flüchtlinge, schwärmt von einer »Festung Europa«, einem Bollwerk gegen »Afrikaner«. Und über den Islam. Die »Möglichkeit«, dass die Religion Deutschland unterwandere, sei »natürlich einfacher«, wenn das BKA Leute mit Migrationshintergrund einstelle.

In den vergangenen Jahren hat die Zahl der Polizisten zugenommen, die mit rechten Entgleisungen auffallen. Allein in Nordrhein-Westfalen gab es zwischen 2017 und 2020 insgesamt fast 190 Fälle, in denen Polizisten unter Rechtsextremismus-Verdacht gerieten. Das zeigt ein Lagebild des Innenministeriums in Düsseldorf.

Gestandener Kriminalist mit mehr als 20 Dienstjahren

Auch im BKA, der höchsten Polizeibehörde Deutschlands, entdeckte man Kommissaranwärter, die sich in Chats wie Neonazis gebärdeten. Es fiel der Behörde leicht, sich von diesen Auszubildenden zu trennen. Im bislang öffentlich unbekannten Fall Wischniowski ist das anders: Er ist ein gestandener Kriminalist mit mehr als 20 Dienstjahren, Beamter auf Lebenszeit. Das BKA will den rechtslastigen Mann offenbar loswerden, das gelingt nur nicht so recht.

»Der Staat fordert von seinen Beamten Verfassungstreue und Neutralität«, sagt Josef Konrad Rogosch, Verwaltungsrechtler aus Kiel. Das heißt: Ein Beamter muss sich zum Grundgesetz bekennen. Und: »Er ist verpflichtet«, so Rogosch, »im Dienst stets unparteiisch zu sein.« In seiner Freizeit darf er sich politisch engagieren. Maßvoll.

Nicht jedes Verhalten eines Polizisten, das an seiner demokratischen Einstellung zweifeln lässt, führt unweigerlich zum Rauswurf. Es muss ein schweres Dienstvergehen sein, die Hürden dafür sind hoch.

Ein Polizeioberkommissar in Bayern leugnete im Gespräch mit Nachwuchskräften den Holocaust. Er kam 2007 mit einer Degradierung davon. Ein Kriminalkommissar aus Berlin nahm an zwei Demos von Rechtsextremisten teil. Die Folge: nur ein Verweis.

Tiraden auf der Personalversammlung

Wischniowski fiel intern offenbar erstmals 2018 auf. Auf einer Personalversammlung des Amts in Berlin soll er ausländerfeindlich anmutende Tiraden von sich gegeben haben. Das berichten andere Teilnehmer. Kollegen beobachteten auch, dass er mit einem »Merkel muss weg«-Aufkleber am Auto zur Arbeit kam. In die AfD war er bereits 2013 eingetreten.

Im März 2019 reichte er eine Petition im Bundestag ein. Darin schrieb er: Die Einstellungspraxis des BKA solle überprüft werden. Das Ziel der Behörde sei, den Anteil von Mitarbeitern mit Migrationshintergrund zu steigern. Das bedeute eine »Diskriminierung von Deutschen ohne Migrationshintergrund«.

SPIEGEL-Recherchen zeigen nun, dass Wischniowski weiter nach rechts abdriftete als bisher bekannt. In Österreich, wo er einen Zweitwohnsitz hat, nahm er an zwei Veranstaltungen teil, die ihn in die Nähe von Rechtsextremisten rücken. Fotos aus dem Mai 2018 zeigen ihn in einem Poloshirt mit dem Logo der »Identitären Bewegung«. Der Verfassungsschutz nennt die Identitären »gesichert rechtsextrem«.

Im September 2020 marschierte Wischniowski bei einer rechten Demo am Kahlenberg in Wien mit. Das belegen mehrere Fotos. Wischniowski trägt ein schwarzes Poloshirt mit der Aufschrift »Vienna 1683«. Gemeinsam mit einem prominenten Anhänger der Identitären hält er ein Banner mit dem Wappen der Stadt Wien.

Die Demonstranten erinnerten damit an den historischen Sieg der Habsburger über die Osmanen. Anlass der Demo war offenbar auch, vor einer »Islamisierung Europas« zu warnen.

Fotos auf Facebook zeigen Wischniowski zudem mit dem britischen Rechtsextremisten Tommy Robinson. Wischniowskis Frau posiert auf einer anderen Aufnahme mit Lutz Bachmann, dem Frontmann der islamfeindlichen Pegida-Bewegung.

Ende September 2020 teilte der Polizist auf Facebook eine Karikatur, in der es heißt: »Falsche Angaben zur Identität bei der illegalen Einreise = Lebenslange Versorgung im Sozialstaat. Falsche Angaben beim Restaurantbesuch = Bußgeld. Willkommen im Irrenhaus Deutschland.«
Zwangsurlaub und Hausverbot

Zuletzt arbeitete Wischniowski am BKA-Standort Berlin-Treptow, Abteilung Operative Einsatz- und Ermittlungsunterstützung. Er schloss dort beschlagnahmte Mobiltelefone an Computer an und ließ sie auslesen. Eine Art Abstellgleis, auf das die Behörde ihn wohl schob, nachdem seine politische Haltung bekannt geworden war.

Vor einem Jahr war auch dort Schluss, die Behörde untersagte dem Oberkommissar die Führung der Dienstgeschäfte und erteilte ihm Hausverbot. Sein Gehalt bekommt er trotzdem weiter, so ist es vorgeschrieben. Nach SPIEGEL-Informationen arbeitet die BKA-Führung seit der Beurlaubung daran, Wischniowski aus dem Dienst zu entfernen. Seine Gesinnung lasse sich nicht mit der Neutralitätspflicht vereinbaren. Auch fehle es ihm offenbar an Verfassungstreue.

Das BKA wollte sich nicht zu dem Fall äußern, es gehe um »personenbezogene Daten«. Auch Wischniowski beantwortete keine Fragen. Sein Anwalt nannte als Grund dafür »ein laufendes verwaltungsgerichtliches Verfahren«. Wischniowski geht gegen seinen Zwangsurlaub vor.

Weit gefasster Graubereich

Um einen Beamten entlassen zu können, muss eine Behörde in der Regel erfolgreich vor einem Verwaltungsgericht klagen. Das dauert. Nur in Baden-Württemberg können Landesbeamte per Verwaltungsakt aus dem Dienst entfernt werden. Sie büßen dort sofort ihr Gehalt ein. Und müssen selbst vor Gericht ziehen, wenn ihnen das nicht passt.

Eine Kernfrage in diesem Fall wird sein: Wann überschreitet eine Meinung, die ein Beamter äußert, die Grenze des Erlaubten? »Eine schwierige Sache«, sagt Verwaltungsrechtler Rogosch, »solange die Aussagen nicht eindeutig extremistisch sind.« Es gebe »einen Graubereich, den die Gerichte weit gefasst haben«.

Gut möglich auch, dass Wischniowski noch einen Trumpf ausspielt, den er schon öffentlich gezogen hat, um Vorwürfe zu kontern, er sei ein Rassist. Dann führt der Polizist gern sein Privatleben an. Der Beamte hat mit zwei Frauen mehrere Kinder.

Alle haben eine Migrationsgeschichte.

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passiert am 09.04.2021