Mit DNA-Analysen gegen veränderte Bundeswehr-Poster?
In einer parlamentarischen Anfrage stellten die Abgeordneten Helm und Schrader (Die Linke) dem Berliner Senat Fragen zur Analyse von DNA-Spuren, welche das Berliner Staatsschutz-LKA 521 in Ermittlungen zu veränderten Werbepostern der Bundeswehr durchführte. In seiner Antwort hält Staatssekretär Torsten Akmann (SPD) diese Vorgehensweise für gerechtfertigt. „Dass die Strafverfolgungsbehörden in solchen Fällen zur Aufklärung dieser Bagatellen zum Mittel der DNA-Analyse greifen, geht eindeutig zu weit“ sagt hingegen Prof. Dr. El-Ghazi von der Uni Trier. „Hier wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen.“
Breite Kritik an „Gas, Wasser, Schießen“-Werbung
Doch um was geht es? Die Bundeswehr warb 2019 mit dem Slogan „Gas, Wasser, Schießen“ um Personal. Diese Taktlosigkeit im Umgang mit der deutschen Vergangenheit sorgte für breite Kritik in der Öffentlichkeit. Unter anderem der Friedensbeauftragte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) Renke Brahms kritisierte die Werbung: „Das Wort Gas im Zusammenhang mit Schießen und Militär lässt wenig Fingerspitzengefühl und geschichtliches Bewusstsein bei den Verantwortlichen erkennen“. Er forderte daher den Stopp der Kampagne.
„Gas, Shoa, Schießen“ statt „Gas, Wasser, Schießen“
In Berlin beließen es Aktivist*innen anlässlich des Tages der Bundeswehr nicht bei Kritik und schritten zur Tat. Sie bemalten und beklebten Bundeswehr-Poster rund um das Flugfeld Tempelhof. Hier sollte eine Flugshow mit Militärmaschinen stattfinden, die das Militär jedoch kurzfristig und kleinlaut mangels Genehmigungen absagte. Die Variante der Kommunikationsguerilla lautete dann: „Gas, Shoa, Schießen. Die Bundeswehr wurde von Nazigenerälen gegründet. Weiterhin entwickeln viele Soldat*innen ein rechtes Weltbild.“ Auf einem anderen Motiv stand im Original: „Bundeswehr macht den Meister“, auf der Adbusting-Version hingegen: „Bundeswehr macht den Franco A.“
https://de.indymedia.org/node/33870
LKA ermittelt, weil es Adbusting die Bundeswehr „lächerlich“ macht
Die Aktion sorgte für einigen Ärger bei der Berliner Staatsschutzabteilung 521, die im alten Flughafengebäude untergebracht ist. Die LKA-Abteilung 521 ist immer wieder Gegenstand der Berichterstattung der Hauptstadtpresse, weil sich die Beamt*innen zu Weihnachten Nazi-Grüße in ihre Chatgruppe posteten, den islamistischen Attentäter Anis Amri von der Observationsliste strichen, um Hausbesetzer*innen überwachen zu können, Daten von Linken an Nazis weitergaben oder „privat“ Drohbriefe mit „dienstlichen“ Informationen an Aktivist*innen schickten, ohne dass dies ernsthafte Folgen für die Beamt*innen gehabt hätte. Diese für ihren Rechtsdrall berüchtigte Abteilung sah angesichts der beklebten und bemalten Bundeswehr-Poster selbstverständlich dringenden Handlungsbedarf. Die Beamt*innen ließen die sichergestellten Poster auf DNA-Spuren untersuchen. Adbusting mache die Bundeswehr „lächerlich“, so laut Akte die dienstliche Begründung für die Maßnahme.
Parlamentarische Anfrage wegen DNA-Analyse
Die Abgeordneten Anne Helm und Niklas Schrader fragten nun den Innensenat: „Aus welchen Gründen hat das Berliner LKA 521 – Polizeilicher Staatsschutz in einem Ermittlungsverfahren (231 Ujs 1941/19) wegen eines Vorfalls von Adbusting, bei dem im Rahmen des „Tags der Bundeswehr“ Bundeswehrplakate mit verfremdenden politischen Botschaften in Schaufenstervitrinen gehängt wurden, eine DNA-Spurenanalyse zur Eingabe in die DNA-Analysedatei (DAD) angefordert?“
https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/SchrAnfr/s18-25890.pdf
DNA is ok sagt Staatssekretär Akmann
Der Staatssekretär des Innensenates, Torsten Akmann (SPD) gibt die DNA-Analyse gegen veränderte Werbeposter zu: „Eine kriminaltechnische Untersuchung, auch im Hinblick auf DNA-Spuren, wurde zur Ermittlung des oder der Tatverdächtigen in Auftrag gegeben. (…) Es wurde die kriminaltechnische Untersuchung von zehn Spurenträgern beauftragt. (…) Es liegen bislang keine Untersuchungsergebnisse vor.“ Die Maßnahme sei legal, gerechtfertigt und verhältnismäßig, da es sich um eine Maßnahme gemäß § 163 Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) gehandelt habe.
Merkwürdige Rechtsgrundlage
§ 163 Abs. 1 Strafprozessordnung lautet: „Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes haben Straftaten zu erforschen und alle keinen Aufschub gestattenden Anordnungen zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten. Zu diesem Zweck sind sie befugt, alle Behörden um Auskunft zu ersuchen, bei Gefahr im Verzug auch, die Auskunft zu verlangen, sowie Ermittlungen jeder Art vorzunehmen, soweit nicht andere gesetzliche Vorschriften ihre Befugnisse besonders regeln.“
Prof. Dr. El-Ghazi: Vorgehen nicht gestattet
Doch an dieser Rechtfertigung gibt es Kritik. „Die Ermittlungsbehörden berufen sich auf eine Ermächtigungsgrundlage, die ihr Vorgehen nicht abdeckt“, sagt Prof. Dr. El-Ghazi von der Uni Trier: „Die allgemeine Ermittlungsgeneralklausel in § 163 StPO, auf die sich der Senat beruft, gestattet dieses Vorgehen nicht. Die Strafprozessordnung sieht für die grundsätzlich sehr eingriffsintensive Maßnahme der DNA-Analyse spezielle Regelungen wie § 81e oder § 81g StPO vor.“
„Nicht verhältnismäßig“
Prof. Dr. El-Ghazi bezweifelt außerdem die Verhältnismäßigkeit: „Ob diese Vorschriften die Durchführung der Analyse und die Speicherung der Daten in der DNA-Analyse-Datei beim BKA erlaubt hätten, hängt vom konkreten Einzelfall ab, insbesondere natürlich davon, ob sich die Maßnahme mit Blick auf die Schwere der zu verfolgenden Straftat als verhältnismäßig darstellt. Dies ist schon deshalb zweifelhaft, weil die Ermittlungsbehörden in vielen Fällen recht schnell zum Ergebnis hätten kommen können, dass die Aktionen überhaupt gar nicht strafbar oder geringfügig sind.“
„In vielen Fällen verwirklicht Adbusting überhaupt keinen Straftatbestand“, erklärt El-Ghazi weiter: „Natürlich ist nicht ausgeschlossen, dass es Konstellationen geben kann, in denen Adbuster*innen den Tatbestand der einfachen Sachbeschädigung erfüllen. Dies gilt dann, wenn sie das Originalplakat dauerhaft verändern. Mit Blick auf den geringen Wert der Plakate reden wir hier aber maximal von Bagatellkriminalität.“
Kritik auch aus Bremen vom ZERP
Auch Andreas Gutmann vom Zentrum für Europäische Rechtspolitik (ZERP) der Universität Bremen kritisiert im Juni 2020 in einem Kommentar auf verfassungsblog.de die Ermittlungen: „Dass hier unbewusst-bewusst die Unverhältnismäßigkeit in Kauf genommen wurde, zeigt schon ein Blick in die (den Verfassern vorliegende) Akte. (…) Die strafrechtliche Ermittlung selbst stellt einen Grundrechtseingriff dar, der selbstverständlich den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren muss. Daran bestehen aber im Tempelhof-Fall erhebliche Zweifel.“
https://verfassungsblog.de/adbusting-unbequem-aber-grundrechtlich-geschuetzt/
Sogar Staatssekretär Akmann zweifelt an der Strafbarkeit von Adbusting
Sogar Staatssekretär Akmann beschreibt in seiner aktuellen Antwort anhand eines konkreten eingestellten Verfahrens die mangelnde Strafbarkeit oder Geringfügigkeit von Adbusting-Aktionen (Im konkreten Fall hatte das LKA eine Hausdurchsuchung angeregt): „[Die Anregung zur Durchsuchung] wurde mangels Anfangsverdacht (…) sowie mangels Vorliegen von objektiven Anhaltspunkten für die Strafbarkeit des sog. ‚Adbustings‘ abgelehnt.“ Bereits in einer vorangegangenen parlamentarischen Anfrage vom November 2019 hatte der Staatssekretär das Verändern von Werbeplakaten lediglich als „minderschwere Kriminalität“ bezeichnet.
Zweifel auch beim LKA 521
Polizeiakten aus dem Archiv der Soligruppe plakativ zeigen, dass es selbst beim Staatsschutz 521 zunächst Zweifel an der Verhältnismäßigkeit von DNA-Analysen bei beklebten Werbepostern gab. In Bezug auf ein anderes Adbusting, bei dem es nicht um die Bundeswehr ging, schrieb der damalige Sachbearbeiter Kriminalkommissar Scholz am 19.4.2016 zur Strafanzeige 160409-1433-027709: „Insbesondere in Bezug auf die Sache erscheint eine Untersuchung auf möliche (sic) DNA-Spuren und Auswertung absolut unverhältnismäßig. Aus diesem Grund wurde hiervon abgesehen.“ Staatssekretär Akmann drückt sich in der aktuellen Antwort um eine Bewertung dieser Aussage. Die Senatsverwaltung könne die Akte nicht finden und suggeriert, das angegebene Aktenzeichen gäbe es nicht (für Rückfragen (z.B. wo die Akte liegt…) ist Kriminalkommissar Scholz vom LKA 521 dienstlich unter 030 4664 952119 erreichbar).
Gegen ‚Antirepression‘ und ‚Antimilitarismus‘
Sind DNA-Analysen an veränderten Werbeplakaten verhältnismäßig? Wenn es nach Staatssekretär Akmann geht, lautet die Antwort Ja. Bereits in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage vom November 2019 rechtfertigte Akmann den Fakt, dass der Staatsschutz 521 sich mit beklebten Werbepostern beschäftigt, folgendermaßen: „(…) wegen der überwiegend anzunehmenden Zusammenhänge mit den Themenkomplexen ‚Antirepression‘ und ‚Antimilitarismus‘ war das für politisch motivierte Kriminalität -links- zuständige Kommissariat mit der Bearbeitung betraut.“ Entscheidend scheint für Akmann nicht die Schwere oder die Strafbarkeit einer Aktion zu sein, sondern der Inhalt.
Ermittlungen wegen des Inhaltes der Aktion
Dass für das Handeln der Beamt*innen rechtliche Überlegungen im Vergleich zum Inhalt eher unbedeutend waren, vermutete bereits das Team um Andreas Gutmann vom Zentrum für Europäische Rechtspolitik (ZERP) der Universität Bremen im schon erwähnten Beitrag auf dem Verfassungsblog vom 2. Juni 2020: „Insgesamt entsteht gerade vor dem Hintergrund des in aller Regel geringen Sachschadens durch Adbusting der Verdacht, dass der Ermittlungseifer vom Inhalt der Adbustings befeuert wird – gerade wenn diese sich kritisch mit Polizei, Geheimdiensten und Bundeswehr auseinandersetzen. Ein solches Vorgehen gegen ein bestimmtes Meinungsspektrum ist jedoch grundrechtlich bedenklich.“
Legal, illegal scheißegal
„Das ein tief in Nazinetzwerke verstrickter Staatsschutz nach dem Motto „legal, illegal, scheißegal agiert, ist wenig überraschend“ sagt Klaus Poster, Sprecher*in der Soligruppe plakativ. „Und das ein sozialdemokratischer Senator das deckt, zeigt wie sehr man sich bei der Verteidigung demokratischer Institutionen auf die SPD verlassen kann.“ Die Soligruppe plakativ gründete sich im Herbst 2019 anlässlich eines Gerichtsprozesses wegen Adbusting, um solidarische Öffentlichkeitsarbeit zu dem Fall zu machen. Der Prozess endete mit einer Einstellung. In der Folge nervte die Gruppe mit Öffentlichkeitsarbeit und parlamentarischen Anfragen Geheimdienste und besonders den Staatsschutz 521.
Erfolgreiche Soli-Arbeit
Mit Erfolg: Seit dem Gerichtsprozess 2019 stellte die Staatsanwaltschaft Berlin fast alle Adbusting-Verfahren ein, weil in vielen Fällen keine Strafbarkeit erkennbar war. Auch erlaubte die Staatsanwaltschaft dem LKA Hausdurchsuchungen wegen beklebter Poster keine Hausdurchsuchungen mehr. Im aktuellen Verfassungsschutzbericht strich das Innenministerium den Absatz zu Adbusting, weil das Bekleben von Werbetafeln doch nicht gewalttätig sei. Die Berliner Behörden stoppten 2020 außerdem das Melden von Adbusting an das Terrorabwehrzentrum GETZ. „Wenn die Geheimen öffentlich rechtfertigen müssen, warum ein Staatsschutz oder ein Terrorabwehrzentrum bunte Werbebilder gucken statt rechten Terror zu verhindern, macht das die Verunsicherungsbehörden weit mehr lächerlich, als es Adbustings je könnten“ erklärt Klaus Poster.
Mehr Infos:
Bilder der Adbusting-Aktion mit „Gas, Shoa, Schießen“ und „Bundeswehr macht den Franco A.“ vom Tag der Bundeswehr 2019, dessen Poster das LKA 521 auf DNA-Spuren untersuchen ließ:
https://de.indymedia.org/node/33870
Die aktuelle parlamentarische Anfrage im Original:
https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/SchrAnfr/s18-25890.pdf
Die parlamentarische Anfrage vom November 2019 im Original:
https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/SchrAnfr/S18-21553.pdf
Der Beitrag zu DNA und Adbusting von Andreas Gutmann und seinem Team vom Zentrum für Europäische Rechtspolitik (ZERP) der Universität Bremen:
https://verfassungsblog.de/adbusting-unbequem-aber-grundrechtlich-geschuetzt/
Ein Artikel in der Legal Tribune Online, in der drei Uni-Profs die Rechtslage zu Adbusting ganz genau erklären:
https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/hausdurchsuchung-nach-adbusting-jurastudentin-verfassungsbeschwerde-strafbar-diebstahl-sachbeschdigung-urheberrechtsverletzung/
Die Kritik des Friedensbeauftragten der EKD, Remke Brams an den „Gas, Wasser, Schießen“-Postern der Bundeswehr:
https://www.evangelisch.de/inhalte/156588/08-06-2019/kritik-bundeswehr-werbung-verteidigungsministerium-ueberwiegend-positive-kommentaren
passiert am 12.08.2021