Störungen des Veteranentages in Berlin u. anderswo – Trotz Angriff auf Versammlungsfreiheit und aufgeblasenen Sicherheitskonzept – eine kleine Bilanz des Erfolgs

Unterm Strich und auf den ersten Blick war unsere monatelange Mobilisierung bis zum Tag selbst ein Erfolg. Wir setzten Inhalte und schufen eine thematische Aufmerksamkeit auf den Veteranentag, der ohne uns vielleicht keine nennenswerte Beachtung und Gegenmobilisierungen gefunden hätte. Auch dass der Veteranenlauf rund um den Berliner Schlachtensee wegen der Unberechenbarkeit eines möglichen Hindernislaufes im Vorfeld abgeblasen werden musste, war ein Erfolg. Obwohl es sooo lustige Ideen gab.

Auch in vielen anderen Städten kam es ja zu erfreulichen Aktionen und Interventionen. Viele verschiedene Aktivitäten sind auf Indymedia dokumentiert.
Gegen die Macht einer Tagesschau, die die Bilder setzt, die staatlicherseits gebraucht werden, kamen wir natürlich nicht an. Der Zusammenschnitt in den staatsnahen Medien suggerierte ein Familienfest ohne Störung und Widerspruch.
Allerdings ging der Veteranentag am Reichstag nicht reibungslos von der Bühne, wir ihr weiter unten nachlesen könnt: ein DIE-IN, und eine Banneraktion waren der sichtbarste Teil des antimilitaristischen Widerstands gegen die oliv-bräunliche und militaristische Veranstaltung. Andere lustige Aktionen – und zwar ebenso innerhalb (!) des Sicherheitsbereichs, trotz flughafenähnlicher Sicherheitschecks – waren eher kleiner und nicht sofort erkennbar. Die Allgemeinverfügung mit dem Ziel, unseren Widerstand unsichtbar zu machen, konnte all das nicht erfolgreich verhindern.

Zur Abschirmung der Politprominenz und ihrer Generäle vor unschönen Bildern, hat man die Allgemeinverfügung „in Stellung gebracht“, um damit vor allem die Eingänge um die Ebert Straße von uns „sauber“ zu halten. Es hat nichts genutzt.

Die Abwehr des Angriffs auf die Versammlungsfreiheit haben wir aus finanziellen Gründen juristisch nur bis zur ersten Instanz versucht. Es ist aktuell eine Geld- und Kräftefrage. Aber am Ende wird die Straße darüber entscheiden: der radikale Antimilitarismus – gegen jeden Krieg, gegen jedes Militär, gegen jede Autorität und jede nationale Identität – wird in den nächsten Jahren noch weitere Konfrontationen bestehen.

Wir haben uns als „provisorischer anarchistischer Antikriegsrat“ auf die Durchführung einer ganztägigen Kundgebung festgelegt, um anderen Gruppen ein Sprungbrett und Anlaufpunkt für kreative Besuche des Veteranentags zu ermöglichen. Das Konzept ist voll aufgegangen. Das war toll zu erleben. Überraschenderweise kamen auf unserer Kundgebung auch erkennbare „Veteranen“ vorbei, die dann erstaunt waren, dass sie von „Veteranen“ auf der Bühne per Mikro laut mit ihrem Dienstgrad angesprochen und aufgefordert wurden, ihre Uniform auszuziehen und den „Dienst“ zu quittieren – wir hatten also unseren Spaß. Sie weniger.

Die Besucher*innenzahlen dürften weit unter den angekündigten 4000 gelegen haben. Mehrere Berichte bestätigten uns die Leere des sogenannten Bürger-und Familienfestes. Die olivfarbene Familie blieb weitestgehend unter sich. Journalist*innen fanden keine zivilen Besucher*innen für Interviews sondern nur aktive oder ehemalige Militärs. Sie bestätigten auch den beängstigenden Eindruck, dass sich innerhalb des Veteranentages ein neues identitäres „Wir“ zusammenschmiedet – nämlich jener Teil der Veteranen, die Kriegstüchtigkeit befürworten und Militär, Kameradschaft und „soldatische Tugenden“ für ihre Identität brauchen, um den Scheiß zu legitimieren, den sie erlebt haben.
Es wäre gut, dass wir das hier machen würden, so eine Rückmeldung eines Journalisten, denn in dem Gelände würden sich die einzelnen Veteranenverbände zu einem „Wir“ formieren. Dieses militaristische „Wir“ hat keine Scheu, seine Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) mit einer zukünftigen Militarisierung zu verschmelzen und sich ein militaristisches Nest in dieser neuen Kameradschaft zu basteln – über die aktive Zeit beim Bund hinaus.
Der andere Teil der Veteranen in Deutschland, und das dürfte der weit größere Teil sein, findet sich in einer Militarisierungsperspektive für Deutschland, Europa oder in der Welt nicht wieder.

Pervers waren zwei Kinderzelte, die schon in frühen Jahren die Akzeptanz des Militärs herbeiführen sollen. Und ekelhaft war nicht nur das ganze Ambiente, sondern auch einige Motoradkuttenträger mit ihren eisernen Kreuzen. Toxische Männlichkeit, die mit Bundeswehr verbunden wird, hat sich auch in all den Jahren nicht verändert. Das widerliche Gebettel nach „Wertschätzung“, das die militärbefürwortenden Veteranen jetzt dankbar entgegen nahmen, ist das Sprungbrett zur Heldenverehrung. Entgegen der Ankündigung, trugen viele Soldaten die Uniformen stolz zur Schau. Ebenso war auf dem Bürgerfest viel ätzende Politiker*innenprominenz zugegen.

Julia Klöckner, die Bundestagspräsidentin, faselte auf der Bühne dummes Zeug als sie die Truppe begrüßte und musste erstaunt das DIE-IN von mindestens 15 blutverschmierten Aktivst*innen zur Kenntnis nehmen, die plötzlich vor ihr zu Füßen lagen. Die Polizei musste die „Toten“ dann aus ihrem Blickfeld entsorgen, nahm sie vorübergehend fest und ihre Personalien auf.
Einen herzlichen und solidarischen Gruß an alle Aktivist*innen! Wir sind natürlich ansprechbar, wenn es zu Anzeigen wegen z.B. Hausfriedensbruch kommt. Zusammen mit den Clowns haben wir an die 30 Gewahrsamnahmen gezählt, denen vor Ort die Personalien abgenommen wurde (Beim Ermittlungsausschuss sind 4 Festnahmen eingegangen). Erkennbaren Aktivist*innen wurde der Zutritt auf das Gelände verwehrt – sie mussten es sich zum Teil erstreiten.

Die Aktion vom DIE-IN findet sich hier kurz dokumentiert: https://www.youtube.com/shorts/Xm7ABDPTmN0

Unsere Kundgebung war ein guter Ort. Die Beteiligung hätte zwar durchaus höher sein können und fiel gegen Ende stark ab, aber viele waren nach Jena (Solidaritätsdemo für Maja im Hungerstreik und alle inhaftierten Antifaschist*innen) zu erschöpft noch vorbei zuschauen. Zahlenmässig war es schwer für uns einen Überblick über die Kundgebung zu bekommen, weil sich die Menschen verteilten und die Kundgebung auch tatsächlich als Sprungbrett nahmen, um sich die Mobilmachung von Innen anzuschauen. Mit den Rückmeldung und Infos aus dem Inneren des abgesperrten umzäunten Bereichs, mit jeder Menge Bullen, konnten wiederum andere Gruppen sehr gut arbeiten. Von daher gab es ein Kommen und Gehen und wir konnten trotzdem mit einer minimalen Struktur vor Ort den Ablauf durchführen. Die Clownsarmee und deren Kidnapping durch die Polizei band dann weitere Kräfte. Zu jeder vollen Stunde machten wir Ramba-Zamba und Remidemi zur Unterstützung der Aktivist*innen innerhalb der Festung und in Solidarität mit den in „Gewahrsam Genommenen“, die uns manchmal sogar hörten. Lustig auch der Bericht der Clowns, die aus dem Polizeigewahrsam heraus auf Spahn und Pistorius trafen und darum baten den Krieg erklärt zu bekommen. Das war im Programm der beiden Drecksäcke natürlich nicht vorgesehen.

Erst mit Ende unserer Kundgebung wurden die ihrer Freiheit Beraubten dann gehen gelassen.

Die Redebeiträge waren zum Teil analytisch oder kämpferisch. Einige waren so eindrücklich, das es fast schon schade war, das diese starken Beiträge von nicht mehr Leuten aufgenommen wurden. Allen Beiträgen war gemein, Krieg, Militär und Militarismus abzulehnen und zwar für jedes Land. Den Auftakt machte ein Wehrverweigerer aus dem Jahre 1978 mit einer Ballade auf der Klampfe. Der Genozid an den palästinensischen Menschen im Gaza wurde von Nadi in Verbindung zu den historischen Genoziden, den Jüd*innen als auch die Romja im Dritten Reich erlebten, gesetzt. Berichte aus der Bundeswehr als Wehrplichtige*r und die Einführung der Wehrpflicht waren Thema, Countrymusik von Patrick Carter, Perfomances durch „Chaos Uranus“ und SKET sowie Paul Geigerzähler sorgten immer wieder für künstlerische Akzente zum Krieg. Redebeiträge von Franz Nadler für Connection e.V., eine Organisation zur Unterstützung von Militärverweiger*innen und Deserteuren*innen in der ganzen Welt, mischten sich mit Beiträgen zu Krieg aus queerfeministischer Sicht von der Liebig 34. Ein Beitrag aus Israel zur Militärverweigerung und Stimmen von jüdischen und arabischen Menschen zum Genozid kamen zu Wort; Basta eine sozialrevolutionäre und feministische Beratungsinitiative erzählte zum Zusammenhang von Arbeitsamt und Militär. Gisela Notz und Elisabeth Voss teilten sich thematisch auf (deren Beiträge als link unten abrufbar). Unglaublich stark war auch der Beitrag von Napuli, die aus dem Sudan kam und den O-Platz mitbesetzt hatte. Da mussten selbst die Bullen schlucken, als sie diese ganz direkt ansprach, als Brüder und Schwestern, die ihre Waffen wegzulegen hätten. Wirklich schade, was viele Leute da auch inhaltlich verpasst haben.

Einige angekündigte Veteranen und Wehrverweigerer aus anderen Ländern fanden nicht den Weg zur Kundgebung – aber das Programm war auch so sehr rund und vielfältig.
Die Clownsarmee war natürlich der Renner, und machte die Bullen ganz fuselig im Kopf, die sich am Ende nicht mehr anders zu helfen wussten als sie in eine Falle zu locken, um sie alle festzunehmen. Überhaupt waren die angestellten Damen und Herren der Polizei erstaunlich spaßbefreit in Bezug auf Moderationsbeiträge. Denn sie glaubten tatsächlich daran, dass wir mit Drohnen kommen und die Clowns befreien würden und fragten nach einer Flugerlaubnis. Das Spaßerklärungskomitee der Bühne vermittelte dann nochmal eindrücklich den Sinn von Satire.

Bei der Verleihung von Orden oder irgendeinem Anerkennungsscheiß an irgendwelche Veteranen konnte im Inneren eine weitere Aktion umgesetzt werden. Das Banner wurde zwar schnell einkassiert und die Menschen wurden zu den anderen in den Gewahrsam gesteckt, aber die Störung war trotzdem da. Fotos bekommen wir hier leider gar nicht hochgeladen, aus irgendeinem Grund.

In der Pressearbeit ist uns am Tag ein grober Schnitzer unterlaufen. Auf den gehen wir ein, wenn er Relevanz bekäme. Ansonsten haben wir im Vorfeld eine wirkungsvolle Pressearbeit hinbekommen.

Dies ist eine vorläufige Bilanz dessen, was auf dem Veteranentag passiert ist. Sie ist nicht abgeschlossen, auch keine Auswertung der gesamten Gruppe oder der beteiligten Bündnisgruppen, sondern einfach ein Eindruck mit Einblicken in Erlebnisse. Aber dieses Stimmungsbild gibt vielleicht schon mal einen Eindruck. Aber jetzt schon ist klar, unsere frühzeitige Initiative und Mobilisierung war ein Erfolg. Unsere Initiative wurde kreativ aufgegriffen. Störungen gab es an vielen Orten. Und wir haben gemeinsam diesem Veteranentag unangenehme Stiche versetzen können. Für ein politische Desaster hat es dieses Mal die Mobilisierung noch nicht gereicht, denn ein radikaler Antimilitarismus ist ein „Stiefkind“ vieler linker Gruppen. Insofern haben wir aber jetzt schon eine ganze Menge in Bewegung setzen können.

Danke an „Food not Bombs“ , die „Gummibärchen“, dem Berliner Ermittlungsausschuss, „Connetion e.V.“ und „Graswurzelrevolution“, „Netzwerk Selbsthilfe“, Mutti für Kuchen und Pita, dem Essenskollektiv, dem Bethanien, dem „Fisch“, einige coole Gruppen ( <3 ), den Clowns natürlich, den tollen Redner*innen und Künstler*innen, denen, die uns geholfen haben, ohne das wir davon erfahren haben, indymedia, die für uns zur stabilen Mitteilungsplattform wurden, weil wir auf Ereignisse auch dynamisch öffentlich reagieren mussten.

Die Klage hat ein Finanzloch gerissen. Also freuen wir uns über Spenden…
Und wir freuen uns über mehr anarchistische Antikriegsräte und und und…
Provisorischer anarchistischer Antikriegsrat Berlin

Kontakt: antikriegsrat_berlin@riseup.net
Webseite des provisorischen anarchistischen Antikriegsrat: https://antikrieg.noblogs.org/

Zwei Beiträge:
Elisabeth Voss: https://www.pressenza.com/de/2025/06/die-waffen-nieder-2/
Gisela Notz: www.sozonline.de/2024/10/bertha-von-suttner-18431914/

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