Nach 30 Jahren in Türkei abgeschoben: „Man hat uns behandelt wie Terroristen“
Die Familie Akyüz und deren offenbar in Deutschland geborene und aufgewachsene fünf Kinder sind Anfang Dezember aus dem hessischen Sontra in die Türkei abgeschoben worden. Das berichtet die Zeitung „Hessische/Niedersächsische Allgemeine“ (HNA) am Mittwoch.
Bei der Abschiebung in der Nacht vom 3. auf den 4. Dezember hat die Polizei die Haus- und Wohnungstür aufgebrochen, wie der Sprecher der Polizeidirektion Werra-Meißner der HNA sagte. Dem Zeitungsbericht zufolge sei der Familienvater Mahmut Akyüz, der nach eigenen Angaben seit mehr als 30 Jahren in Deutschland gelebt hat, gefesselt worden.
Anschließend hätte sich die Familie am Flughafen nackt ausziehen müssen und sämtliche Körperöffnungen seien kontrolliert worden, berichtete der 19-jährige Ferdi Akyüz und beschrieb das Erlebnis als menschenunwürdig. „Man hat uns behandelt wie Terroristen“, sagte Familienvater Mahmut Akyüz beim Videochat mit der HNA und bezeichnete das Vorgehen der Polizei als brutal. „Wir sind alle traumatisiert.“
Auch der 18-jährige Sohn Bilal sei im Auto mit Kabelbindern gefesselt worden, die Mutter Fatma am Frankfurter Flughafen sogar mit Fußfesseln. Mittlerweile ist die siebenköpfige Familie bei Bekannten in Istanbul untergekommen, sie leben nun mit neun Personen in einer Zwei-Zimmer-Wohnung.
Kinder sprechen scheinbar kein Türkisch
Die Kinder, nach eigenen Angaben in Deutschland geboren und aufgewachsen, würden zudem kein Türkisch sprechen. Die 15-jährige Sahra Akyüz sagte: „Ich habe keinen Abschluss, ich beherrsche die Sprache hier nicht. Ich fange jetzt von vorne an.“
Eine Sprecherin des Regierungspräsidiums (RP) Kassel hat die Abschiebung laut HNA so begründet: „Alle Familienmitglieder sind seit Langem vollziehbar ausreisepflichtig. Die Frist zur freiwilligen Ausreise ist ungenutzt verstrichen. Daraufhin wurde die Ausreise zwangsweise durchgeführt.“ Seit längerem sei die Familie darüber informiert gewesen. Aus Datenschutzgründen könne das RP nicht sagen, wann diese Frist ausgelaufen sein soll.
Wie das Regierungspräsidium Kassel erklärte, würden Betroffene vor einer Abschiebung aufgeklärt werden und aufgefordert, das Nötigste zusammenzupacken.
passiert am 16.12.2020