Neue Überwachungsbefugnisse für die Bundespolizei
Die Ampelregierung gibt grünes Licht für die umstrittene Reform des Bundespolizeigesetzes. Beamt:innen sollen mehr Befugnisse für Kontrollen und Überwachungsmaßnahmen bekommen. Kritik gibt es bereits von der Bundesbeauftragten für Antidiskriminierung.
Am Mittwoch hat das Bundeskabinett den neuen Gesetzentwurf zur Neustrukturierung des Bundespolizeigesetzes verabschiedet. Die Bundesregierung begründet die Reform unter anderem mit „aktuellen Gefährdungslagen“, ohne näher darauf einzugehen, welche das sein sollen. Dafür soll die Bundespolizei jetzt mehr Befugnisse erhalten, insbesondere im Bereich der Telekommunikationsüberwachung. Weitere Befugnisse gibt es beim Betreiben eigener Drohnen und bei der Drohnenabwehr, bei der Speicherung von DNA-Identifizierungsmustern sowie zum Erlass von Meldeauflagen und Aufenthaltsverboten.
Die erweiterten Überwachungsbefugnisse beinhalten unter anderem die Überwachung von Telekommunikation sowie die Erhebung von Verkehrs- und Nutzungsdaten. Zusätzlich soll die Bundespolizei Mobilfunkkarten und Telefone identifizieren und lokalisieren dürfen.
Außerdem sollen Polizist:innen nach eigenem Ermessen und lediglich zum eigenen Schutz entscheiden, ob sie Bodycams einschalten oder nicht. In Deutschland liegt die Kontrolle über die Kamera und das erhobene Material bei der Polizei. Wie wir bereits berichtet haben, führt das zu einem weiteren Anstieg des Machtgefälles zwischen Polizei und Bürger:innen.
Racial Profiling nicht verboten
In der Koalition war lange darum gestritten worden, ob die polizeiliche Praxis des Racial Profiling, also rassistische Kontrollen, im Gesetz verboten werden soll. Am Ende kam ein Kompromiss heraus, der die umstrittene Praxis wohl kaum beenden wird. Laut dem Gesetz wird die Auswahl einer Person für eine Kontrolle anhand Herkunft, Geschlecht, Religion oder Sprache „ohne sachlichen, durch den Zweck der Maßnahme gerechtfertigten Grund“ unzulässig. Ein solcher „sachlicher Grund“ dürfte allerdings schnell gefunden werden.
Die Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, warnt bereits jetzt vor mehr Diskriminierung durch das neue Gesetz. Es sei an vielen Stellen allein auf die Bedürfnisse und den Schutz der Polizei zugeschnitten. „Das Recht der Bürger:innen auf Nichtdiskriminierung kommt zu kurz“, sagt Ataman.
Als Gegengewicht zu diesen Kontrollen sieht das Gesetz nur vor, dass die Polizist:innen in Zukunft auf Nachfrage Kontrollquittungen ausstellen müssen. Sie sind jedoch nicht dazu verpflichtet, Betroffene über dieses Recht zu unterrichten. Außerdem sei es laut Ataman nicht abwegig, dass Betroffenen der Mut fehlen könnte, solch eine Quittung zu verlangen. In der Praxis zeigte sich etwa in Bremen, dass solche Quittungen kaum nachgefragt werden. Das Bundesland hatte diese 2021 eingeführt.
GFF erwägt unter Umständen Verfassungsbeschwerde
Immerhin sieht der Gesetzesentwurf vor, eine individuellen Kennzeichnungspflicht bei der Bundespolizei einzuführen. Sie ist eine langjährige Forderung von Bürgerrechtsorganisationen und soll die Identifizierung von Beamt:innen erleichtern, die etwa mit rechtswidriger Polizeigewalt auf Demonstrationen auffallen. Eine solche Kennzeichnungspflicht wurde in den vergangenen Jahren bereits in mehreren Bundesländern eingeführt.
David Werdermann von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) kritisiert das Gesetzesvorhaben gegenüber netzpolitik.org dennoch: „Statt effektiv gegen rassistische Diskriminierung bei verdachtsunabhängigen Kontrollen vorzugehen, weitet die Bundesregierung polizeiliche Befugnisse immer weiter aus.“ So würden die Maßnahmen in dem Gesetzesentwurf tief in die Grundrechte eingreifen, etwa durch die Meldeauflagen, das Präventivgewahrsam oder die Überwachung der Kommunikation.
Weil die gesetzlichen Hürden hier viel zu niedrig und unbestimmt seien, drohten unbescholtene Bürger:innen ins Visier polizeilicher Maßnahmen zu geraten. „Sollte das Gesetz so verabschiedet werden, werden wir eine Verfassungsbeschwerde prüfen“, so Werdermann.
Innenministerin Faeser zufrieden
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zeigt sich derweil zufrieden. In der Pressemitteilung des Ministeriums sagt Faeser, die Reform sei „eines der wichtigsten Sicherheitsgesetze unseres Landes“ und unterstütze die Polizeien in ihrem „Kampf gegen Kriminalität und für den Schutz unserer Demokratie“.
Das Bundespolizeigesetz regelt die Befugnisse und die Arbeit der Bundespolizei. Der überwiegende Teil stammt noch aus dem Jahr 1994 und wurde bisher nur in einzelnen Vorschriften angepasst. Der Entwurf soll voraussichtlich im März 2024 im Bundestag diskutiert und beschlossen werden.
zur aktuellen Debatte um den Gesetzesentwurf: https://netzpolitik.org/2024/gesetzesentwurf-geplantes-bundespolizeigesetz-auf-verfassungsrechtlich-duennem-eis/
passiert am 21.12.2023