RAF-Jagd in Berlin: „Ihr habt den Falschen“

Ein freier Journalist wird für den RAF-Terroristen Burkhard Garweg gehalten und in Berlin von Polizisten überwältigt.

Die Dienststelle A45 der Berliner Polizei hat in der Mitteilung zu dem Vorgang schlicht „Identitätsfeststellung“ vermerkt. Als er wieder freigelassen wird, gibt ein Polizist dem vermeintlichen RAF-Terroristen noch Folgendes mit auf den Weg: „Na, dann haben Sie ja jetzt was zu erzählen.“ So berichtet es Andreas Weiser, 67 Jahre alt, freier Journalist, Fotograf und Musiker, und er klingt noch immer etwas fassungslos, wenn er von seiner Begegnung mit der deutschen Staatsgewalt und der ungewöhnlichsten Busfahrt seines Lebens erzählt.

„Die sind so im Jagdfieber, weil sie bei der Daniela Klette Mist gebaut haben, dass sie das unbedingt wettmachen wollen“, vermutet Weiser. Die seit vielen Jahren in Berlin untergetauchte Terroristin der Roten Armee Fraktion (RAF) hatte bei ihrer Festnahme noch ihren RAF-Genossen Burkhard Garweg, der ebenfalls in Berlin lebte, warnen können.

Der ist seither auf der Flucht. Und an jenem 12. März führt dieser Umstand dazu, dass Andreas Weiser, als er gegen 16.45 Uhr am Berliner U-Bahnhof Steglitz in einen Bus der Linie 285 steigt, von Zivilfahndern beschattet wird und sich wundert, warum dem gelben Bus mehrere Polizeiwagen vorausfahren. Er will sein Auto aus der Werkstatt holen, steigt an der Station Billy-Wilder-Promenade aus.

Was dann passiert, schildert er in seinem eigenen Blog (https://www.weiserarts.com/blog/) so: „Bin in Gedanken und will gerade die Goerzallee überqueren, um auf der anderen Seite zur Kfz-Werkstatt am Stichkanal zu kommen, da brüllt es hinter und neben mir plötzlich: Runter auf den Boden, Runter.“ Als er sich umdreht, so erzählt er es, sieht er vermummte, schwer bewaffnete Einsatzkräfte, blinkende Polizeiwagen und eine Maschinenpistole, auf ihn gerichtet. „Ich werde von mehreren Vermummten auf den Boden gerissen und lande bäuchlings auf dem Bürgersteig, mein Kopf schlägt auf den Asphalt.“ Da sei ihm langsam klar geworden: Die Polizei hält ihn für Burkhard Garweg. Der ist 55 Jahre alt und sieht Weiser auf den jüngsten Bildern, die das LKA Anfang März veröffentlicht hatte, nur bedingt ähnlich. „Ich bin schmal, aber sehe ganz anders aus.“ Vielleicht habe ihn sein schwarzer Hut verdächtig gemacht.

„Es gab keine Festnahme“, teilt die Polizei mit

Er ruft den Einsatzkräften zu: „Ihr habt den Falschen.“ Hilft rein gar nichts. „Das werden wir sehen“, erwidert ein Beamter. Auch der Presseausweis bringt nichts, Garweg gilt als notorischer Fälscher. Hände auf den Rücken, Handschellen. Es ereignen sich für Weiser seltsame Dinge, so interessieren sich die Beamten für sein rechtes Ohr und fotografieren es – offenbar für einen exakten Abgleich. Er rechnet damit, auf die Wache mitgenommen zu werden, für Fingerabdrücke und einen Gentest. Nach etwa 45 Minuten realisieren die Beamten aber, dass er nicht Garweg ist.

Das Landeskriminalamt Niedersachsen ist federführend für die Suche nach den ehemaligen RAF-Mitgliedern zuständig, die in dem Bundesland zuletzt einen Geldtransporter ausgeraubt haben sollen. Das LKA bestätigt auf SZ-Anfrage den Vorfall: „Auf Grundlage eines Bevölkerungshinweises“ sei eine Personenkontrolle durchgeführt worden. „Es gab keine Festnahme.“

Weitere Angaben könne das LKA aus ermittlungstaktischen Gründen nicht machen. Es ist nicht die erste Verwechslung dieser Art: Im Februar hatten schwer bewaffnete Spezialkräfte einen Bahnreisenden im Wuppertaler Hauptbahnhof aus dem Zug geholt, weil ein Augenzeuge ihn fälschlicherweise für den Ex-RAF-Terroristen Ernst-Volker Staub gehalten hatte.

Bekommt Weiser für die Aktion eine Entschädigung? Ihm habe die Polizei nur mitgeteilt, dass man ihm die Reinigung bezahlt hätte, wenn die Hose durch den Zugriff dreckig geworden wäre, sagt er. Immerhin habe er es noch geschafft, das Auto beim Schrauber abzuholen.

Quelle: https://archive.is/9ppb8