Corona-Demos: Mit weiterer Gewalt ist zu rechnen

Wie radikal sind die Menschen, die sich im Umfeld der Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen bewegen? Wie gewaltbereit sind sie? Diese Frage diskutieren inzwischen Sicherheitsbehörden. Denn sie sehen Anzeichen dafür, dass im Zusammenhang mit den Verschwörungsmythen, die bei diesen Demos vertreten werden, eine ganze Reihe Straftaten verübt wurden.

Bedrohung, Nötigung, Körperverletzung, Sachbeschädigungen, Brandstiftung, Landfriedensbruch – mehr als 50 Mal kam es in den vergangenen Monaten zu Angriffen auf wissenschaftliche Einrichtungen, auf Medien und Politikerinnen. Mindestens dreimal waren auch jüdische Einrichtungen das Ziel. Entsprechende Zahlen stehen in einer Antwort der Regierung auf eine Parlamentarische Frage der FDP-Fraktion im Bundestag, die ZEIT ONLINE vorliegt. Dazu wurden Daten der Kriminalpolizei zu politisch motivierter Gewalt ausgewertet und alle Meldungen analysiert, die das Stichwort „Corona“ enthielten.

Aufgelistet werden darin: 25 Bedrohungen, zehn Sachbeschädigungen, sechs Nötigungen, fünf verfassungsfeindliche Verunglimpfungen, vier Körperverletzungen, drei Gefährliche Körperverletzungen, eine Brandstiftung, ein Sprengstoffdelikt, ein Landfriedensbruch.

Auf die Frage, ob die Gewaltbereitschaft der Anhänger von Verschwörungsmythen im Zusammenhang mit der Pandemie wächst, gibt die Bundesregierung leider keine klare Antwort. Sie schreibt lediglich, dass die Pandemie „im rechtsextremistischen Diskurs wieder an Bedeutung“ gewinne. Die rechtsextremistische Szene sei bemüht, „den in Teilen der Bevölkerung wachsenden Unmut über die staatlichen Beschränkungsmaßnahmen für sich zu nutzen“. Straftaten und Gewalt seien vor diesem Hintergrund „weiterhin möglich“.

Benjamin Strasser, Obmann der FDP im Innenausschuss des Bundestages, sagt: „Die Radikalisierungsspirale der Corona-Proteste rund um die Querdenken-Bewegung ist besorgniserregend.“ Die Demonstranten schreckten offenbar auch nicht vor Gewalt zurück. Mit demokratischem Protest habe das nichts mehr zu tun. Sicherheitsbehörden sollten sie daher genauestens auf dem Radar behalten. „Es darf nicht wie bei den Reichsbürgern dazu kommen, dass eine Bewegung lange unterschätzt wird und erst nach schwersten Gewaltstraftaten gegen Menschen reagiert wird“, sagt Strasser.

Neuer Extremismus

Die Brandstiftung am Robert Koch-Institut und der versuchte Sprengstoffanschlag auf die Berliner Leibniz-Gemeinschaft im Oktober wurden laut Bundesregierung auch in den Arbeitsgruppen des Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrums Rechtsextremismus (GETZ-R) behandelt. Nach Informationen von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung hat das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) außerdem gerade ein Sonderlagebild Gefahren- und Risikopotenzial insbesondere durch Extremisten und fremde Dienste erstellt, in dem es die Bedrohung durch Extremisten im Umfeld der Corona-Demonstrationen untersucht.

Demnach bestehen zwischen der rechtsextremistischen und der verschwörungsmythologischen Szene zahlreiche Verbindungen, die bei den Demonstrationen verstärkt zum Tragen kämen. Ein „ausgeprägter Glaube an Verschwörungstheorien“ könne „die Bereitschaft zu kriminellen Handlungen fördern“, heißt es in dem Bericht. Die Mythen lieferten den Anhängern Rechtfertigungen, mit denen „Angriffe auf Regierungseinrichtungen“ als Akte der „Selbstverteidigung“ begriffen würden.

Die Verfassungsschützer warnen in dem Papier davor, dass daraus ein neuer Extremismus entstehen könne oder vielleicht sogar bereits entstanden sei. Man müsse der Frage nachgehen, inwieweit bereits eine neue Extremismusform „insbesondere über das als Informations- und Sozialisationsraum fungierende Internet“ erwachsen sei.

Auch das Bundeskriminalamt (BKA) befürchtet, dass aus den Corona-Demonstrationen künftig mehr Gewalt entsteht. So würden die deutschen Hersteller der Corona-Impfstoffe zunehmend in den Fokus von Impfgegnern, Corona-Leugnern und Verschwörungsideologen geraten, schreibt das BKA in einem internen Lagepapier, aus dem mehrere Medien zitieren. An den Standorten der Produktionsfirmen und der geplanten Impfzentren sei mit Demonstrationen zu rechnen, möglicherweise aber auch mit Straftaten.

„Die öffentliche Auseinandersetzung über die Schutzmaßnahmen zeigt sich zunehmend aggressiver“, heißt es demnach im Lagebild.

https://www.zeit.de/politik/deutschland/2020-12/corona-demos-extremismus-verfassungsschutz-bka-rki-brandanschlag-sprengstoffanschlag

passiert am 01.12.20