Welche Fintechs von der Bezahlkarte für Geflüchtete profitieren

Im Laufe dieses Jahres sollen Bezahlkarten für Asylbewerber bundesweit eingeführt werden. Sachbezugskarten-Anbieter, bisher eher in der Nische unterwegs, wittern ihre große Chance. Doch können die Firmen am Ende auch liefern?

Für die einen ist die Bezahlkarte für Geflüchtete ein wichtiger Schritt, um die Anzahl der Asylbewerber und bürokratischen Aufwand zu reduzieren, für die anderen ist sie ein Zeichen für Bevormundung. Fest steht in jedem Fall: Die Debitkarte für Asylbewerber kommt, mit Bargeld ist dann größtenteils Schluss – und im Paymentsektor herrscht bereits Goldgräberstimmung.

Denn immerhin: 14 von 16 Bundesländern wollen bis zum Sommer in einem gemeinsamen Verfahren ein einheitliches System einführen, nur Bayern und Mecklenburg-Vorpommern planen Sonderwege. Bereits vorher starten in einigen Kommunen Pilotprojekte. Die Verwaltungen selbst können oder wollen nicht, sie setzen stattdessen auf spezialisierte Dienstleister.

Zwei Fintechs sichern sich Aufträge

Die Sparkassen wollen etwa über ihre Tochter S-Payment mitmischen. Den Löwenanteil der bisher vergebenen Aufträge haben sich aber kleinere, eher unbekannte Firmen gesichert. Unternehmen wie Givve oder Paycenter, die bisher vor allem Sachbezugskarten für Firmenkunden bereitstellen, sehen im Aufkommen der Asylbewerberkarte einen riesigen Wachstumsmarkt. Jetzt müssen die Firmen nur noch die hohen Erwartungen der Politik erfüllen und wer das schafft, der könnte den großen Jackpot knacken.

Adrian von Nostitz ist optimistisch. Er verantwortet Marketing und Vertrieb beim Münchener Fintech Givve, das zur französischen Groupe Up gehört. Seit 2010 vertreibt das Unternehmen sogenannte Sachbezugskarten. Mittlerweile hat man rund 23.000 Kunden – etwa Toyota oder Hornbach – gewinnen können und 550.000 Kartennutzer.

Firmen nutzen die Karten, um ihren Mitarbeitern Benefits zukommen zu lassen, etwa Tankzuschüsse oder Verbilligungen für Fitnessstudios. Diese Karten sind meist aber nicht unbegrenzt einsetzbar, sondern nur in bestimmten Gebieten oder bei bestimmten Händlern, auch Bargeldabhebungen sind mit ihnen aufgrund rechtlicher Vorgaben nicht möglich. „Das ist schon sehr nah dran an dem, was Kommunen sich von der Bezahlkarte für Asylbewerber erhoffen“, meint von Nostitz.

Je nachdem, welche Einstellungen sich eine Gemeinde oder ein Land wünsche, ließe sich die Karte anpassen. Mit diesem Modell hat Givve unter anderem den Landkreis Greiz in Ostthüringen überzeugt, der die Karte seit dem 1. Dezember nutzt. Von Nostitz verweist neben den offensichtlichen Veränderungen auf einige nützliche Nebeneffekte, die die Einführung mit sich bringt: „Die Karte lässt sich auch aus der Distanz aufladen, die Asylbewerber müssen nicht jedes Mal zum Amt kommen, um das Geld abzuholen“, sagt er: „Außerdem funktioniert sie – wenn gewünscht – auch im Onlinehandel.“
Ausschluss von Alkohol und Tabak „nicht möglich“

Die Anbieter versprechen den Kommunen eine einfache Umsetzung. Das Freisinger Unternehmen Paycenter erklärt, dass die Kommunen nicht mehr als einen Internetzugang brauchen, um die Karten zu aktivieren und zu nutzen. Sowohl für Leistungsempfänger als auch für Behörden soll es einfache Bedienoberflächen geben. Über das Verwaltungs-Frontend können die Behörden die Karten selbst nach ihren Bedürfnissen definieren. Mittelfristig sollen auch Apps für Smartphones dazukommen. Paycenter hat bereits die Ausschreibung in Bayern gewonnen. In vier Kommunen startet im März ein Pilotprojekt, läuft alles gut, soll im Laufe des Jahres der Rollout im gesamten Freistaat erfolgen.

Vor dem Volumen der Aufträge fürchtet sich niemand in der Branche. Neben der Bereitstellung der Infrastruktur geht es vor allem darum, ausreichend Karten zu liefern. Die Nachfrage unterscheidet sich dabei sehr von Kreis zu Kreis. Schwieriger könnte es werden, jeden Wunsch, den so mancher Politiker geäußert hat, umzusetzen.

So forderte mancher Politiker, Leistungsempfängern bestimmte Waren vorzuenthalten, etwa Alkohol und Tabak. Nicht möglich, meint Adrian von Nostitz von Givve: „Wir können nicht in die Warenkörbe hineingucken.“ Möglich sei es, einzelne Geschäfte und Geschäftskategorien auszuschließen, etwa Spielotheken. „Aber wenn der Supermarkt die Karte akzeptiert, können wir das nicht auf bestimmte Warenklassen begrenzen.“

Flüchtlingsräte drohen mit Klagen

Noch befinden sich die meisten Projekte in der Pilotphase, wirkliche Erfahrungswerte fehlen. Branchenvertreter wittern dennoch bereits das große Geschäft. Mehr als drei Millionen Geflüchtete leben momentan in Deutschland, allein vergangenes Jahr kamen 300.000 dazu. Viele von denen müssten mit einer Karte versorgt werden, wenn sich das System großflächig durchsetzt. Wie praktisch wäre es, wenn sich 14 Bundesländer auf einen Anbieter einigen.

Wenn denn alles so klappt, wie die Bundesländer sich das vorstellen. So gibt es aktuell noch Streitigkeiten um die rechtliche Ausgestaltung des Modells, Flüchtlingsräte drohten bereits mit Klagen. Solange die Ausschreibung mit allen Details noch nicht öffentlich ist, halten sich die Anbieter entsprechend noch zurück. Bei Givve etwa wollen sie noch nicht sagen, ob sie sich bewerben: “Eine einheitliche Lösung halten wir aber generell für sinnvoll.” Bleibt abzuwarten, ob die Politik dies genauso sieht.

 


Tagesspiegel:
Spektakulär wirkt sie nicht, die Bezahlkarte für Geflüchtete. Je nach Region prangt meist ein Mastercard- oder Visa-Logo auf buntem Grund, daneben ein Name, eine zwölfstellige Zahlenreihe, ein Chip – das war’s. Und dennoch: Ganz Deutschland diskutiert über ein Stück Plastik. Die Karte ist aufgeladen mit Geld. Aber eben auch mit Erwartungen, mit Befürchtungen, Kulturkampf. Dieses Stück Plastik ist politisch. Nur: Wer profitiert wirklich davon?

 

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passiert am 01.04.2024