Vorbereitungen auf Silvester in Berlin: So sollen Feuerwehr und Rettungsdienste besser geschützt werden
Ein internes Papier der Berliner Feuerwehr listet auf, wie ihre Einsätze an Silvester sicher sein sollen. Der Sprecher der Feuerwehr-Gewerkschaft ist skeptisch.
Von Alexander Fröhlich
Die Feuerwehr ergreift zwei Monate vor Silvester erste Maßnahmen zum Schutz der Einsatzkräfte. Grund sind die massiven Angriffe beim Jahreswechsel 2022/23. In einem internen Schreiben der Berliner Feuerwehr vom Dienstag, das dem Tagesspiegel vorliegt, heißt es: „Der Polizeiführer der diesjährigen Silvesternacht hat bereits festgelegt, dass der Schutz der Kräfte von Feuerwehr und Rettungsdienst seine oberste Priorität ist.“ Zuerst berichtete die B.Z. über das Papier.
Die Tagesspiegel-App Aktuelle Nachrichten, Hintergründe und Analysen direkt auf Ihr Smartphone. Dazu die digitale Zeitung. Hier gratis herunterladen.
Deshalb werden die Polizei Berlin auch mehr Beamte einsetzen als beim Jahreswechsel 2022/23. Dazu sollen Einsatzschwerpunkte identifiziert werden. „Eine Einrichtung potenzieller Böllerverbotszonen wird derzeit noch auf politischer Ebene diskutiert und gegebenenfalls durch die Polizei Berlin durchgesetzt“, heißt es in den internen Schreiben.
Weitere Maßnahmen würden noch abgestimmt, darunter „die Begleitung von Einsätzen der Berliner Feuerwehr durch Einsatzkräfte der Polizei Berlin.“ In besonders gefährlichen Bereichen sollen sich die Polizeieinheiten dazu bereithalten.
Daneben sollen Verbindungsbeamte von Polizei und Feuerwehr in die jeweilige andere Einsatzzentrale gehen. Das hatte Polizeipräsidenten Barbara Slowik am Dienstag bei der Pressekonferenz nach dem dritten Gipfel gegen Jugendgewalt angekündigt. Man werde „sehr eng“ abstimmen, wie der Schutz der Rettungsbeamten gewährleisten könne.
Wegner zu Jugendgewalt „In der Silvesternacht werden Recht und Gesetz auf Berliner Straßen gelten“
Zudem ist geplant, dass Einsatzkräfte der Feuerwehr per Handy- oder Tablet-App – „wenn technisch umsetzbar“ – stets das aktuelle „Lagebild Berlin“ einsehen können. Dort sollen zunächst für die Feuerwehrleitstelle, den Einsatzstab und den Führungsstab der Polizei „dynamisch entstehende Gefahrenschwerpunkte“ sichtbar sein. Ob das auch per Fire-App für die Einsatzkräfte möglich ist, ist noch unklar.
Fest steht aber, dass keine Einsatzkräfte der Freiwilligen Feuerwehr oder der Hilfsorganisationen insbesondere in Brennpunkte geschickt werden. So ist es auch bereits wegen der Ausschreitungen zum Nahost-Konflikt seit einigen Tagen geregelt.
„Angedacht“ seien gemeinsame Veranstaltungen von Polizei und Feuerwehr. Dabei sollen Polizisten „zum richtigen Verhalten in gefahrträchtigen Situationen informieren und Empfehlungen zum Umgang danach“ geben.
Wir hätten erwartet, dass konkrete Adhoc-Maßnahmen früher angegangen werden.
Manuel Barth, Sprecher der Deutschen Feuerwehr-Gewerkschaft
Das Einsatznachsorgeteam der Feuerwehr werde in der Silvesternacht verstärkt, heißt es in dem zweiseitigen Schreiben. Neben einer Hotline von 19 bis 7 Uhr werde an Neujahr ein sechsköpfiges Team bereitstehen, „um zeitnah Entlastungsgespräche anbieten zu können“.
Allerdings, so heißt es im Schreiben, dauere der Prozess der Abstimmung weiter an. „Dabei wird im weiteren Verlauf auch an behördenübergreifenden Kommunikationsplänen und Alarmierungswegen gearbeitet.“ Alle vorbereitenden Maßnahmen seien darauf ausgerichtet, „allen eingesetzten Kräften einen sicheren Silvesterdienst zu gewährleisten“. Landesbranddirektor Karsten Homrighausen plant zudem für den 22. Dezember, ein Silvesterbriefing per Video-Konferenz geben.
Manuel Barth, Sprecher der Deutschen Feuerwehr-Gewerkschaft (DFeuG), zeigte sich skeptisch. „Die Silvesterkrawalle sind jetzt zehn Monate her, in zwei Monaten steht der nächste Jahreswechsel an. Wir hätten erwartet, dass konkrete Adhoc-Maßnahmen früher angegangen werden“, sagte Barth. „Was jetzt vorliegt, enthält noch sehr viel Vages.“ Es seien einige Lücken zu füllen. „Wir haben auch unsere Zweifel, wie das Einsatzpersonal bis zum Jahreswechsel von der Polizei geschult werden soll“, sagte der DFeuG-Sprecher.
Mit dem stets aktuellen Lagebild zu den Gefahrenzonen in der Stadt habe die Feuerwehr eine Forderung der Gewerkschaft aufgenommen. Dennoch fehle einiges. Die Deeskalationstrainings müssten konsequent umgesetzt werden.
Zudem müssten Standardeinsatzregeln erarbeitet und umgesetzt werden, etwa zu erwartbaren Szenarien und zum „Verhalten bei Einsätzen mit grundsätzlich erhöhtem Gewaltpotential“. Als Beispiele nannte Barth das „Einfahren und Ausfahren in und aus vermuteten Hinterhalten“, das „Verhalten bei Beschuss und Angriffen auf das Einsatzfahrzeug und die Besatzung“, das Abbrechen von Einsätzen bei wachsender Gefahrenlage und Extra-Kräfte, die die Einsatzstellen und das Umfeld beobachten.
Außerdem müsse geprüft werden, ob „Schutzwesten für besondere Einsatzlagen sinnvoll“ sind. Das System für Notrufe von Einsatzkräften in die Leitstelle müsse nachgebessert werden. Bis Silvester müssten alle Einheiten mit wenigstens einer Bodycam ausgestattet werden.
Vor einer Woche habe er „seitens der Behördenleiter noch keine Entwicklungen erkennen“ können, sagt Barth. „Wir erlebten in der Silvesternacht 2022 Zustände, die nicht zuletzt auch die Bundesinnenministerin an Krawalle der Pariser Vororte erinnerte. Von kriegsähnlichen Zuständen wurde berichtet“, sagte der DFeuG-Sprecher. Hinzu komme nun die Ausdehnung des Nahostkonflikts auf die Straßen Berlins.
„Es gilt, die Handlungsfähigkeit auch in schwierigen gesellschaftspolitischen Lagen sicherzustellen und dazu gehört, dem erhöhten Sicherheitsbedürfnis unserer Kolleginnen und Kollegen Rechnung zu tragen“, sagte Barth. Zu begrüßen sei, dass die Koalition die Forderung nach Dashcams für die Einsatzwagen durchgesetzt habe.
DFeuG-Sprecher Barth äußerte sich auch grundsätzlich: „Es sollte klar sein, dass es man wegen der Krawallmacher in diesen Lagen in bestimmten Bereichen gegebenenfalls länger auf Hilfe von Feuerwehr und Rettungsdienst wird warten müssen.“
Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) hatte sich vor einigen Tagen optimistisch gezeigt, dass Berlin für die nächste Silvesternacht gut gewappnet ist. „Die eine einzige Maßnahme, die das Thema Jugendgewalt und eine friedliche Silvesternacht sicherstellt, die gibt es nicht“, sagte Wegner nach dem dritten Gipfel gegen Jugendgewalt. Aber viele beschlossene Projekte und Vorhaben seien bereits in der Umsetzung.
Mehr zum Thema bei Tagesspiegel Plus
Berliner Rettungsdienst im Ausnahmezustand „Die Feuerwehr ist nicht das hässliche Geschwisterlein der Polizei“
„Wohlfühlzeit für Clans ist vorbei“ Wegner kündigt vor Berliner Sicherheitsgipfel harte Linie an
„Geld allein wird nicht ausreichen“ Psychologe Kazim Erdogan sagt, was Berlin gegen Jugendgewalt tun muss
„Auch in der Silvesternacht werden wie an allen anderen Tagen im Jahr Recht und Gesetz auf Berliner Straßen gelten“, sagte Wegner, „und das werden wir auch durchsetzen mit einer starken Polizei.“ Straftäter werde man schnell ermitteln und bestrafen, kündigte Wegner an. In der Silvesternacht werde es ein „Bereitschaftsgericht vor Ort“ geben, damit Strafen unverzüglich auf Taten folgen könnten.
passiert am 27.10.2023