Nach Bericht über Berliner AfD-Beamten: Plötzlich Linksextremist

Es war ein Bericht über einen Beamten und seine Umtriebe. Denn Kriminalhauptkommissar André G. ist nicht nur AfD-Kommunalpolitiker, sondern geriet auch in Verdacht, Ideologien der Querdenken-Bewegung nahezustehen. Sogar ein Urteil erging schon gegen ihn infolge eines Streits um die Maskenpflicht in der Pandemie.

Doch die Polizei Berlin mauert und gibt keine Auskunft, ob und wie sie gegen G. vorgeht – obwohl der Kampf gegen rechte Tendenzen für Polizeipräsidentin Barbara Slowik Priorität hat. Das Landeskriminalamt (LKA) leitete nach Erscheinen der Tagesspiegel-Recherchen Ermittlungen ein – aber nicht gegen den Polizisten, sondern gegen Tagesspiegel-Reporter Julius Geiler. Er stand plötzlich unter Linksextremismus-Verdacht.

Am 16. Januar um 14.01 Uhr erschien Geilers Beitrag über den Polizisten G. bei Tagesspiegel.de. Der Titel des Artikels lautete: „Zu Geldstrafe verurteilt: Berliner Polizist missbraucht Notruf – wegen Maskenpflicht“. Einige Wochen später stellte der Beamte eine Strafanzeige.

G. warf dem Tagesspiegel-Reporter Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens sowie politisch motivierte falsche Verdächtigung vor. Geiler habe einen Hetz- und Schmähartikel in der Absicht geschrieben, ihn zu schädigen. Denn der könne dazu führen, dass die Polizei ein Disziplinarverfahren gegen G. einleite.

Für den Polizisten ist die AfD die größte wirkliche Opposition

Durch eine Google-Suche und angebliche Zeugenaussagen war für G. klar: Geiler kommt aus dem linksextremen Milieu und der Antifa. Das LKA hat die Vorwürfe des Polizisten ungeprüft übernommen: Der Reporter führe, getarnt als Journalismus, einen Kampf gegen rechts. Er verfasse hetzerische Artikel gegen Parlamentarier und Polizisten mit Parteibuch der AfD, die obendrein die größte wirkliche Opposition sei. All das zeige, dass Geiler Ziele der linken politisch motivierten Kriminalität verfolge.

Prompt ermittelte der Staatsschutz beim LKA, dort das Dezernat „Politisch motivierte Kriminalität – links“. G. sei ein Schaden in Höhe von 10.000 Euro entstanden, wurde vermerkt. G. gab der ermittelnden Staatsschutzbeamtin sogar noch auf, dass an einer Strafverfolgung gegen Geiler ein besonderes öffentliches Interesse bestehe, es gehe schließlich um Hasskriminalität.

Kurios: Die LKA-Beamtin schickte Ende Februar zwei Schreiben an Geiler. In einem sollte er sich als Beschuldigter äußern. In dem anderen Schreiben wurde er als Zeuge geführt. Dabei ging es um eine SMS an G. mit der Bitte um Stellungnahme. Geiler sollte erklären, ob die SMS von ihm und wie er an die Handynummer des Polizisten kam.

Der Polizist hatte mehrfach Streit wegen der Maskenpflicht

Die Ermittlungsakte liegt nun seit zwei Monaten bei der Staatsanwaltschaft. Sie muss entscheiden, wie sie mit dem Fall umgeht. Der Polizist G. macht derweil weiter Dienst. Der Beamte arbeitet bei der Direktion 2 im Westen Berlins als Kriminalhauptkommissar. G. ist dienstlicher Waffenträger und verantwortlich für Kfz-Kriminalität, etwa Autodiebstahl.

Das Amtsgericht Stralsund hatte den Hauptkommissar im Mai 2022 wegen Notrufmissbrauchs zu einer Geldstrafe von 7000 Euro – 100 Tagesätzen zu je 70 Euro – verurteilt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, G. ging in Berufung. Das Landgericht Stralsund muss neu entscheiden. G. wird vorgeworfen, im Sommer 2021 in zwei Fällen unrechtmäßig und anlasslos die 110 gewählt zu haben. Anlass war der Streit um die damalige Maskenpflicht mit dem Personal eines Kurhotels an der Ostsee.

Schon Ende 2020 fiel der Polizist mit Zoff um die Coronaregeln auf. G. sitzt in Falkensee (Havelland) für die AfD in der Stadtverordnetenversammlung. Bei einer Sitzung gab es turbulente Szenen, denn G. wollte keine Mund-Nase-Maske tragen, die Kopie seines Attests wurde nicht akzeptiert. Er rief dann die Polizei. Auch polizeiintern soll G. schon wegen fragwürdiger Äußerungen zu Corona-Maßnahmen und Impfungen aufgefallen sein.

 

Artikel von Alexander Fröhlich, hinter Paywall

passiert am 05.06.2023