Ich komme mit Minirock in dein Fahndungsraster
Der Generalbundesanwalt hat vergangene Woche in Leipzig eine 25-jährige Studentin festnehmen lassen. Lina E. wird vorgeworfen, »eine herausgehobene Stellung« in einer kriminellen Vereinigung von »Linksextremisten«, bei deren Anschlägen gar »das Kommando« gehabt zu haben.
Eine brutale junge Frau, die schwarz vermummten Antifa-Männern sagt, wo es langgeht? Nicht nur bei den Ermittlungsbehörden, sondern auch bei einigen Pressekolleg*innen scheint der Verdacht gegen E. geradezu archaische Fantasien durch die Synapsen gejagt zu haben. So schrieb das Nachrichtenportal »tag24«: »Für manche war sie die schöne, schlanke Studentin mit den dunkelblonden, langen Haaren. Für den Generalbundesanwalt ist sie die Anführerin eines hochorganisierten linken Schlägerkommandos.« Auch bei der »BILD« war man der Auffassung, unter dem Titel »Chef-Chaotin im Mini-Rock zum Richter« zunächst das Äußere der 25-jährigen beschreiben zu müssen: »Rote Fingernägel, schwarzer Mini-Rock, offenes Haar – so steigt Lina E. (25) aus dem Hubschrauber der Bundespolizei.« »Die WELT« titelte mit Lina E. als »Kommandoführerin«.
Das Verfahren, das sich unter anderem um zwei Angriffe auf Neonazis in Eisenach dreht, richtet sich jedoch gegen über ein Dutzend teils bekannte Personen. Mit Lina E. ist nur eine einzige inhaftiert. Gleich mehrfach durchsuchte man ihre Wohnung. Und aus einer ersten Haft wurde die Frau im Juli nach nur sechs Tagen wieder entlassen. Bei vergangenen Ermittlungen gegen Leipziger Linke mussten immer wieder Beschuldigte mangels hinreichenden Verdachts aus der Haft entlassen werden. Hausdurchsuchungen wurden hinterher für rechtswidrig erklärt, »kriminelle Vereinigungen« schließlich doch nicht gefunden.
Das lässt zumindest den Verdacht zu, dass die Behörden auch im Fall der verprügelten Eisenacher Nazis nicht viel mehr als frauenfeindliche Fantasien zu bieten haben. Immerhin herrscht ansonsten republikweit Einigkeit, dass die Entscheidungsstrukturen von Linksradikalen bereits bei der Bestimmung des nächsten Reinigungsstoßtrupps für die Toiletten im Zeckenzentrum überstrapaziert sind.
Doch die Fantasie ist wirkmächtig: NS-Propagandisten machten aus Soldatinnen der Roten Armee bedrohliche »Flintenweiber«, die für die »Entartung« des natürlichen Geschlechterverhältnisses im jüdisch imaginierten Kommunismus standen. Sie mussten dazu nur auf ältere Fantasien über Juden und Frauen zurückgreifen, die in der Bevölkerung längst vorhanden waren, und sie mit dem Kommunismus verknüpfen. Ihnen zufolge ließen sich die unmännlichen Juden von hyperpotenten Jüdinnen dominieren. Die »Juive fatale« oder die »Belle Juive« regten bereits im 19. Jahrhundert die Fantasien der Künstler an, die antijudaistische Bilder malten, um mit erregtem Grusel auf schwarzhaarige Frauen glotzen zu können.
Sie sind eine antisemitische Zuspitzung des jahrtausendealten Archetyps der »Femme fatale«, also des schönen und überlegenen Vamps, der Männer verführt, um sie in zumeist tödliche Fallen zu locken. Freilich sind all diese Fantasien nur Projektionen, mit denen Männer ihre patriarchale Vorherrschaft rechtfertigen. Tödliche Gewalt und mit List, Herrschaft und Mordlust verquickte Sexualität sind und waren ihre Königsdisziplin seit dem Beginn der patriarchalen Phase der Menschheitsgeschichte.
Laut Generalbundesanwaltschaft zeichne sich die Antifa-Gruppe, gegen die ermittelt wird, durch eine »militante linksextremistische Ideologie« aus, die die Ablehnung des »bestehenden demokratischen Rechtsstaates, des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung sowie des staatlichen Gewaltmonopols beinhaltet«. Und weiter: »Vor diesem Hintergrund führte die Vereinigung Angriffe gegen Personen durch, die aus Sicht der Vereinigung der ›rechten Szene‹ angehören.«
Verprügelt also wegen der falschen Meinung? Die Überfallenen rund um Leon R. und seine Kneipe »Bull’s Eye« terrorisieren seit Jahren Eisenach. Verbindungen zur Nazi-Terrorgruppe »Atomwaffen Division« konnten ebenfalls belegt werden. Ein Fall für den Generalbundesanwalt.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1144388.leipzig-ich-komme-mit-minirock-in-dein-fahndungsraster.html
Zwischenüberschrift:
passiert am 14.11.20