Keine Hausbesetzer*innen ins Gefängnis
Feuer allen Gefängnissen
Leere Häuser widerbesetzen
Dienstag, 02. Dezember, 09:00 Aufruf zum Berufungsgericht (Athen, Griechenland)
Am 2. Dezember 2025 stehen unsere Freund*innen vor dem Berufungsgericht, aufgrund ihrer militanten Verteidigung der drei besetzten Häuser in Koukaki(Stadtteil von Athen) im Januar 2020. Die Community von Koukaki wurde 2017 gegründet und bestand aus drei zuvor verlassenen Häusern (Matrozou 45, Panaitoliou 21, Arvali 3), die durch kollektive Arbeit bewohnbar gemacht wurden und etwa drei Jahre lang als Wohnraum und als Zentrum des Anarchistischen Kampfes dienten. Die Türen der Häuser standen allen offen, die sich gegen staatliche Gewalt und Ungerechtigkeit wehren wollten, allen, die eine Unterkunft oder die Strukturen der sozialen Solidarität der Gemeinschaft benötigten, allen, die eine kollektive Lebensweise wünschten, sowie Nachbarn und Nachbarinnen. Neben Plena und politischen Veranstaltungen gab es in den besetzten Häusern auch eine Reihe von festen Strukturen: eine solidarische Bibliothek, sowie solidarische Duschmöglichkeiten, Waschmaschinen sowie einen Freeshop. Die Gemeinschaft beteiligte sich an der Hausbesetzungsszene sowie dem Antifaschistischen Kampf, war in Solidarität mit politischen Gefangenen, gegen patriarchale Gewalt, Patriarchat, Rassismus, Ausbeutung der Natur, gegen die Gentrifizierung und Touristifizierung von Koukaki, gegen die Privatisierung des Filopapou-Hügels und vieles mehr. Innerhalb dieser drei Jahre wurden die Häuser der Gemeinschaft immer wieder zum Ziel faschistischer Angriffe (3 Brandanschläge in Panaitoliou), sie wurden geräumt, wobei die Polizeikräfte alle Arten von Repression (Schläge, Plastikgeschosse, Schallgranaten, Chemikalien) gegen die Freund*innen einsetzten, um sie aus ihren Häusern zu vertreiben, sowie gegen jede andere Person, die sich dem allgemeinen staatlichen Angriff auf besetzte Häuser in den Weg stellte. Die Häuser der Gemeinschaft verfallen bis heute, fünf Jahre nach den letzten Räumungen. Währenddessen organisierte der Staat ihren Verkauf an Immobilienunternehmen, um sie in extrem teure und luxuriöse Wohnungen zu verwandeln, in dem mittlerweile vollständig touristifizierten Stadtteil Koukaki. Die Bewohner*innnen der Community verteidigten sich aktiv gegen alle Räumungen der Polizei. Insbesondere die Besetzung der Besetzung Matrozou, welches bereits 2018 und 2019 (parallel mit den Räumungen von Panaitoliou und Arvali) geräumt wurde, verteidigte sich dabei immer wieder militant, so auch in der Widerbesetzung des Gebäude im Jahr 2020 für welche die Freund*innen nun aufgrund ihrer politischen Entscheidung der Verteidigung angeklagt wurden.
In den kommenden Wochen stehen zwei Gerichtsverfahren gegen unsere Freund*innen an, die die Häuser der Koukaki Besetzungs Community verteidigt haben. Am 29. Oktober stehen die beiden Hausbesetzer* vor Gericht, die das Haus in der Panaitoliou-Straße nach einer Polizeiaktion im Jahr 2019 verteidigt haben. Und im Dezember werden die Hausbesetzer, die das Haus Matrozou 45 während der Wiederbesetzung des Gebäudes im Jahr 2020 verteidigt haben, in zweiter Instanz vor Gericht gestellt. Wie schon in den bisherigen Gerichtsverfahren werden unsere Freund*innen ihre politischen Positionen, ihre Beziehungen, die Kämpfe, für die sie gekämpft haben, und die Strukturen, die sie geschaffen haben, verteidigen.
Die Forderung nach Inhaftierung unserer Freund*innen kam offiziell und öffentlich von den politischen Behörden. Aufnahmen von der Räumung überschwemmten die Massenmedien,während in offiziellen Erklärungen eine exemplarische Bestrafung der Genoss*innen gefordert wurde. Diese offiziellen Erklärungen kamen auch vom Premierminister K. Mitsotakis und dem Leiter des Ministeriums für Zivilschutz, M. Chrysochoidis. Die politischen Behörden ergriffen zusätzliche Maßnahmen, um unsere Freund*innen strafrechtlich zu verfolgen: Die Polizei reichte weniger als einen Monat nach der gescheiterten Show während der Räumung von Matrozou 45 Klage gegen unsere Freund*innen ein, als einer der Nachbarn der Besetzung namens Indares auf seinem Dach zusammengeschlagen wurde, nachdem die Polizei die Besetzer*innen im Haus nicht finden konnte. Darüber hinaus war eine der Anwaltskanzleien, die den Fall zusammen mit den zufällig ausgewählten Verteidigern der Polizei übernahm, die Kanzlei Plevris*. Varela, Plevris’ Kollegin und Parlamentskandidatin der Partei Neue Demokratie*, versuchte, die Zivilklage gegen die Hausbesetzer*innen zu unterstützen, diese wurde aber später vom Gericht abgewiesen. Am Tag nach der Verhandlung log sie jedoch öffentlich in den Massenmedien über das Ergebnis der ersten Instanz, um aus dem Fall politischen Kapital zu schlagen. Als ob all dies noch nicht genug wäre, reichten die Vertreter der griechischen Polizeikräfte erneut eine Klage und eine Beschwerde bei der Staatsanwaltschaft ein, weil diese die Angeklagten nicht wegen versuchten Mordes strafrechtlich verfolgt hatte. Die jüngste Entwicklung, die die Feindseligkeit des Staates gegenüber unseren Freund*innen deutlich macht, ist die im August eingereichte Klage. Darin werfen sie unseren Freund*innen vor, Polizeiuniformen beschädigt zu haben, und fordern eine finanzielle Entschädigung.
Das Ergebnis all dessen ist die Verhängung der maximalen Strafe durch das Gericht in erster Instanz, das unsere Freund*innen zu 6,5 Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt hat. Dies gilt, obwohl keinem der Freund*innen individuell einer Straftat zugeordnet werden kann. In einem anderen Gerichtsverfahren wurden drei der Polizisten, die Klage gegen unsere Freund*innen erhoben hatten, wegen Körperverletzung und schwerer Verletzung einer älteren Person strafrechtlich verfolgt. Diese Polizisten wurden jedoch freigesprochen, weil der ältere Mensch „nicht genau identifizieren konnte, wer ihn geschlagen hatte”. Im Gerichtsverfahren von Koukaki verurteilten die Justizbehörden unsere Freund*innen zu 6,5 Jahren Haft mit einer in letzter Minute ausgesprochenen Aussetzung der Strafe bis zur Berufung, obwohl die Polizisten nicht erkennen konnten, wer was getan hatte.
Dieser spezielle Fall ist nicht nur deshalb wichtig, weil er die repressive Politik und Obsession des Staates gegen Hausbesetzungen ans Licht bringt, sondern auch, weil die Möglichkeit einer Inhaftierung unserer Freund*innen einen Präzedenzfall für die Umsetzung der Strenge des neuen Strafgesetzbuches schaffen wird, die die Tür für die Möglichkeit einer Inhaftierung einer größeren Gruppe von Menschen öffnet, selbst bei Ordnungswidrigkeiten.
Das neue Strafgesetzbuch erhöht insgesamt die Höchststrafen und beschränkt gleichzeitig die Bedingungen für die Gewährung einer Aussetzung oder Erlassung eines Teils der Strafe. Infolgedessen wird es auch bei Vergehen (z. B. tatsächliche Verbüßung der Strafe bei Verurteilungen von 1 bis 3 Jahren) zwingend vorgeschrieben, die Strafe ganz oder teilweise zu verbüßen, was zu einer Normalisierung von Freiheitsstrafen führt. Nicht nur wird es für viele Menschen leichter, inhaftiert zu werden, sondern auch der Strafvollzug wird noch brutaler, da die Dauer der tatsächlichen Verbüßung der Strafe verlängert wird (dies wird beispielsweise durch strengere Bedingungen für die vorzeitige Entlassung, unabhängig vom Ablauf der Haftzeit, und durch die Einschränkung der Kommunikations- und Freigangsrechte der Gefangenen durchgesetzt).Das neue Strafgesetzbuch steht dabei in Verbindung mit dem jüngsten Einwanderungsgesetz. Es spiegelt sich in den Bestimmungen wider, die das Fehlen von Rechtsdokumenten für Migranten zu einer Straftat machen, in der Wiedereinführung der Abschiebung von Ausländern als „Sicherheitsmaßnahme” (eine Bestimmung, die zuvor abgeschafft worden war), in der administrativen Abschiebung, die nun sogar vor einer gerichtlichen Entscheidung erfolgen kann, in der Erhöhung der Geldstrafe für fehlende Dokumente und in der Verlängerung der Haftdauer von Migranten in Haftanstalten. Es ist völlig klar, dass das neue Strafgesetzbuch des Staates immer mehr Praktiken des Überlebens und des Widerstands unter Strafe stellt und den Kreis der sozialen Gruppen, denen eine Inhaftierung droht, zunehmend erweitert. Obwohl der Fall unserer Freund*innen wegen der Wiederbesetzung von Matrozou nach den Bestimmungen des alten Strafgesetzbuches verhandelt wurde, fand er in der Zeit statt, in der das neue Strafgesetzbuch in Kraft trat.
Die Räumungen der Häuser der Koukaki Besetzungs Community fanden nicht isoliert statt, sondern waren Teil eines organisierten Plans zur Unterdrückung aller besetzten Orte im ganzen Land, mit dem Ziel die anarchistische Bewegung zu schwächen. Die berüchtigte 15-tägige Frist, die den Besetzern durch Chrysochoidis’ bekanntes „Ultimatum” gesetzt wurde, alle Besetzungen aufzugeben oder zu legalisieren, blieb ungehört. In der folgenden Zeit kam es zu Wiederbesetzungen, neuen Hausbesetzungen und einer Welle der Solidarität mit den Verteidigern der Häuser des Kampfes. Der repressive Plan gegen Hausbesetzungen (von Migranten, politischen Gruppen, Wohnungslosen) wurde begleitet von einem Gesetz zur Einschränkung von Demonstrationen, präventiven Verhaftungen und einem Bewegungsverbot während der Quarantänezeit, wodurch die von den Abgeordneten proklamierte Doktrin von Recht und Ordnung etabliert wurde. Eine Doktrin, die durch das Konzept der „nationalen Sicherheit” ergänzt wird, in dessen Namen Migranten an den Grenzen ermordet werden, während die Zahl der Gefängnisinsassen aufgrund unbegründeter und erfundener Anschuldigungen rapide ansteigt (z.B. der Fall von A. Floros, die beiden freiwilligen Feuerwehrleute aus Patras usw.). Die Angriffe auf Hausbesetzer*innen und diejenigen, die sie verteidigen und für eine selbstorganisierte und anti- autoritäre Gesellschaft kämpfen, gehen Hand in Hand mit der Verschärfung des neuen Strafgesetzbuches und der weiteren Entwertung unseres Lebens (z. B. Inflation, individuelle Arbeitsverträge und 13 Stunden Lohnsklaverei, Einschränkung der Gewerkschaftsrechte, Disziplinarmaßnahmen und Ausschluss von Studierenden, Privatisierung im Gesundheits-, Bildungs- und öffentlichen Verkehrssektor, die Wohnungskrise, die Übergabe öffentlicher Räume an private Eigentümer und die Zerstörung der natürlichen Umwelt). Hausbesetzer*innen und die Menschen, die sich um sie herum organisieren, werden immer zu den „inneren Feinden” des Staates gehören, da wir zwei Welten sind, die aufeinanderprallen. Angesichts staatlicher Morde Bsp. In Tempi und Pylos, des Völkermords in Palästina und zwischenstaatlicher Interessen kämpfen wir für eine Welt ohne Kriege, Grenzen und Staaten. Angesichts von Morden durch Polizisten und Bosse z. B. die Fälle Sampanis, Fragoulis, Manioudakis, Kariotis, reagieren wir mit Wut und kämpfen für eine Welt ohne Spaltungen und Diskriminierung. Dies sind politische Haltungen, die in Hausbesetzungen gedeihen und eine andere Welt verkörpern.
Besetzungen adressieren soziale Bedürfnisse
Besetzungen finden kollektive Lösungen für scheinbar individuelle Bedürfnisse. Wohnen, Strom, Wasser, Lebensmittel und Kleidung sind einige der Grundbedürfnisse, die in Besetzungen kollektiv erfüllt werden. Darüber hinaus werden bestimmte Räume für Gesundheitsstrukturen (z. B. dieselbstorganisierte Gesundheitsstruktur Exarcheia) oder Produktionsstrukturen (z. B. VIOME) sowie für DIY-Musikstudios usw. Genutzt. In diesen Räumen versuchen wir, ein Umfeld der Selbstverteidigung gegen geschlechtsspezifische, rassistische und alle Formen autoritärer Gewalt zu schaffen. Sie sind lebendige Beispiele für den kollektiven Ausdruck von Selbstorganisation, Solidarität und gegenseitiger Hilfe gegen die kapitalistische Lebensweise.
Besetzungen sind Werkzeuge des Widerstandes
Es handelt sich um Räume für die Organisation politischer und sozialer Kämpfe (Treffen, Plena, Veranstaltungen, Einrichtungen, Lagerung von Materialien, Unterkünfte, Stützpunkte für Angriffe). In Stadtvierteln dienen sie oft als soziale Zentren. Wir beziehen uns dabei nicht nur auf politische und Wohnräume der Bewegung und anderer marginalisierter Gruppen wie Migranten. Wir beziehen uns auch auf Hausbesetzungen als Mittel des Kampfes in sozialen/politischen Mobilisierungen, wie z. B. Hausbesetzungen im Rahmen von Generalstreiks oder Hungerstreiks, Hausbesetzungen aus Solidarität mit Palästina, Hausbesetzungen an Universitäten und Schulen, Besetzungen von Produktionsmitteln und Landbesetzungen gegen die Plünderung der Natur. Der radikale Charakter von Besetzungen liegt darin, dass sie das Eigentumsrecht in Frage stellen und aus diesem Grund vom Staat, solange sie existieren, immer als illegal behandelt werden.
Besetzungen sind eine Realisierung für das was wir kämpfen im hier und Jetzt Die politischen Positionen der Gleichheit, Horizontalität, Freiheit, Solidarität, Selbstorganisation, Inklusion und der Kampf für eine andere Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung finden in Besetzungen Raum, um Wirklichkeit zu werden. In besetzten Häusern lernen wir zuzuhören, zu diskutieren, einen Schritt zurückzutreten und einander zu respektieren. Wir warten nicht darauf, dass sich die Bedingungen von selbst verbessern, sondern nehmen unser Leben selbst in die Hand, „im Hier und Jetzt“.
Im Angesicht der Gewalt von Staat und Gesetz, bleiben wir ungehorsam Unsere Gerechtigkeit ist sozial, nicht juristisch. Sie entsteht auf den Straßen und in den Orten des Kampfes, nicht in Gerichtssälen, die systematisch die Werte der Herrschaft reproduzieren, soziale und klassenbezogene Unterdrückung aufrechterhalten und täglich Vergewaltiger, Politiker und uniformierte Mörder reinwaschen. Deshalb kann die Verteidigung von Hausbesetzungen nicht separat von der gesamten politischen Aktivität gesehen werden. Die Strafverfolgung und Verurteilung unserer Genoss*innen zu 77 Monaten Haft zielt darauf ab, die gesamte Hausbesetzer*innenbewegung zu terrorisieren und ein Exempel zu statuieren. Wie im Fall der Koukaki Besetzungs Community führte die repressive Behandlung der Genoss*innen von „Steki Viologiko” zu ihrer Verurteilung zu 61 und 41 Monaten Haft. Die politische Position der Hausbesetzung in einer Welt, in der freie Räume ständig eingeschränkt werden, ist trotz der politischen Repressionen gegen Hausbesetzer*innen relevanter denn je. Dem Klima der Repression zum Trotz sind neue Hausbesetzungen entstanden, es gibt Wiederbesetzungen, und es entstehen immer wieder neue Hausbesetzer*innen-Gemeinschaften.
Angesichts der gerichtlichen und finanziellen Erpressung sowie der Möglichkeit der Inhaftierung unserer Freund*innen verteidigen wir unsere Entscheidungen, unsere Räume und unsere politischen Positionen. Der zunehmenden Repression und Überwachung setzen wir Gemeinschaften und Solidarität entgegen. Angesichts zunehmender Not und Vereinzelung stehen wir enger zusammen.
Bis zum Abriss des letzten Gefängnisses.
Alle zum Berufungsgericht (EFETEIO) am Dienstag den 2. Dezember um 09:00
Keine Besetzer*innen ins Gefängnis
Solidarität mit der Community der besetzten Häuser in Koukaki
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