10 Jahre Mietrebellen – Rückblick und Ausblick

Im Jahr 2014 entstand der Film „Mietrebellen“. Spurensuche bei einem Kiez-Ratschlag.
2014 haben Matthias Coers und Gertrud Schulte Westenberg mit dem Film „Mietrebellen“ nicht nur den vielfältigen Kampf um das Recht auf Wohnen in Berlin dokumentiert. Sie haben mit dem Titel auch den vielen Menschen einen Namen gegeben, die einfach nicht aus ihren Wohnungen verdrängt werden wollten.
Was ist aus den Mietrebell/innen geworden, die vor mehr als 10 Jahren im Film, der in 25 Ländern aufgeführt wurde, zu sehen waren? Mit dieser Frage befassten sich Teilnehmer/innen eines Ratschlags Anfang April 2025 im Kiezhaus Agnes Reinhold. Darunter auch drei Betroffene, die damals zu den Besetzer/innen des Hauses Stille Straße 10 in Pankow gehörten. Damit wollten sie die Schließung ihres Seniorentreffpunkts verhindern.
Die Aktion hat seinerzeit für viel Aufmerksamkeit gesorgt. Schließlich werden in Deutschland Besetzungen noch immer als Jugendkultur eingestuft. Die drei Senior/innen sind heute noch stolz auf ihre Aktion, mit der sie verhindert haben, dass die Einrichtung geschlossen wurde. Unter dem Dach der Volksfürsorge existiert so bis heute eine Begegnungsstätte für Jung und Alt in der Stillen Straße.
Über ihren Kampf berichtet das Buch „Die unbeugsamen Alten der Stillen Straße 10“, das in der Reihe Rohnstock Biografien erschienen ist. Auf der Titelseite des Buches findet sich ein Foto mit der Szene, die auch im Film Mietrebellen zu sehen ist. Ein knappes Dutzend Senior/innen, überwiegend Frauen, halten fröhlich lachend ein Transparent mit der Parole „Dieses Haus ist besetzt“ in die Höhe. Die Aktion wurde zum Vorbild für andere Betroffene. 2012 protestierten auch in der Palisadenstraße Senior/innen gegen massive Mieterhöhungen. Die Initiative nannte sich „Palisadenpanther“ mit Bezug auf die Seniorenorganisation Graue Panther. Damals traf man auf vielen Mietenprotesten den Grauen Block, Senior/innen, die gegen ihre Verdrängung kämpfen.
Immer neue „Mietrebell/innen“
2013 hat der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg mit dem Eigentümer der Einrichtung dann eine Vereinbarung geschlossen, die vorsah, dass die Mieter/innen zu bezahlbaren Konditionen in ihren Wohnungen bleiben konnten. Wie die unbeugsamen Alten aus der Stillen Straße haben auch die Palisadenpanther einen Erfolg erzielt. Aber genau diese kleinen Siege der Mietrebellen werden oft zu schnell vergessen oder gar nicht vermittelt. So entsteht der Eindruck, die Berliner Mietenbewegung wäre gescheitert. Dieser falsche Eindruck stellt sich ein, wenn nur auf die schwankenden Teilnehmerzahlen der Großdemonstrationen geblickt wird.
Doch die Grundlage der Berliner Mietrebell/innen sind solidarische Nachbarschaften, die sich gemeinsam gegen Mieterhöhungen und Verdrängung wehren. Im Film spielen sie die zentrale Rolle. Beim Ratschlag wurde deutlich, dass es diese solidarischen Nachbarschaften noch immer gibt. So berichtete Timo Steinke von der Initiative „Wem gehört der Laskerkiez?“ über die mehr als vierjährige Arbeit in ihren Stadtteil. Luxusneubauten, wie z. B. den Ostkreuz-Campus konnten sie nicht verhindern. Doch durch die nachbarschaftliche Solidarität wurde die Kündigung von kleinen Läden im Kiez zurückgenommen. Viele Mieter/innen wandten sich bei Problemen mit den Eigentümern an die Initiative.
Von der Bedeutung nachbarschaftlicher Solidarität berichtete auch eine Mieterin des Hafenplatzes. Dort sollte 2024 günstiger Wohnraum abgerissen werden. Die Bewohner/innen wehrten sich mit der Parole „Hafenplatz bleibt“. Mittlerweile sind die Abrisspläne vom Tisch. Doch die Zukunft der Bewohner/innen ist noch längst nicht gesichert. Über eine längerfristige Organisierung von Mieter/innen sprachen Andreas Hüttner vom MieterEcho, Karin Baumert vom Bündnis Zwangsräumung verhindern sowie Aktive des Bündnisses Mietenwahnsinn und der Mieter/innengewerkschaft.
Der Ratschlag zeigte, es gibt sie noch, die Berliner Mietrebell/innen. Und besonders erfreulich: Immer wieder kommen neue dazu. Wie sagte eine der Seniorinnen aus dem Film Mietrebellen: „Warum wir alte Leute noch mal demonstrieren müssen, das ist mir wirklich ein Rätsel. Aber wir müssen.“
MieterEcho 450 / Juni 2025
https://www.bmgev.de/mieterecho/archiv/2025/me-single/article/rueckschau-und-ausblick/
passiert am 04.04.2025