6. Dezember Athen, Angriffe auf Unterdrückungskräfte nach Demo

Zum 16. Mal wurde zu einer Demonstration anlässlich des Jahrestages der Ermordung von Alexis Grigoropoulos aufgerufen. Auch im ausklingenden Jahr 2024 verloren erneut zahlreiche Menschen durch Organe des griechischen Staates ihr Leben; unzählige Migrant*innen, die für die Öffentlichkeit Namenlos bleiben, ertranken an den Seegrenzen. Aus Polizeistationen und Gefängnissen wurden einige mysteriöse Todesfälle von Gefangenen bekannt, wobei der Foltertod von Mohammed Kamran Asik in der Wache Agios Panteleimon das meiste Aufsehen erregte. Erst am 5. Dezember kam, wie in den letzten drei Jahren im Herbst, ein Mitglied der Roma community, diesmal aus Zefyri, bei einer Verfolgungsjagd durch die Polizei ums Leben.

Die Demonstration war größer als in den Vorjahren, sicher mehr als 5.000 Teilnehmer*innen. Das könnte an dem Wunsch vieler liegen, sich zum Tod von Kyriakos Xymitiris am 31. Oktober zu verhalten und Solidarität mit den Gefangenen in diesem Verfahren zu bekunden. In Sprechchören wurde u.a. Freiheit für Nikos Romanos gefordert. Eine Liste der Aufrufe findet sich hier.

Die Wut in der Gesellschaft war in letzter Zeit oft unsichtbar, eine Bildungsreform zur Zulassung privater Unis wurde im März nach kleineren Scharmützeln vor dem Parlament durchgedrückt. Beklagt wird jedoch von den betroffenen Behörden der verheerende Brandanschlag auf das Rektorat der NTUA in Zografou am 8. November.

Tausende neuer Kameras sollen in Athen bald automatisch Gesetzesverstöße ahnden und die weitläufigen Unigelände erhalten Thermalkameras. Die letzten Generalstreiks verliefen trotz stetiger Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und vielen Arbeitsunfällen eher enttäuschend. In den Aufrufen wurde sich auch auf diese Themen bezogen.

Auf der gestrigen Demonstration war der anarchistische Frontblock groß, lief aber ohne jeden Zwischenfall die übliche Runde durch das Zentrum. Das lag auch an dem engen Spalier durch MAT, laut Presse waren 5.000 Beamte im Einsatz. Zuvor war eine Gruppe von Mitgliedern des Prosfygika Squat auf dem Weg zum Auftaktort festgenommen worden. Dies mit der Begründung des Präventivgewahrsams, ein inflationär benutztes Instrument des Regimes.
Beim Abbiegen der Demo nach Exarchia blieb das Spalier zurück und umgehend wurde angefangen einige Straßen zu verbarrikadieren. Das geschah in der weiteren Umgebung der Kreuzung von Tzavella und Messologiou, der Ort an dem Alexis vom Bullen Korkoneas erschossen wurde. Das Viertel, sonst oft nur noch ein Themenpark für grölende Tourihorden und Hipster, leerte sich schnell. Der Großteil der Demo löste sich auf und die verbliebenen Menschen gedachten Alexis und Kyriakos dem Tenor des ersten Textes der Assembly im Ambelokipi Fall entsprechend:

„Wir werden die Erinnerung an ihn sowohl für immer in unseren Herzen bewahren und verteidigen, als auch in jedem Moment unseres Kampfes. … Genosse, wir sprechen uns wieder auf den Wegen des Feuers, wo Du für immer leben wirst.“

Die schnell von allen Seiten anrückenden Einheiten von MAT und DELTA wurden sofort angegriffen bevor die Kräfteverhältnisse einen Rückzug erforderlich machten. Dabei zeigte sich, das Exarchia doch noch nicht hoffnungslos verloren ist, sondern etliche ältere Bewohner*innen das Feuer in den Straßen begrüßen und bereit sind Haustüren zu öffnen. Von Dächern fielen noch eine Weile Steine und Molotovs, begleitet vom Kreisen des Hubschraubers und und zweier Drohnen. Anschließend drangen OPKE Beamte in ein Haus ein, ohne jedoch Verdächtige anzutreffen. Bekannt geworden sind bisher 96 Ingewahrsamnahmen und 10 Verhaftungen. Am Tag danach wurde der Kiez bereits wieder von Konsument*innen, die unter rasender Langeweile leiden dominiert. Einen juristischen Zwischenerfolg erreichte der Kampf gegen die Metro Station in Exarchia. Auf Klage von Anwohner*innen muss der Absperrzaun etwas zurückgenommen werden, weil weder Rettungs- noch Feuerwehrfahrzeuge einige Häuser anfahren können. Die Metro Firma behauptet dann die Station nicht bauen zu können.
In Thessaloniki gab es ebenfalls Zusammenstöße, mit wesentlich mehr Verhaftungen, gemeldet sind 112.

Während das Bekenntnis zu Kyriakos und den Gefangenen sowie das diffuse Einfordern von Gerechtigkeit bei staatlichen Morden vielen Menschen ein Bedürfnis ist, setzt sich momentan die Angst durch, wenn es zum direkten Zusammenstoß mit den Unterdrückungskräften kommt. Das wird von Einigen offen eingeräumt und von anderen hinter politischen Bedenken versteckt. Tatsächlich sind die griechischen Bullen inzwischen bei Riots sehr schnell geworden und die Gesetze wurden massiv verschärft. Ob es der Bewegung gelingt, sich zu den Subjekten der Solidarität, also Gefangene, Migrants, Gefallene und Ermordete etc. in ein konsequentes Verhältnis zu setzten, ist die spannende Frage. Auf internationaler Ebene könnte es darum gehen, die griechischen Interessen zu beeinträchtigen um die Freilassung von Marianna, Dimitra, Dimitris, Nikos und dem 5. Verhafteten zu erreichen.

(Die Fotos sind aus der Presse, Videos see https://xcancel.com/partizanGreece1)

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passiert am 06.12.2024