Steuertrick bei Vonovia – Berlin entgehen Hunderte Millionen Euro
Dem Land Berlin entgehen durch einen legalen Trick des Immobilienkonzerns Vonovia hunderte Millionen Euro an Steuereinnahmen. Hintergrund ist Vonovias Ankündigung, nach der Mehrheitsübernahme an der Deutsche Wohnen 2021 nun auch noch die verbleibenden Anteile der Firma erwerben und das Unternehmen von der Börse nehmen zu wollen. Dadurch würde die Beteiligung von Deutschlands größtem Wohnungskonzern an der einstigen Nummer zwei in Deutschland auf über 90 Prozent steigen. Das Unternehmen würde bei diesem Schritt gesetzlich dazu verpflichtet, doch noch Grunderwerbssteuer auf den 2021 gekauften Immobilienbestand der Deutsche Wohnen zu zahlen.
Vonovia hatte für den Megadeal seinerzeit etwa 19 Milliarden Euro für die gut 150.000 Wohneinheiten der Deutsche Wohnen bezahlt, von denen sich rund 113.000 im Großraum Berlin befanden. Entsprechend hätte der Konzern den Großteil der fälligen Grunderwerbssteuer von mehreren hundert Millionen Euro an Berlin entrichten müssen. Umgehen konnte Vonovia dies jedoch durch ein legales Steuerschlupfloch: den Sharedeal. So erwarb der Konzern bewusst nicht die Immobilien der Deutsche Wohnen, sondern lediglich 87 Prozent der Anteile an dem Unternehmen und damit an deren Immobilienpaket. Da die gesetzliche Obergrenze von 90 Prozent bei Sharedeals daher nicht erreicht wurde, wurden für den Milliardendeal keinerlei Steuern fällig.
Durch die nun geplante Komplettübernahme drohte dieser Trick ins Wanken zu geraten. Denn bei der gesetzlichen Regelung gilt eine zehnjährige Frist, in der der Besitz-Anteil die 90-Prozent-Marke nicht überschreiten darf. Um das zu verhindern, hat Vonovia gegen mehr als eine Milliarde Euro Zahlung 20 Prozent seiner Anteile an der Deutsche Wohnen in ein neues Joint Venture mit dem Finanzinvestor Apollo eingebracht. Vonovias Anteil an der Deutsche Wohnen sinkt damit zunächst auf nur noch 67 Prozent.
Der Konzern kann damit nun auch die restlichen Stücke der eigenen Tochter erwerben, ohne Gefahr zu laufen, dafür Steuern zahlen zu müssen. Die Firma selbst macht aus dem Plan keinen Hehl. „Es soll eine Struktur geschaffen werden, die es ermöglicht, die Zahlungen einer Grunderwerbsteuer zu vermeiden“, hatte ein Sprecher zuletzt dem Handelsblatt bestätigt. Eine Unternehmenssprecherin bezeichnete den geplanten „Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag“ mit der Deutschen Wohnen als „logischen letzten Schritt hin zu einem einheitlichen Unternehmen.“ Das reduziere die Komplexität, erhöhe die Geschwindigkeit von Entscheidungen und stärke die Rechtssicherheit. „An der Anzahl der Aktien ändert sich im Wesentlichen nichts“, sagte sie. „Es findet lediglich bei den anderen Anteilen ein Wechsel der Eigentümer statt.“
Kritik am legalen Schlupfloch
Führende Landespolitiker äußern Kritik an dem legalen Schlupfloch. Die geltenden Steuergesetze erlaubten dies, zeigte sich der haushaltspolitische Sprecher der Berliner CDU-Fraktion, Christian Goiny, enttäuscht. „Ich würde mich als Berliner Haushaltspolitiker freuen, wenn wir eine Regelung gehabt hätten, mit der sich durch solche Geschäfte auch die Einnahmensituation des Landes Berlin verbessern würde.“ Er forderte die Bundesregierung auf, das Steuerschlupfloch bei Immobiliendeals zu schließen. „Die Möglichkeit der Umgehungstatbestände bei der Grunderwerbssteuer sollte aufgehoben werden“, forderte er.
„Wir sehen Sharedeals kritisch“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Torsten Schneider. „Wohin das führt, sehen wir in diesem Fall: klare Einnahmeverluste für das Land Berlin.“ Schneider ergänzte jedoch, dass Vonovia mitunter sogar verpflichtet sei, die Steuerzahlung zu umgehen, da sie im Interesse ihrer Aktionäre handeln müssten. Die von Stefan Evers (CDU) geführte Finanzverwaltung könne sich aufgrund des Steuergeheimnisses nicht zu konkreten Einzelfällen äußern, teilte eine Sprecherin mit. Die Senatsverwaltung für Finanzen setze sich jedoch „im Rahmen ihrer Möglichkeiten auf Bundesebene gegen die Vermeidung der Grunderwerbssteuer mittels Share Deals ein“.
Deutlicher wird der haushaltspolitische Sprecher der Berliner Linksfraktion, Sebastian Schlüsselburg. „Sollte Vonovia den Kauf der Deutschen Wohnen als Sharedeal durchziehen, wäre das ein unfassbarer Betrug gegenüber dem Staat und den Steuerzahlern“, sagte er dem Tagesspiegel. Es zeige sich erneut, dass private Wohnungskonzerne nicht nur die Mieter ausnähmen, sondern auch das Gemeinwesen um die ihm zustehenden Steuern betrüge. Schlüsselburg forderte die Berliner Staatsanwaltschaft auf, zu prüfen, ob ein strafrechtlicher Anfangsverdacht bestehe. „In jedem Fall müssen SPD und Grüne im Bund unverzüglich für ein gesetzliches Verbot sorgen. Der Senat muss Vonovia aus dem Wohnungsbündnis ausschließen und endlich den Volksentscheid umsetzen.“
passiert am 10.10.2024