„Eine Bevölkerung zu regieren heißt, Krieg gegen sie zu führen“ – Interview mit den Autoren des Konspirationistischen Manifests

Vor vier Jahren löste die Ankunft der Covid-19-Pandemie in Frankreich eine Reihe von Gesundheitsmaßnahmen aus, um sie einzudämmen. Von Einschließungen über Ausgangssperren, Schließungen öffentlicher Orte bis hin zu Gesundheits- und Impfpässen war es oft der polizeiliche Aspekt des Umgangs mit der Pandemie, der den rein gesundheitlichen Aspekt überlagerte, ohne dass dies enorme Protestwellen auslöste. In einem Versuch, diese Verblüffung abzuwenden, stellt das Konspirationistische Manifest (veröffentlicht 2022) die Bewältigung der Covid-Krise in einen langfristigen Kontext: den der Arbeit, die von zahlreichen Institutionen geleistet wird, um die Meinung zu manipulieren und die Massen zu konditionieren.

Wir teilen einige Analysen mit diesem wuchtigen und sehr gut recherchierten Buch und wollten einige Punkte (über Verschwörungstheorien, die Schädlichkeit des Virus oder die extreme Rechte) klarstellen. Denn wenn ein Buch wie dieses veröffentlicht wird (und dann wieder depubliziert wird, wie man im Interview unten erfährt), muss es zur Debatte gestellt werden – ihm mit stiller Verachtung zu begegnen, wäre lächerlich. Aus diesem Grund haben wir eine Reihe von Fragen an die Autoren gerichtet. Wenn man ihre Antworten liest, besteht unsere größte Meinungsverschiedenheit in den Gefahren einer Position der Gegenexpertise. Wir halten es nicht für notwendig, sich auf hochspezialisierte medizinische Studien zu stützen, um politische Fragen zu beantworten, genauso wie wir es für möglich halten, politische und sogar radikale Positionen zu beziehen, ohne sich auf irgendeine „Wahrheit“ zu berufen. Viel Spaß beim Lesen!

(Übersetzung von https://collectifruptures.wordpress.com/2024/09/10/gouverner-une-population-cest-lui-livrer-la-guerre-entretien-avec-les-auteurs-du-manifeste-conspirationniste/)

– Das Manifest ordnet das Covid-Krisenmanagement mit seinen Anstupsern, Bescheinigungen, Ausgangssperren und Kommunikationsmaßnahmen in eine lange Geschichte ein: die Arbeit zahlreicher Institutionen (allen voran der Staaten) im 20. Jahrhundert Können Sie die Grundzüge dieses „social engineering“ skizzieren?

Das Trauma, so ein gewisser Freud, entsteht durch die Verbindung von Schrecken und Überraschung. Alle Arten von Regierungsdokumenten, die seither veröffentlicht wurden[1], belegen, dass das Covid-Krisenmanagement sowohl in China als auch in Europa bewusst mit diesen beiden Hebeln gearbeitet hat. Es handelt sich hierbei um die Herstellung eines Massentraumas durch die Machthaber in ganzen Ländern. Wie meist nach einem Trauma herrscht seither Schweigen über die Episode, eine dumpfe Weigerung, sie wieder aufzugreifen, ein verlegenes Ausweichen bei ihrer Erwähnung und schließlich eine plötzliche, zittrige Verletzlichkeit gegenüber allem, was sie reaktiviert – die QR-Codes für die Olympischen Spiele, eine neue Impfkampagne, die Erpressung mit dem sozialen Tod bei jedem, der es wagt, den aufgezwungenen Konsens über den Krieg in der Ukraine, die Massaker in Palästina, den „kommenden Faschismus“ usw. in Frage zu stellen. Dieses Schweigen zeugt sowohl in Gesprächen als auch in den Medien von der Verleugnung des Traumas. Jahr für Jahr vertieft sich das Trauma so im Unbewussten der Epoche, von wo aus es schließlich unsichtbar alles steuert. Das macht diesen Moment des „Corona“ nicht zu einer „dystopischen“ Episode, sondern zu einem echten konstituierenden Akt, der blitzartig eine neue Konfiguration der Welt entwirft – die Art von Ausnahmemoment, mit dem der Herrscher eine neue Ordnung errichtet.

Die Macht der Verleugnung ist so groß, so zwingend, so allgemein, dass im Fall des Konspirationistischen Manifests in Frankreich ein beispielloses Verfahren erfunden werden musste, um es aus dem Verkehr zu ziehen: seine Depublizierung durch den Verlag Le Seuil nach mehr als einem Jahr der Verbreitung des Titels – und das natürlich in völligem Schweigen. Die Perfektion der Zensur ist erreicht, wenn man sogar die Tatsache, dass man zensiert, zensiert[2]. Die Frage, die sich uns allen seither stellt, lautet: Wie kämpft man gegen die Verleugnung? Reicht es aus, darüber zu sprechen, auch auf die Gefahr hin, dass das Corona-Krisenmanagement zur Obsession wird, wenn die meisten „sich bemühen, nicht daran zu denken“ (Freud, Jenseits des Lustprinzips)? Wie soll das gehen, wenn 85 % der erwachsenen französischen Bevölkerung zweimal „geimpft“ sind? Wer will schon zugeben, was mittlerweile in den „etabliertesten“ medizinischen Fachzeitschriften[3] steht, nämlich dass das Heilmittel „Impfung“ für die meisten Menschen schädlicher war als das Übel, das es angeblich verhindern sollte, wie das Manifest so skandalös zu behaupten wagte? Wie kann man in Unschuld weiterleben, wenn sich herausstellt, dass der alte Freund, der sich nie von den Schlaganfällen nach der zweiten und dritten Dosis erholt hat, durch Euer Wohlwollen auf Vorschlag der gesamten „Gesellschaft“ gestorben ist? Was sagt man denjenigen, die ihr allzu sportliches Kind mit 15 Jahren durch einen Herzinfarkt oder ihren Partner innerhalb eines Monats nach der Injektion durch einen aggressiven Bauchspeicheldrüsenkrebs verloren haben? Wie kann man aus der Reihe der Mörder herausspringen? Mit dem Manifest sind wir die Wette eingegangen, dass eine der Möglichkeiten, nicht vor Schmerz verrückt zu werden, darin besteht, einen Schritt zurückzutreten und sich ein wenig Tiefeschärfe zu gönnen, insbesondere eine historische. Wer aus dem Alptraum der Geschichte erwachen will, muss sich sehr wohl darum bemühen, die Abfolge von Katastrophen zu verstehen, die uns an diesen Punkt des globalen Wahnsinns gebracht haben. Das ist die Funktion aller Genealogien, die im Manifest enthalten sind – keine Übung in Gelehrsamkeit, sondern ein Versuch des Exorzismus. Wir waren die ersten, die erschüttert waren, als wir einen Monat nach Erscheinen des Buches die skrupulöse Bestätigung dieser Genealogien durch den in der ukrainischen Affäre erklärten „neuen Kalten Krieg“ feststellten. All diese Rhetorik der totalen Mobilisierung, all dieses Pathos der heiligen Einheit, all diese neue khakigrüne Wirtschaft sind die logische Folge der Offensive, die anlässlich von „Corona“ gestartet wurde.

– Das Ergebnis der Geschichte ist selten das, was ihre Akteure, selbst mächtige, angestrebt hatten. Läuft eine Sichtweise wie die von Ihnen dargestellte nicht Gefahr, die Kohärenz all dieser Vorkehrungen zu übertreiben? Eine allgemeine und siegreiche Verschwörung zu sehen, wo es in Wirklichkeit eine Vielzahl kleinerer Verschwörungen gibt, die nicht genau die beabsichtigten Wirkungen erzielen?

Lassen Sie uns aus dem Konspirationistischen Manifest zitieren: „Die Verirrung ist nicht der Verschwörungswahn, sondern der Unterverschwörungswahn: die Tatsache, dass man nur eine große Verschwörung erkennt, obwohl es unzählige gibt, die in allen Richtungen, überall und zu jeder Zeit ausgeheckt werden.“ (S. 55) Das Minimum an dialektischem Sinn erfordert, dass man sich von historischen Allgemeinplätzen fernhält, wenn man sich um das Verständnis einer bestimmten Konjunktur bemüht. Es gibt ein kleines Detail, das man im Hinterkopf behalten sollte, wenn man die aktuelle Periode entschlüsseln will: Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts waren Reichtum und Macht auf sozialer und globaler Ebene noch nie so konzentriert. Wie es im Vorwort zur US-amerikanischen Ausgabe des Manifests heißt, „gibt es einen solchen Grad der Anhäufung von Reichtum und Macht, dass die Führungsteams trotz all ihrer Empirie Pläne und nicht mehr nur Strategien entwickeln können“. Pläne, Sie haben richtig gelesen, nicht einen einzigen Plan.

– Sie zeigen, wie das Management der Gesundheitskrise es ermöglicht hat, die weltweite Welle von Revolten im Jahr 2019 (Gelbwesten, Hongkong…) zu ersticken. Muss man daraus schließen, wie Sie es tun, dass diese Episode nur eine Medienoffensive war und dass das Virus harmlos war? Es ist erwiesen, dass die industrielle Produktionsweise pathogen ist, vor allem in der Massentierhaltung. In unserer Gesellschaft der allgemeinen Lüge meldet sich manchmal das Verdrängte auf brutale Weise. War Covid-19 nicht diese Wiederkehr des Verdrängten der Industriegesellschaft?

Wir können Ihnen die Lektüre des Konspirationistischen Manifests nicht genug empfehlen. Im Gegensatz zu dem, was die journalistische Verleumdungskampagne, die es seltsamerweise schon vor seinem Erscheinen ins Visier genommen hat, behaupten konnte, ist darin von „einem Virus, das kaum dreimal tödlicher ist als die saisonale Grippe“ (S. 255) die Rede, wovon Ihnen jeder seriöse Statistiker heute rückblickend sagen wird, dass das schon großzügig genug ist. Angesichts der weltweiten Welle von Revolten, die im Herbst 2019 ihren Höhepunkt erreicht, stellt das Manifest fest, dass das Auftreten dieses neuen Coronavirus für die Regierenden dieser Welt eine „göttliche Überraschung“ (S. 91) darstellte – was durch die seither andauernde Konterrevolution hinreichend belegt wird.

Es hat etwas Rührendes an sich, wie man in Frankreich [wie in Deutschland auch, AdÜ] verzweifelt versucht, die im Ausland erscheinenden Entdeckungen, Studien und Enthüllungen rund um das Thema Covid-19 zu ignorieren. Wer hat in Frankreich von dem Skandal gehört, der diesen Sommer in Deutschland durch die Offenlegung des gesamten Schriftverkehrs zum Umgang mit Covid zwischen dem Robert-Koch-Institut und der deutschen Regierung[4] ausgelöst wurde? Oder darüber, was die englischen Statistiken über die Sterblichkeit aller Todesursachen in Abhängigkeit vom „Impfstatus“ offenbaren[5], oder über die japanische Studie über die Nebenwirkungen der „Impfung“[6] und die komischen Umstände ihres Widerrufs? Wer hat von den urkomischen Anhörungen im Mai und Juni dieses Jahres vor einem Ausschuss des US-Kongresses von Anthony Fauci[7] und Peter Daszak[8] oder von der Veröffentlichung der E-Mails dieser Leute erfahren? oder das Projekt der Umweltorganisation EcoHealth Alliance, das 2018 bei der DARPA eingereicht wurde, um in das Spike-Protein eines Coronavirus die Furin-Spaltstelle einzuführen, die SARS-Cov 2 beim Menschen so ansteckend macht und es gleichzeitig zu einer derartigen Anomalie im Vergleich zu allen anderen Sarbecoviren[9] macht, und in Wuhan daran zu arbeiten? Es ist eine seltsame Magie des Geistes, dass solche Nachrichten die französischen Grenzen nur schwer überschreiten können. Um ehrlich zu sein, stößt man auch auf taube Ohren, wenn Nicolas Mariot, ein Historiker des Ersten Weltkriegs am CNRS, die Absurdität der Einschließung mit ihren Selbsttests, dem Verbot in bestimmten Departements, auch nur ein Baguette oder eine Zeitung zu kaufen, und dem beispiellosen Polizeieinsatz noch einmal aufgreift, um darin den Ausdruck der „alten Gewohnheiten der strafenden Verwaltung der Bevölkerung“ in Frankreich und ein Maß an Gehirnwäsche zu erkennen, das der Union sacrée[10] im Jahr 1914 würdig ist.

Es hat auch etwas Rührendes, wie sich Linke und Umweltschützer seit den ersten Tagen des Jahres 2020 an die These der Zoonose, des Schuppentiers oder des Marderhundes klammern. Wir verstehen sehr gut, wie ideologisch tröstlich es für sie und für uns alle wäre, wenn ein tödliches Virus, das „den Planeten zum Stillstand gebracht“ hat, aus den konzentrationslagerähnlichen Lebensbedingungen stammt, die Haustieren in der Massentierhaltung auferlegt werden – wenn diese Gesellschaft selbst endlich die Toxizität und den selbstmörderischen Charakter ihrer eigenen Organisation anerkennen würde. Diese erfreuliche Aussicht wird nur durch alle Enthüllungen widerlegt, die seither über die Forschung zur Funktionsverbesserung von potenzierten Coronaviren in den BSL-2-Laboren[11] in Wuhan gemacht wurden. Leider deutet alles auf das Institut für Virologie in Wuhan hin. Die Zoonose-These hat außerdem den entscheidenden Nachteil, dass bislang niemand den Vermittler zwischen Fledermaus und Mensch gefunden hat. Erlauben Sie uns, Sie ausnahmsweise auf die New York Times[12] zu verweisen, ohne den US-Senat zu erwähnen[13]. Es gibt zwar eine Studie zur Verbreitung von SARS-CoV-2 rund um den Meeresfrüchtemarkt von Wuhan im Dezember 2019 und Januar 2020, also mehr als zwei Monate nach seinem Auftreten, wenn man seiner molekularen Uhr glauben darf[14], aber diese Studie kann sich nicht auf seinen Ursprung beziehen, sondern nur auf seine Ausbreitung. Außerdem haben wir jetzt einen überzeugenden Einblick in die Atmosphäre der echten Verschwörung, die im Februar und März 2020 herrschte, als Fauci, Daszak, Farrar oder Collins die These vom Laborleck disqualifizierten, mit ihren geheimen Treffen, Wegwerfhandys, gelöschten Nachrichten und Ad-hoc-Mailadressen[15]. Wir wissen heute, dass diejenigen, die im März 2020 in Nature medecine einen Beitrag veröffentlichten, in dem die These vom Laborleck als „Verschwörungstheorie“ gegeißelt wurde, zunächst eher Befürworter dieser These waren, da sie die Molekularstruktur von SARS-CoV-2 beobachtet hatten. Doch wie einer von ihnen damals schrieb: „Eine langwierige Debatte über solche Anschuldigungen [eines Laborlecks] würde Spitzenforscher unnötig von ihren Pflichten ablenken und der Wissenschaft im Allgemeinen und der chinesischen Wissenschaft im Besonderen unnötigen Schaden zufügen.“ Damit ist alles gesagt, oder?

– Der Autoritarismus der liberalen Eliten verkörperte sich beispielhaft im Umgang mit der Gesundheitskrise und während der beiden Fünfjahresperioden unter Macron. Heute sehen wir den Aufstieg von politischen Kräften, die ebenso autoritär sind, aber aus dem Postfaschismus, dem populistischen Nationalismus oder der identitären Strömung stammen. Nähren sich diese reaktionären politischen Kräfte nicht von den verschwommenen Protesten (gegen „das System“ oder „die Eliten“), die von einem Teil der jüngsten Bewegungen getragen werden? Besteht nicht die Gefahr, zu den „nützlichen Idioten“ der extremen Rechten zu werden, wenn man nicht Positionen vertritt, die einen klaren Bruch mit ihren Werten darstellen?

Es ist die gleiche Bereitschaft in uns, die sich dem Nachweis eines aus einem Labor entwichenen SARS-CoV-2 widersetzt, der Feststellung, dass die „gesundheitspolitischen“ Maßnahmen gegen Covid-19 Syndemie[16] völlig abwegig waren, den Beweisen für den bewussten Umgang der damaligen Regierungen mit dem Trauma oder dem Erkennen der zynischen Bosheit der multinationalen Pharmakonzerne. Zuzugeben, dass Regierende nicht einfach nur Versager und Inkompetente sind, die „tun, was sie können“, sondern dass eine Bevölkerung zu regieren im Wesentlichen bedeutet, Krieg gegen sie zu führen, dass wir uns also in den Händen von Menschen befinden, die uns nichts Gutes wollen, bedeutet, dass uns plötzlich der Boden unter den Füßen weggezogen wird und der Großteil unserer Gewissheiten wegbricht. Das widerspricht dem so verbreiteten Traum, endlich Frieden zu haben. Das ist der Grund, warum so viele Opfer von Perversen Entschuldigungen für denjenigen finden, der sie traumatisiert. Die verdrehten Vorstellungen von Aufstandsbekämpfung in der Bevölkerung sind längst vom Militär auf die Marketingabteilungen, Kommunikationsagenturen und die Spitzen von Unternehmen und Staaten übergegangen.

Wenn wir sie [also Spitzen der Unternehmen und Staaten; AdÜ] wären, würden wir uns, anstatt verirrte „Verschwörungstheoretiker“ zu bekehren, mehr um all die „aufgeklärten“ Protestler, die „politisierten“ Gewissen, die engagierten Aktivisten und die guten Seelen der Linken kümmern, die sich durch ihre Identifikation mit der Gesellschaft, sich periodisch – anlässlich einer Pandemie, einer Protestbewegung, einer Wahl oder der Olympischen Spiele – dabei wiederfinden, genau das zu tun, was die Regierungsstrategen von ihnen wollen, und dies auch noch ideologisch und moralisch zu rechtfertigen. Nur sie können nicht erkennen, dass ihre Art und Weise, überall „Faschisten“ aufzuspüren, auch in Leuten, die nicht die geringste politische Konsistenz haben, zwar ihrem Ego schmeichelt, aber tatsächlich diejenigen faschisiert, die sie verunglimpfen. Schließlich ist es nicht so einfach, im Zeitalter der allgemeinen Regierungstrollerei wirklich, einzigartig und gelassen eine Position zu vertreten. Was die systemische Komplizenschaft zwischen dem macronistischen Machtzentrum und dem RN angeht, so ist diese seit der Wahlsequenz im Juni und Juli letzten Jahres durch zahlreiche Quellen belegt[17] – und es gibt immer noch linke Idioten, die Elisabeth Borne18 wählen und sich dabei die Nase zuhalten. Was wollen Sie?

– Ist das Buch noch in Buchhandlungen erhältlich?

Nein. Wie wir präzisieren, wurde das Konspirationistische Manifest im Frühjahr 2023 auf Druck von innen und außen beim Verlag Seuil depubliziert. Im Verlagswesen ist die Depublizierung ein neuartiges Verfahren, eine Erfindung, die zweifellos das Buch ehrt, für das sie erdacht werden musste. Man depubliziert Facebook-Posts oder Tweets, aber ein Buch…, das sich zudem gut verkauft. Die „Depublizierung“ eines Buches besteht in der einseitigen Rückgabe aller Rechte, aller Beträge und aller Bücher an die Autoren, verbunden mit der Löschung des Buches aus dem Katalog des Verlagshauses. Frankreich ist – muss ich das erwähnen? – das einzige Land, in dem ihm dies passiert ist. Das bedeutet, dass das Manifest nun in den meisten „großen“ Sprachen der Welt erhältlich ist, abgesehen von seiner Originalsprache. Das ist ziemlich genial, oder?

Die ganze Geschichte hat etwas ziemlich Putinsches an sich, muss man sagen. Denn nicht nur haben sich die Polizeidienste im Vorfeld der Veröffentlichung erlaubt, unsere doch diskreten Treffen mit dem Chef des Verlags Seuil zu überwachen, sondern sie sind sogar so weit gegangen, unsere Korrespondenz mit ihm abzufangen und zu vernichten, sobald wir ihn darüber informierten, dass die schlecht gemachte staatliche Beschattung aufgeflogen war. Die letzte Nachricht über das Manifest stammt aus dem Mai dieses Jahres: Die Eigentümer von Le Seuil haben beschlossen, den Geschäftsführer ohne Abmahnung zu entlassen, weil er es unter anderem gewagt hat, dieses Buch zu veröffentlichen. Auch wenn es ihnen nur darum ging, die im Wesentlichen politischen Motive für diese Entlassung zu verschleiern, ist bekannt, dass eine Reihe von Menschen das Erscheinen des Buches bei Le Seuil nie verdaut haben.

Die Neutralisierung der rhetorischen Waffe, die das Epitheton „Verschwörungstheoretiker“ seit Popper darstellt, indem man es in einem neuen Sinn annimmt – nämlich als Befürworter der Tatsache, dass man sich verschworen hat -, bleibt dennoch eine gute Idee und eine Sache, die mehr denn je notwendig ist. Wer sieht nicht, dass diese Waffe tagtäglich dazu dient, jede Kritik am Bestehenden zu disqualifizieren, die auch nur ansatzweise Konsequenzen hätte? Aber wir leben in einer Welt, in der es an ubu-haftem „Umor“[19] mangelt! Vielleicht ist dies im Grunde das erste Zeichen des „Faschismus“.

Interview abgeschlossen am 8. September 2024.

Artikel veröffentlicht in La nouvelle vague Nr. 17, September 2024.

Zum selben Thema verweisen wir auf drei Texte, die zuvor in La nouvelle vague veröffentlicht wurden und auf unserer Website abrufbar sind:
• „Reflexionen über Autoritarismus und Rechtsextremismus“ (Februar 2022): https://collectifruptures.wordpress.com/2022/02/25/reflexions-sur-lautoritarisme-et-lextreme-droite/
• „Die Pandemie war nur ein böser Traum“ (Juni 2022): https://collectifruptures.wordpress.com/2022/06/06/la-pandemie-netait-quun-mauvais-reve/
• „Die Verschwörungsindustrie. Interview mit Matthieu Amiech“ (Juli 2023): https://collectifruptures.wordpress.com/2023/07/11/lindustrie-du-complotisme-entretien-avec-matthieu-amiech/

[Fußnoten in eckigen Klammern sind von den Übersetzer*innen als Anmerkungen für ein deutschsprachiges Publikum eingefügt.] [1] Für Deutschland: https://www.welt.de/politik/deutschland/plus225868061/Corona-Politik-Wie-das-Innenministerium-Wissenschaftler-einspannte.html oder für Großbritannien: https://www.bbc.com/news/uk-64848106
[2] [Für die deutsche Übersetzung konnte zunächst gar kein Verlag gefunden werden. Es erschien dann eine klandestine Version, sowohl online als auch gedruckt. – http://magazinredaktion.tk/konspiration/inhalt.php – Später erschien doch eine Verlagsversion, leider in einem fragwürdigen Verlag. AdÜ] [3] https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2352914824001205 oder https://bmjpublichealth.bmj.com/content/bmjph/2/1/e000282.full.pdf.
Für Krebserkrankungen: https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0141813024022323, https://www.cureus.com/articles/209584-sars-cov-2-vaccination-and-the-multi-hit-hypothesis-of-oncogenesis#!/ ou https://www.oncotarget.com/article/28582/pdf/
[4] https://www.welt.de/politik/deutschland/plus252666070/RKI-Files-Pandemie-der-Ungeimpften-Aus-fachlicher-Sicht-nicht-korrekt.html oder https://www.faz.net/einspruch/wir-muessen-die-corona-jahre-aufarbeiten-das-triggern-der-uraengste-19905238.html, und auf Französisch https://qg.media/blog/laurent-mucchielli/la-politique-du-virus-ce-que-revelent-les-documents-fuites-de-letat-allemand-rki-files/
[5] https://europepmc.org/article/PPR/PPR621684
[6] https://assets.cureus.com/uploads/original_article/pdf/196275/20240408-14533-1avkjxd.pdf
[7] https://www.youtube.com/watch?v=qCsEbq9SpsM
[8] https://www.youtube.com/watch?v=ETIF2jb8Nw8
[9] https://drasticresearch.org/wp-content/uploads/2021/09/main-document-preempt-volume-1-no-ess-hr00118s0017-ecohealth-alliance.pdf
[10] [Als Union sacrée (etwa: geheiligter Bund) wird in Frankreich die Aussetzung innenpolitischer Streitigkeiten angesichts der Verteidigung der Nation im Ersten Weltkrieg bezeichnet. AdÜ] [11] Oder ein niedriges Schutzniveau, das lediglich aus einem geschlossenen Raum mit Abzugshaube, einem sterilen Arbeitsbereich und grundlegenden Schutzmaßnahmen für die Arbeitnehmer besteht.
[12] https://www.nytimes.com/interactive/2024/06/03/opinion/covid-lab-leak.html
[13] https://www.hsgac.senate.gov/wp-content/uploads/Testimony-Quay-2024-06-18.pdf
[14] https://www.vanityfair.com/news/story/ralph-baric-wuhan-lab-leak
[15] Zu den E-Mails: https://theintercept.com/2023/01/19/covid-origin-nih-emails/https://theintercept.com/2023/01/19/covid-origin-nih-emails/. Zur Verschwörungsatmosphäre findet sich das unfreiwillige Eingeständnis in Spike: The Virus vs. The People – the Inside Story von Jeremy Farrar. Zu den Erfahrungen mit dem Amtsgewinn in Wuhan: https://theintercept.com/2021/09/09/covid-origins-gain-of-function-research/
[16] https://www.thelancet.com/pdfs/journals/lancet/PIIS0140-6736(20)32000-6.pdf
[Das Konzept der Syndemie wurde ab den 1990er Jahren durch den Medizinanthropologen Merrill Singer geprägt. Laut Merrill müssen drei Kriterien erfüllt sein, um von einer Syndemie sprechen zu können: 1.) Zwei oder mehr Krankheiten oder Gesundheitsprobleme treten innerhalb einer Bevölkerung oder Bevölkerungsgruppe auf. 2.) Innerhalb sozialer oder anderer Kontextfaktoren entstehen Bedingungen, in denen diese Krankheiten sich häufen. 3.) Dieses Zusammenspiel von Erkrankungen und sozialen Determinanten hat negative Auswirkungen auf die Gesundheit der betroffenen Menschen. Quellen: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/28271845/. AdÜ] [17] https://www.liberation.fr/politique/chez-thierry-solere-les-diners-secrets-de-la-macronie-et-du-rn-20240709_XZA6N7NSXNHILFUMKMJ2KIF2VQ/, https://www.lemonde.fr/m-le-mag/article/2024/06/12/aupres-d-emmanuel-macron-les-apprentis-sorciers-de-la-dissolution_6239041_4500055.html und https://www.lemonde.fr/politique/article/2023/12/20/vincent-bollore-parrain-d-une-alliance-entre-droite-et-extreme-droite_6206950_823448.html
[18] [Élisabeth Borne ist eine französische Politikerin (LREM = Macrons Partei La République En Marche, TdP = Territoires de Progrès – La gauche progressiste, dt. Gebiete des Fortschritts – die progressive Linke), ehemalige Beamtin und Managerin. Sie war vom 16. Mai 2022 bis zum 9. Januar 2024 Premierministerin Frankreichs. AdÜ] [19] [Kaum zu übersetzendes Wortspiel, bei dem das Wort „Humor“ mit der Anspielung auf das Stück König Ubu (1885) von Alfred Jerry verknüpft wird (https://de.wikipedia.org/wiki/K%C3%B6nig_Ubu), was hier einen sarkastischen, bitterbösen schwarzen Humor ausdrücken soll. AdÜ]

gouverner.jpg