Statement erster Prozesstag 29.01.2024 in Budapest / Statement first day of trial 29.01.2024 in Budapest

– english below –

Am 29. Januar hat der Prozess um die drei angeklagten Antifaschist*innen aus Deutschland und Italien begonnen. Ihnen wird vorgeworfen, als Teil einer kriminellen Vereinigung an mehreren Angriffen auf Nazis in Budapest im Februar letzten Jahres beteiligt gewesen zu sein.

Im Vorhinein wurden allen drei Angeklagten ,Pleadeals‘ durch die ungarische Justiz angeboten. Diese beinhalteten eine direkt anschließende festgesetzte Haftstrafe im Zuchthaus und Verzicht auf das Gerichtsverfahren. Im Gegenzug sollen die Angeklagten die Anklage bestätigen. Wir wollen hier klarstellen, dass die Dealannahme im Gegensatz zu einem strafmildernden Geständnis, wie wir es aus dem deutschen Kontext kennen, weder eine Aussage noch ein Zeugnis der Reue erfordert.

Tobi hat diesem Deal am 29.01. zugestimmt. Im Ergebnis verhängte das Gericht ein Strafmaß von 3 Jahren Haft. Die Staatsanwaltschaft sowie Tobis Anwalt haben Revision beantragt. Wird das Urteil rechtskräftig, bedeutet das von heute ausgehend zwei Jahre Reststrafe, mit der Möglichkeit einer Überführung nach Deutschland. Nach 2/3 der Gesamstrafe ist dann eine Haftverschonung auf Bewährung möglich.

Die Zustimmung zum Deal resultiert nicht allein aus den menschenunwürdigen Haftbedingungen im faschistischen Ungarn, sondern wird von Tobi auch als Wiedererlangen seiner politischen Handlungsfähigkeit gesehen: Er verweigert sich damit einem Prozess, der weder Hoffnung auf rechtsstaatliche Prinzipien noch auf politische Prozessführung lässt. Er wollte auch verhindern, von der Staatsanwaltschaft in einer Hauptverhandlung zu irgendwelchen Aussagen gebracht zu werden.

Es ist schwer abzusehen, ob Tobis Dealannahme eine Auswirkung für folgende Prozesse haben wird – insbesondere im Kontext der ungarischen Justiz.

Wir finden die Irritation darüber verständlich, weil es von unserer Solidaritätsnorm abweicht, vor Gericht etwas zu tun, was im Zweifel andere Genoss:innen schlechter stellt. Letztlich müssen wir uns aber in Erinnerung rufen: Dieser Konsens ist vor dem Erfahrungshorizont des bundesdeutschen Rechtssystems und seiner Repressionsbehörden entstanden. Die Lage vor ungarischen Gerichten und Knästen ist eine andere. Diese ist nicht nur von einem Haftsystem geprägt, welches die Menschenverachtung deutscher Zustände weit übertrifft. Wir sind auch mit einem Justizapparat konfrontiert, der eine Prozessführung im Sinne der Beschuldigten verunmöglicht.

Wir werden Tobi weiterhin in seinen Entscheidungen unterstützen.

Da die beiden anderen Angeklagten dem Deal nicht zugestimmt haben sitzen sie nun nur noch zu zweit auf der Anklagebank. Ihr nächster Gerichtstermin ist am 28.03.2024.

Für alle drei werden die nächsten Monate und Jahre eine harte und schwierige Zeit. Wir als Soligruppe stehen weiterhin hinter allen Angeklagten – ob Dealannahme oder nicht.

Freiheit für Tobi und Ilaria.
Keine Auslieferung und Freiheit für Gabri und Maja.
Solidarische Grüße an die gesuchten Personen.

https://budapest-solidarity.net/

– English version –

On 29 January, the trial of the three accused anti-fascists from Germany and Italy began. They are accused of being involved in several attacks on Nazis in Budapest in February last year as part of a criminal organisation.

In advance, all three defendants were offered pleadeals by the Hungarian judiciary. These included an immedite prison sentence afterwards and waiver of trial. In return, the defendants are expected to confirm the charges. We want to clearify that, in contrast to a mitigating confession, as we know it from the German context, acceptance of a deal requires neither a statement nor a testimony of remorse.

The approval of the deal is not only the result of the inhumane prison conditions in fascist Hungary, but is also seen by Tobi as a regaining of his ability to act politically: he is thus refusing to participate in a trial that leaves no hope for the principles of the rule of law or for political litigation. He also wanted to avoid being made to testify by the prosecution in a trial. It is difficult to predict whether Tobi’s acceptance of the deal will have an impact on subsequent trials – especially in the context of the Hungarian judiciary.
We find the irritation about this understandable, because it deviates from our norm of solidarity not to do anything in court that could put other comrades in a worse position in case of doubt. Ultimately, however, we must remember that this consensus was formed against the background of the experience of the German legal system and its repressive authorities. The situation in Hungarian courts and prisons is different. This is not only characterized by a prison system that by far surpasses the contempt for humanity of German conditions. We are also confronted with a judicial apparatus that makes it impossible to conduct proceedings in the interests of the accused.
We will continue to support Tobi in his decisions.

Since the other two defendants did not agree to the deal, there are now only two of them in the dock. Their next court date is on on march 28th (2024).
For all three of them, the next months and years will be a hard and difficult time. We, as a solidarity group, continue to stand behind all defendants – whether they accept a deal or not.

Freedom for Tobi and Ilaria.
No extradition and freedom for Gabri, and Maja.
Solidarity greetings to those in hiding.

https://budapest-solidarity.net/

passiert am 29.01.2024