Prozess gegen Lina E. verzögert sich weiter

Dresden. Der Prozess gegen eine mutmaßlich linksextreme Gruppe um die Leipziger Studentin Lina E. ist am Mittwoch für zwei Wochen unterbrochen worden. Damit ist ausgeschlossen, dass das Oberlandesgericht Dresden (OLG) noch vor Ostern ein Urteil fällt. Das hatte der zuständige Staatsschutzsenat eigentlich angestrebt.

Grund für die Unterbrechung ist ein rechtlicher Hinweis des Senats. Darin geht es darum, ab wann eine mögliche linksextreme Gruppe existiert haben könnte – und wann die Angeklagten dazu gestoßen sein könnten. Für beides kommt dem Senat zufolge möglicherweise ein deutlich früherer Zeitpunkt in Frage, als er bisher zur Rede stand. Die Verteidigung aller Angeklagten fühlte sich eigenen Worten nach davon überfallen und hatte die zwei Wochen lange Unterbrechung beantragt.
Gericht äußert sich zu brisantestem Punkt in dem Verfahren

Seit September 2021 wird am OLG gegen die 28 Jahre alte Lina E. und drei Männer zwischen 29 und 38 Jahren aus Leipzig und Berlin verhandelt. Dabei geht es um Angriffe auf vermeintliche und tatsächliche Neonazis in Sachsen und Thüringen. Den Angeklagten werden nicht nur die einzelnen Taten, sondern auch die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Lina E. soll Rädelsführerin der Gruppe gewesen sein.

Dass es die Überfälle gab, ist unbestritten. Auch für die Beteiligung einzelner Angeklagter daran gibt es teilweise stichhaltige Beweise. So waren etwa Lina E. und weitere Angeklagte unmittelbar nach einer Attacke auf einen rechtsextremen Kneipenwirt in Eisenach festgenommen worden. Besonders umstritten ist in dem Prozess aber, ob es eine kriminelle Vereinigung um Lina E. gab, die die Taten geplant und durchgezogen hat. Mit seinem rechtlichen Hinweis hat sich das Gericht nun also zu einem der brisantesten Punkte in dem Verfahren geäußert.
Gericht erwägt neue Sachlage wegen Kronzeugen-Aussage

In ihrer Anklage geht die Generalbundesanwaltschaft davon aus, dass die linksextreme Gruppe um Lina E. spätestens im August 2018 gegründet worden ist. Die drei zusammen mit E. angeklagten Männer sollen demnach aber erst im Herbst und Winter 2019 dazu gestoßen sein. Das Gericht formulierte am Mittwoch nun, dass die Gruppe auch schon deutlich früher bestanden haben könnte, möglicherweise schon um den Jahreswechsel 2017/2018.

Grundlage dafür sind dem Senat zufolge Aussagen von Johannes D., einem ehemaligen Linksextremisten und Kronzeugen in dem Prozess. D. hatte unter anderem von Trainings in Leipzig berichtet, mit denen die Angriffe auf Neonazis gezielt geübt worden seien. Diese Trainings könnten den Überlegungen des Gericht zufolge Anhaltspunkt sein für die Existenz einer linksextremen Gruppe.

Die Verteidigung kritisierte den Hinweis des Gerichts kurz vor Ende des Prozesses. „Das sind auf den letzten Metern Neuerungen, mit denen wir uns beschäftigen müssen“, sagte ein Verteidiger von Lina E. Möglicherweise müssten weitere Beweisanträge gestellt werden. Ein anderer Anwalt sagte, für seinen Mandaten gehe es plötzlich um zwei Jahre Mitgliedschaft in einer mutmaßlich linksextremen Gruppe – statt wie bisher um sechs Monate.

Der Prozess soll nun am 29. März fortgesetzt werden. Das Gericht hofft, nun vor Ostern wenigstens die Beweisaufnahme schließen zu können. Prozesstermine waren ohnehin vorsorglich bis Ende Mai festgelegt worden.

passiert am 17. Februar