Realitätsverlust? Rechtsanwalt Markus Bernau sieht Krieg in Friedrichshain angekommen

Kommentar zu einer ungewöhnlichen Drohung in der Berliner Morgenpost [https://www.morgenpost.de/berlin/article236548979/Rigaer-94-Erst-zwei-von-19-Raeumungsklagen-entschieden.html]

Was haben wir nicht alles gelernt in den letzten Monaten über kriegsentscheidende Faktoren in der Ukraine. Natürlich, die Solidarität der westlichen Demokratien mit der Ukraine ist kriegsentscheidend. Sagen die Politiker*innen. Auch die ganzen Panzerhaubitzen und Raketenwerfer mit den komischen Namen, die jetzt von der Bundeswehr ins Kriegsgebiet geliefert werden, sind kriegsentscheidend; glauben wir den Militärs. Und der ganze Stuff, den Rheinmetall an Zelensky vertickt, superwichtig an der Front. Dazu noch die Sanktionen gegen Russland, das wird den Krieg entscheiden.

Doch jetzt auf einmal das! Über die Berliner Morgenpost verkündet der selbsternannte „Rechtsanwalt“ der Lafone Investments Limited, dass ein Urteil des Amtsgerichts Kreuzberg, die Briefkastenfirma als nach deutschem Recht nicht existent einzustufen, nicht „kriegsentscheidend“ sei. Womit der nach eigenen Angaben beste Anwalt Berlins zwar absolut Recht hat, schließlich kann eine nicht existierende Firma keinen Krieg gewinnen, sein Zynismus ist allerdings durch nichts mehr zu überbieten.

Während nur wenige Hundert Kilometer weiter östlich der Imperialismus des Diktators Putin täglich zu unzähligen Toten und Verletzten führt und ganze Städte zerstört, sieht Markus Bernau den von ihm angezettelten Konflikt um die Rigaer94 auf dem selben Niveau und an der gleichen Frontlinie verlaufend. So wie Putin behauptet, einige der vom ukrainischen Staat kontrollierten Gebiete würden zu Russland gehören, glaubt der angebliche Lafone Anwalt, den Bewohner*innen der Rigaer94 etwas abpressen zu können.

In Zeiten wie diesen, bedeutet die Bezeichnung „Krieg“ nicht einfach nur ein Metapher um jemandem die eigene Macht aufzuzwingen. Kriege für sich zu entscheiden bedeutet Tod, Vergewaltigung, ökologische Verwüstung, Inflation … dass liefern uns die Nachrichten seit Monaten auf den Tisch, im Gegensatz zu den ganzen vergessenen Kriegen der letzten Jahrzehnte.

Was meint Anwalt Bernau also mit seiner Gleichsetzung? Vielleicht das ihn negative Gerichtsurteile einen Scheiß interessieren, weil Fakten auch anders geschaffen werden können. Vielleicht träumt er von brennenden Häusern und zerfetzten Körpern seiner Feinde. Möglicherweise bezieht er sich auch gar nicht auf den aktuellen Krieg zweier Nationalstaaten sondern auf den sozialen Krieg, der seit Jahrhunderten von der Oberschicht gegen die unteren Klassen geführt wird? Für diese Anerkennung mag ihm Dank gebühren, ist es doch die Aufforderung an die Unterdrückten, endlich zu den Waffen zu greifen um es ihm und seinesgleichen heimzuzahlen.

Eine weitere Erklärung für den unglaublichen Vergleich Bernaus könnte sein, das Philipp Siebert in seinem Artikel vom 28. September einfach gelogen bzw. den „Anwalt“ absichtlich falsch zitiert hat. Für die Berliner Morgenpost zwar kein ungewöhnliches Vorgehen, bewegt man sich doch auf einem niedrigen journalistischen Niveau und wird regelmäßig für die Verletzung des Presserechts gerügt, es fehlt aber das Motiv. Dämmern doch Morgenpost und Immobilienmafia in der selben reaktionären Ecke.

Zu diesem Zeitpunkt einen Artikel im Berlin Ressort mit den Worten vom Krieg zu veröffentlichen, offenbart eine Momentaufnahme der Ratlosigkeit in der Kampagne gegen selbstorganisierte Räume: Schon reicht den Apologet*innen des kapitalistischen Wahnsinns nicht mehr die polizeiliche Lösung, sie rufen nach einer militärischen Liquidierung des Aufbegehrens gegen ihre Ordnungsvorstellungen.

Aus dem Mund von Markus Bernau spricht die ganze Menschenfeindlichkeit, wie wir sie aus den sogenannten Sozialen Medien zu allen gesellschaftlichen Konflikten kennen. Egal ob es um Migrant*innen, Arbeitsverweiger*innen oder Linke geht, immer wird ausgerottet, plattgemacht oder weggesprengt. Bleibt zu hoffen, dass sich die Bewohner*innen der Rigaer Straße, und nicht nur des Hauses Nr. 94, auf die Kriege vorbereiten, die ihnen Arschlöcher wie Markus Bernau erklären. Der letzte, der mit seiner Gleichsetzung vom Vietnamkrieg und dem Nordkiez aufs Maul gefallen ist, der vergessene Innensenator Frank Henkel, irrt immer noch im politischen Niemandsland umher.

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passiert am 28.09.2022