Keine Militanz ist auch keine Lösung
Debattenbeitrag zur Klimagerechtigkeitsbewegung
Prolog
Wer wir* sind und was wir* wollen:
Liebe Genoss*innen, Freund*innen und Gefährt*innen der Klimagerechtigkeitsbewegung (KGB) und darüber hinaus,
Mitte letzten Jahres haben wir* uns als ein loser Zusammenhang von Aktivist*innen zusammengesetzt, um uns näher mit dem aktuellen Stand der KGB auseinander zu setzen und uns* zu überlegen, ob diese nicht mehr Militanz bräuchte. Seit dem ist viel passiert und die Debatte um Militanz, friedliche Sabotage oder ZU+ schon voll im Gange – nice! Wir wollen an der Stelle gerne unsere* Gedanken zu der Debatte mit euch teilen und die ein oder andere unschlüssige Person davon überzeugen, dass wir als KGB weiter gehen sollten. Um mit unseren Aktionen den sich zuspitzenden Verhältnissen durch die (Klima)Krise gerecht zu werden, sehen wir* es als einen von mehreren relevanten Punkten, die Aktionsformen zu verändern. Wir* sind davon überzeugt, dass wir mehr Militanz aus der KGB heraus brauchen. Wir brauchen sie um in einen gesellschaftlichen Klima-Diskurs mit einer radikalen Perspektive intervenieren zu können, um zum Investitionsrisiko der Konzerne zu werden, um ein revolutionäres Bewusstsein zu stärken, um „Den Wandel selbst in die Hand nehmen“ zur tatsächlichen Praxis zu machen und letztendlich um die kapitalistische Gesellschaftsordnung zu überwinden. Hierbei konzentrieren wir* uns, aufgrund unserer eigenen politischen Arbeit, vor allem auf den Teil der KGB, der in zivilem Ungehorsam ihre dominante Handlungsform gefunden hat.
Dabei sind wir* in keinem Fall die kampferprobten Militanz-Expert*innen, nach denen der folgende Text klingen mag und wollen keine Personen von oben herab belehren. Auch wir* müssen diesen Weg erst beschreiten, halten ihn aber für unbedingt nötig und wollen mit euch gemeinsam überlegen und diskutieren, wie wir dies tun können.
Wie wir* vorgehen:
Wir* betrachten den Wandel hin zur Abschaffung des Kapitalismus als einen dynamischen Prozess, dessen Weg wir uns gemeinsam erschließen müssen und auf dem wir gemeinsam lernen können. Dabei starten wir* zunächst mit einer Analyse des Bestehenden. Diese beziehen wir* vordergründig auf die kapitalistische deutsche Gesellschaft, als eine der hauptsächlichen Verursacher*innen der Klimakrise und auf die spezifischen Rolle der radikalen Linken hierzulande. Als Problem sehen wir* natürlich das kapitalistische System. Unzufrieden sind wir* an der Stelle aber vor allem mit der Art und Weise, wie die radikale Linke dieses in den letzten Jahren zu bekämpfen versucht. In den bisherigen Diskussionen um Aktionsformen der KGB, fehlte uns* ein klarer Bezug zu Militanz, denn diese bricht explizit mit der Systemlogik.
Auch wenn wir* uns im Folgenden auf die Kritik an Aktionsformen konzentieren, sollten wir an anderen Diskussionspunkten nicht stehenbleiben. Wir müssen uns im Gesamten, also in Analyse und Praxis, wieder auf den Antagonismus zur bestehenden Systemlogik konzentrieren. Darüber hinaus ist es notwendig, weitere Transformationsstrategien zu entwickeln und Gesellschaftsutopien zu zeichnen. Lasst uns wieder unserer Rolle als Teil der radikalen Linken bewusst werden!
Und für diese ist auch dieser Text geschrieben – für die radikale Linke im Allgemeinen und die Klimagerechtigkeitsbewegung im Speziellen.
Mit “ wir* “ meinen wir uns als Autor*innen dieses Textes, während „wir “ für uns als Bewegung steht.
Gesellschaftsanalyse
Es steht ziemlich schlecht um diese Welt: Sich zuspitzende Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft, entmenschlichende Migrationspolitik, die Pandemie und die damit sichtbar werdende Krise der Carearbeit, anhaltende und neue Konflikte und Kriege sowie die Klimakrise dominieren die Schlagzeilen. All diese Krisen hängen im kapitalistischen System miteinander zusammen und müssen gemeinsam bekämpft werden, das wird innerhalb der radikalen Linken immer wieder betont. Um den Kapitalismus in seiner Gänze anzugreifen, müssen wir uns jedoch auf bestimmte Hebel konzentrieren, die ihn aus den Angeln heben können. Die Klimakrise ist eine Krise, die unserer* Einschätzung nach in den nächsten Jahren linksradikale politische Arbeit dominieren und andere Krisen massiv bedingen wird. Daher wollen wir* uns im Folgenden mit einer konsequent antikapitalistischen Perspektive mit diesem Bereich beschäftigen.
Erfolge der Klimagerechtigkeitsbewegung
In den letzten Jahren hat die gesellschaftliche Auseinandersetzung um die Klimakrise stark an Fahrt aufgenommen. Der unermüdlichen KGB ist es zu verdanken, dass die Bedrohung der menschengemachten Erderwärmung als solche erkannt wird. Auch die dringende Notwendigkeit zur Handlung wird stetig betont und gefordert. Selten ist so viel Einigkeit zwischen den verschiedensten gesellschaftlichen Akteur*innen vernommen worden, wie hinsichtlich der mit der Klimakrise einhergehenden Gefahren. Besonders deutlich sieht man dies an der jüngsten Bundestagswahl, in der sowohl im Wahlkampf als auch in den Koalitionsverhandlungen die Bekämpfung der Klimakrise – durch fast alle Parteien hinweg – eine zentrale Stellung einnahm. Man könnte also annehmen, dass bald vieles besser wird und wir dem Klimakollaps gerade noch so entkommen.
Der Schein einer Veränderung: Grüner Kapitalismus
Doch weit gefehlt: Die CO²-Emissionen sind so hoch wie nie und beim Blick auf das Ergebnis der letzten Weltklimakonferenz oder dem lahmenden Ausbau erneuerbarer Energien wird auch nicht ersichtlich, dass sich dies bald ändern wird. Doch wie kommt das? Ein herausstechender Grund ist, dass all die Debatten, Bemühungen, Ziele und Versprechen, die auf parlamentarischer Ebene geführt und formuliert werden, nicht den engen Korridor des Kapitalismus verlassen. Ein enger Korridor aus Privateigentum, Konkurrenz und Profitlogik. Somit sind Staaten und Unternehmen strukturell nicht in der Lage, die notwendigen tiefgreifenden sozialen und ökologischen Veränderungen anzugehen. Solange Profit das entscheidende Kriterium in der Produktion und Verteilung von Gütern ist, wird sich dies auch nicht ändern.
Darüber hinaus verharrt der Kapitalismus nicht stillschweigend in seiner jetzigen Verfassung: Nein, er ist dabei, Anlauf zu nehmen und mit einem großen Satz in eine neue Phase zu hechten. Das Reden vom grünen Kapitalismus ist groß, denn so ganz ungelegen kommt ihm dieser Wandel nicht. Unternehmen und Staaten auf der ganzen Welt erhoffen sich die lang ersehnten Wachstumssprünge. Dies zeigt, dass an der Logik von Privateigentum, Konkurrenz und Wachstum nicht gerüttelt wird und somit die eigentlichen Ursachen der Misere nicht angegangen werden.
Das muss unsere Perspektive sein:
Es zeichnet sich nicht ab, dass diese Erkenntnis von den Herrschenden kommen wird und von ihnen der notwendige radikale gesellschaftliche Umbau getragen wird, da die Herrschenden ohnehin kein Interesse daran hätten diesen Wandel voranzutreiben. Dieser Wandel muss also von unten angestoßen werden – also auch von uns als KGB. Doch wie verhalten wir uns? Lehnen wir uns der herrschenden bürgerlichen Logik radikal entgegen und versuchen diese aufzubrechen? Mit Blick auf die Klimabewegung, von NGOs über FFF zu Ende Gelände und autonomen Gruppen, lässt sich dies unserer* Meinung nach nicht erkennen. Im großen Ganzen sind die Bewegung und ihre Akteur*innen eingehegt in das bestehende System.
Bewegungsanalyse
Als Bewegung haben wir in den letzten Jahren viel erreicht. Wir bekommen von allen Seiten Zuspruch, unsere Demos und Aktionen sind riesig und in den Medien sind wir stark vertreten. Doch reicht all dies für einen radikalen Kampf zur Befreiung von Mensch und Natur? Der Zweifel daran wächst. Protest, der sich insbesondere an der positiven Berichterstattung bürgerlicher Presse orientiert, bricht nicht mit der Logik des Bestehenden. Stattdessen kann er stabilisierend wirken: Mit unseren Aktionen sind wir fester und berechenbarer Bestandteil des bürgerlichen Protestschauspiels geworden und dienen hierbei lediglich der Besänftigung unser aller schlechter Gewissen. Was wir durch die Geschichte der sozialen Bewegungen sehen ist, dass der Kapitalismus ausgezeichnet darin ist, Widerstand einzuhegen und unschädlich zu machen.
Wir* befürchten, dass der viel umworbene „System Change“ momentan nur kosmetische Eingriffe an der Logik des Systems vor nimmt, statt es wirklich aufzubrechen. Dabei laufen wir Gefahr, zur Modernisierung hin zum grünen Kapitalismus beizutragen.
Schauen wir* uns die vergangene Zeit an, so sehen wir*, dass sich die KGB vor allem auf Diskursintervention konzentriert hat. Durch Demos, Wald- und Baggerbesetzungen, Großaktionen zur IAA oder im Rheinland und dem Widerstand in Lützerath wurden imposante und symbolträchtige Bilder geschaffen. So hatten wir, bis zu einem gewissen Grad, einen großen Einfluss auf den herrschenden Diskurs. Es konnte zum Beispiel die Dringlichkeit der Klimakrise und der Handlungsbedarf angesichts dieser bestärkt werden. Die hohe mediale Präsenz ist auch ein wichtiger Faktor dafür, dass wir in den letzten Jahren so stark gewachsen sind. Wir haben dieser Strategie viel Positives zu verdanken!
Militante Aktionen jedoch, die ebenfalls jetzt schon aus der KGB heraus passieren, bleiben demgegenüber häufig im Abseits, außerhalb der Blicke der Öffentlichkeit.
Aber was heißt hier für uns* Militanz?
Die folgende Definition beschreibt sowohl die hinter den aktiven Handlungen liegende Motivation, als auch eine Vorstellung davon, welche Rahmenbedingungen die Handlung selber erfüllen sollte. Wir* adressieren mit dieser Begriffsdefinition die KGB:
1. Motivation hinter militanten Handlungen
Unserem* Verständnis nach ist Militanz ein Mittel, welches nur im Kampf für eine radikal emanzipatorische Gesellschaft Anwendung finden sollte. Eine politische Handlung ist für uns* immer dann militant, wenn sie sich antagonistisch zur bestehenden Ordnung verhält. Militante Aktionen versuchen die herrschende Logik aufzubrechen und lassen sich von dieser nicht einhegen. Bei all dem ist es notwendig, die Bedingungen für militantes Handeln als dynamisch zu verstehen. Eine ständige Reflexion der bestehenden Verhältnisse und eine hierauf aufbauende Anpassung der Aktionsform ist notwendig.
Die Militanz ist demnach ein Mittel zur Erreichung eines radikal emanzipatorischen Lebens.
2. Aktionistische Ebene von militanten Handlungen
Auf der aktionistischen Ebene bedeutet militantes Handeln die Erzeugung eines nachhaltigen Schadens – also einen über die physische Anwesenheit der Aktivist:innen hinaus bestehenden. Dieser Schaden kann finanziell sein, aber beispielsweise auch auf die Angst seitens der kapitalistischen Konzerne und Akteur*innen, Investitionen zu tätigen, abzielen.
3. Verhältnis zum politischen Gegner
Zudem wollen wir* uns von Aktionen abwenden, die auf die (moralischen) Entscheidungen derjenigen aufbauen, die wir anstreben anzugreifen (z.B. Staat oder Konzern). Solche Aktionen können durchaus militant sein, dennoch widerstrebt es uns*, das Gelingen einer Aktion an die Entscheidungen der Polizei oder eines Konzerns zu knüpfen. Für die Aktivist*innen sollte eine militante Aktion eine selbstermächtigende Erfahrung sein.
Wir* möchten hier betonen, dass auch für uns* diese Definition nicht endgültig ist. Sie wird bestimmt Lücken und Widersprüche aufweisen. Wir* verstehen sie eher als Anregung und laden euch dazu ein, sie mit uns* zu diskutieren und weiterzuentwickeln.
Wie grenzt sich unsere Militanz-Vorstellung von den aktuellen Aktionsformen der KGB ab?
1. Motivation hinter militanten Handlungen
Herausstechend ist für uns*, dass die momentan dominanten Aktionsformen der KGB daher nicht militant sind. Hiermit beziehen wir uns* auf Protestformen, wie Demonstrationen, (FFF-)Streiks und besonders den mittlerweile weit verbreiteten zivilen Ungehorsam (ZU), der sich zum Beispiel in großen Massenaktionen, wie denen von Ende Gelände und Sand im Getriebe, aber auch in Kleingruppenaktionen, wie Baggerbesetzungen und Schienenblockaden oder in Waldbesetzungen ausdrückt. Das heißt für uns* nicht, dass diese Protestformen an sich falsch sind.
Sie haben in der Vergangenheit der KGB zu Größe sowie einer relativen Diskursverschiebung verholfen und haben dabei durchaus störend gewirkt und mit der Logik des Bestehenden gebrochen. Die groß angelegten FridaysForFuture-Streiks beispielsweise sind anfangs auf starken Widerstand gestoßen und haben für Verärgerung gesorgt. Erst nach und nach haben politische Akteur*innen gelernt die Situation für sich zu nutzen, wodurch die Protestform an Akzeptanz gewann und in die bestehende Logik eingebettet werden konnte. Auch dadurch haben die Proteste zunehmend an Zulauf verloren. Aber nicht nur hier zeigt sich, dass ZU mittlerweile eingehegt, berechenbar, aber in den seltensten Fällen wirklich antagonistisch ist.
Ein weiteres anschauliches Beispiel dafür ist, wie RWE einem Schaden durch die Ende Gelände Massenaktion 2019, die als reine ZU-Aktion – ohne militante Intervention – ohnehin keine hohe finanzielle Tragweite gehabt hätte, damit entgegenwirkte, anfallende Wartungsarbeiten in dem Aktionszeitraum anzusetzen. Außerdem konnten dieBullen auf die professionalisierte und immer ähnliche Choreografie so reagieren, dass die meisten Aktivist*innen gar nicht erst losgehen konnten.
Dieses Phänomen findet sich innerhalb unserer Aktionsformen immer wieder: Sowohl der Repressionsapparat als auch die Konzerne wissen, in was für einem Rahmen wir welche Arten von ZU nutzen und können so selbst unangekündigten Protest, kontrollieren. Neben der Berechenbarkeit sind unsere Aktionen ebenfalls Ausdruck davon, dass wir uns in einem Rahmen bewegen, in dem wir nicht mit dem System brechen, sondern vielmehr einen tolerierten Platz im gesellschaftlichen Diskurs gefunden haben.Das wird unter anderem deutlich durch den fast durchweg positiven Zuspruch in der Presse und vieler Politiker*innen, die als Verfechter*innen eines grünen Kapitalismus gelten. Mehr als ein bisschen Ärger wird auch auf der Seite des Konzerns nicht angerichtet und die Bullen können ihren Einsatz als Erfolg nach innen und nach außen verbuchen. Auf Seiten der Aktivist*innen bleiben nicht viel mehr als gute Bilder, ein bisschen Spaß, aber auch immer mehr gegen sie gerichtete Repressionen.
Eine Folge dessen ist, dass unsere Aktionen kein revolutionäres Bewusstsein erzeugen. Dies wird dadurch verstärkt, dass wir* sie zunehmend als passive, nicht selbstermächtigende und wirkungsarme Erfahrungen sehen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass wir im Versuch, den Aktivist*innen eine möglichst sichere, vorhersagbare und bilderstarke Aktion zu organisieren, diese Aktionen einen Großteil ihres übersprudelnden, kreativen und kämpferischen Potentials eingebüßt haben und der allgegenwärtigen Wut über die Umstände keinen angemessenen Ausdruck verleihen.
2. Aktionistische Ebene von militanten Handlungen
Aber nicht nur der fehlende Antagonismus lässt für uns* ZU als unzureichend (nicht falsch) erscheinen, sondern auch der mangelnde nachhaltige Schaden. Wir schaffen es zwar ein Kraftwerk zu drosseln und zwingen durch Lock-Ons den Konzern seine Züge zu stoppen, dieser „Schaden“ verschwindet aber nahezu unmittelbar nachdem wir unsere Aktion beendet haben, da unser Blockadeerfolg davon abhängig ist, dass wir selbst über die ganze Dauer der Störung vor Ort sind. Der nicht vorhandene nachhaltige Schaden sorgt dafür, dass die Aktionen für den Aufwand, den wir aufbringen müssen, nicht wirkungsvoll genug sind.
Das unser Blockadeerfolg davon abhängig ist, dass wir selbst über die ganze Dauer der Störung vor Ort sind, sorgt dafür, dass sie nicht wirkungsvoll genug sind.
Wir* sehen auch, dass es bereits aus aktionistischer Sicht militante Aktionen aus der KGB heraus gibt, jedoch finden diese meist im Abseits und außerhalb der öffentlichen Blicke statt. Sie werden weder öffentlich noch medial aufgegriffen, geschweige denn breit diskutiert. Wer weiß denn z.B. noch, dass im April 2016 eine Kleingruppe den Tagebau Hambach durch einen Kabelbrand lahmgelegt hat?
Aber besonders werden sie politisch wenig genutzt. Sie sind nicht die dominante Aktionsform, wodurch wir als gesamte Bewegung keine antagonstische Position einnehmen können.
3. Verhältnis zum politischen Gegner
Bei den zur Zeit dominanten Aktionsformen sind wir auf die Entscheidungen von Polizei, Staat und Konzern angewiesen. Das Rechtssystem zwingt die Polizei zwar dazu, die Aktivist*innen aus den Locks zu befreien und der Konzern darf auch nicht einfach einen Zug über die Aktivist*innen fahren lassen – rechtlich wie auch moralisch. Die Aktionen bauen allerdings auf ein Vertrauen darin auf, dass die Herrschenden sich an die Spielregeln halten, wenn es darum geht uns wegzutragen oder uns aus dem Lock-On zu lösen. Wir machen uns abhängig von den Entscheidungen anderer und häufig treten wir sogar mit der Polizei aus strategischen Gründen in Verhandlung.Hierbei weichen wir zugunsten des Pragmatismus unsere antagonistische Haltung zum Staat und seiner Exekutive (Bullen) auf.
Eine Pipeline zu sabotieren, Schienen zu verbiegen oder einen Stromkasten anzuzünden sind demnach für uns* auf der aktionistischen Ebene militante Aktionen, denn sie haben unmittelbar und aus sich heraus, eine nachhaltige Wirkung, die nicht von Handlungen von Staat, Polizei oder Konzernen abhängt.
Wie aber militante Aktionen im Bewegungskontext umsetzen?
Militante Aktionsformen sind auch in der Umweltbewegung nicht neu. Sie wurden bereits im großen Stil im Kontext der Anti-Atom-Proteste praktiziert und werden auch heute immer wieder (zum Beipiel durch Sabotageaktionen an Pumpen beim Hambi), jedoch ohne besondere Öffentlichkeitswirksamkeit, ausgeübt. So ist die Kenntnis über diese Aktionen häufig nicht einmal innerhalb der KGB verbreitet. Unserer* Meinung nach müssen sie aus dem Sporadischen heraus geholt werden und in die dominante Aktionsform übersetzt werden. Darüber, wie militante Aktionen am besten in unsere Strategien integrierbar sind, besteht auch bei uns* noch keine Einigung. Wir* sehen verschiedene Wege, dass militante Elemente in Massenaktionen ihren Platz finden oder aber auch, dass es eine Vielzahl an militanten Kleingruppenaktionen gibt, die koordiniert passieren und veröffentlicht werden. Wichtig ist aber, dass die Hemmschwelle gegenüber militanten Handlungen insgesamt sinkt. Das heißt nicht, dass wir nun alle jederzeit nur noch militante Aktionen machen sollten. Wir* glauben, dass es ein nebeneinander verschiedener Formen braucht. Wir* wollen uns aber für ein Überdenken und Bereichern unseres bisherigen Handelns aussprechen.
Warum ist Militanz das Mittel der Wahl?
Was fehlt ist eine Sprengkraft 😉 der KGB, eine weitere Steigerung der Eskalation des Protests entsprechend der Zuspitzung der Krisen. Wir* haben das Gefühl, dass wir in unseren Aktionsformen ein narratives Maximum erreicht haben. Außerdem scheint auch eine Steigerung der Teilnehmendenzahl keine wesentlich stärkere Wirkung zu haben. Um diesen Konflikt zu lösen, brauchen wir eine neue Art von – militanten – Aktionen, die aus einer linken Perspektive die eskalierende Situation beantworten können. Damit bauen wir uns ein Potential, dass die Möglichkeit hat, eine effektive Gefahr für den fossilen Kapitalismus zu werden.
Militanz birgt dabei folgende Chancen:
1. „Wir sind das Investitionsrisiko“ zur Praxis machen
Sabotage der Produktionsmittel in größerer Anzahl kann, im Gegensatz zu den kurzfristigen Blockaden, ein tatsächliches Investitionsrisiko sein. Fossilkapitalistische Konzerne können heute abwägen, ob und mit was für Aktionen sie aus der KGB rechnen müssen und sich dementsprechend vorbereiten. Ein immer wiederkehrendes Zerstören kann jedoch relevanten finanziellen Schaden anrichten. Nicht nur durch den Sachschaden, den wir verursachen, sondern auch durch Folgeschäden, wie ausbleibende Investitionen wegen größerer Unsicherheiten aus Angst vor militanten Aktionen. Und ja, es kann sein, dass Konzerne sich auch für neue Aktionsformen Mittel überlegen werden, die diesen Schaden klein halten, aber dann müssen wir eben auch immer wieder kreativ und unberechenbar werden. 😉
2. Intervention in den stagnierenden gesellschaftlichen Diskurs
Breit gestreute militante Aktionen bieten das Potential aufzuzeigen, dass es eben keine Einigung bezüglich der Bekämpfung des Klimawandels gibt – so wie es uns durch parlamentarisch politische Diskussionen weisgemacht wird. Die Klimagerechtigkeit, die wir fordern, kann nicht durch Klimapolitik innerhalb eines kapitalistischen Systems erreicht werden, da sie im Widerspruch zur Profitlogik dieses Systems steht.
3. Förderung des eigenen revolutionären Bewusstseins
Militanz ist aber auch auf der Ebene des revolutionären Bewusstseins ein Schritt in die richtige Richtung. Die Beteiligten üben einen direkten Einfluss auf den Handlungsspielraum des politischen Feindes aus und werden damit selbst zu Akteur*innen. Dies folgt – auch wenn es ähnlich erscheint – einer anderen Logik als wenn zum Beispiel dieser politische Feind die Schienen, an die wir uns gekettet haben, zersägt um uns zu „retten“ (oder wenn er sogar nur unsere Körper aus dem Weg räumt). Dieser Schritt hin zum aktiven Handeln, statt eines passiven Im-Weg-Sitzens, ermöglicht es uns, zumindest im kleinen Rahmen, unsere Selbstbestimmung zurück zu erlangen.
Er gibt uns also die Möglichkeit sich in Widerspruch zum bestehenden System zu stellen. Dadurch können wir die strukturelle, systemische Gewalt erkennen und streben nach der notwendigen revolutionären Befreiung aus derselben, anstatt nur innerhalb des Systems an die Herrschenden zu appellieren.
Welche negative Folgen kann eine Militanzsteigerung haben?
1. steigende Repression
Wir sind uns* bewusst, dass eine Steigerung der Radikalität mit der strategischen Nutzung von Militanz zu einer Repressionssteigerung führen wird. Eine Steigerung von Repression ist jedoch schon seit längerer Zeit gegen die radikale Linke und vermehrt auch explizit gegen die KGB zu beobachten. Besonders Fälle wie die Verurteilung von Ella aus dem Danni oder das harte Vorgehen des Repressionsapparats gegen die Aktivist*innen, die im Sommer 2021 eine Zufahrt des Leipziger Flughafens blockiert haben, zeigen, dass die KGB zur Zielscheibe dieses Apparats geworden ist und aktiv Exempel statuiert werden sollen. Statt unser Handeln von Repression bestimmen zu lassen, müssen wir unsere Strukturen auf kommende Repression vorbereiten, so dass wir in unserer Praxis die Möglichkeit haben, notwendige Aktionen auch durchzuführen. Einen entscheidenden Vorteil, den viele militante Aktionen gegenüber dem Blockieren mit dem eigenen Körper haben ist dabei, dass sie keine direkte Konfrontation mit den Bullen voraussetzen.
Potentielle Repression ist eine Konsequenz aus unserem Antagonismus gegenüber Staat und Kapitalismus. Wenn wir ernsthaft vom Umsturz der gesellschaftlichen Verhältnisse sprechen, müssen wir dieser Tatsache ins Auge blicken und für uns selbst im Einzelnen überlegen, wo wir in diesem Kampf unsere Rolle sehen.
Auch wenn wir einen Umgang mit Repressionen finden müssen, sehen wir diese nicht als Teil unserer Aktionen. Sie stellen für uns* keinen strategischen Nutzen á la „lasst uns die Gefängnisse füllen und es ihnen zeigen!“ dar. Jede*r freie Aktivist*in ist besser als eine*r im Knast!
2. Notwendigkeit zur Reflektion
Auch wenn wir* mit diesem Paper zu einer strategischen Auseinandersetzung mit militanten Aktionsformen aufrufen wollen und uns* ganz konkret mehr Militanz aus der KGB heraus wünschen, heißt das nicht, dass wir* jede Art der Zerstörung um ihrer selbst Willen richtig finden. Wie schon in unserer* Militanzdefinition beschrieben, soll Militanz uns letzten Endes einen Weg in eine radikal emanzipatorische Gesellschaft ebnen.
Jede einzelne Aktion sollte daher dahingehend reflektiert werden, ob sie ein solches Ziel verfolgt. Wir müssen kritisch mit uns selbst sein und uns auch der Kritik anderer Genoss*innen aus der Bewegung annehmen. Wir* wollen als militante Aktivist*innen nicht außerhalb der Bewegung agieren, sondern mit ihr.
Das soll nicht heißen, dass es falsch war eine, im Nachhinein schlecht bewertete, Aktion überhaupt durchzuführen. Wir* wollen lediglich, dass die eigenen Handlungen reflektiert werden und so vermeiden, dass Zerstörung eine Dynamik annimmt, die uns von unserem gewünschten Ziel abbringt.
3. Verlust der Akzeptanz in der „gesellschaftlichen Mitte“
Wir* wissen, dass wir mit einer Militanzsteigerung der KGB eine Debatte in der „gesellschaftlichen Mitte“ neu aufmachen werden, da diese Militanz als illegitim abstempelt. Unser politisches Ziel ist aber keine bürgerliche Mitte, die uns feiert. Von deren gutem Willen wollen wir* uns nicht abhängig machen. Wir müssen das Risiko eingehen auf bestimmter Ebene Zustimmung zu verlieren, um an anderer Stelle Handlungsfähigkeit zu gewinnen.
Dabei müssen wir auch damit leben, Kritik aus unserem nahen, persönlichen Umfeld zu bekommen.
Fazit
Trotz aller Herausforderungen, die militantes Handeln mit sich bringt, sehen wir, dass wir Militanz aus der KGB heraus brauchen um aus der stagnierenden politischen Situation zu entkommen und wieder politisch handlungsfähig zu werden, umuns klar zu werden, dass wir eine Handlunsperspektive haben und in relevantem Ausmaß durch unterschiedliche Aktionen Schaden für Konzerne und in einem zweiten Schritt hoffentlich auch am System zu verursachen!
Wir* hoffen, mit diesem Paper sowohl Gedanken und Diskussionen angeregt, als auch Überlegungen, die Genoss*innen schon länger beschäftigen, ausformuliert zu haben. Wir* möchten uns zusammen mit der gesamten KGB auf neue, unbekannte Wege wagen, Einzelpersonen und Bezugsgruppen hierzu ermutigen und gemeinsam Aktionsformen finden, die unserer Wut über die beschissenen Zustände in angemessener Weise Ausdruck verleihen! Auch wir* selbst sind gerade dabei, uns* Gedanken dazu zu machen, wie wir unsere* eigenen Forderungen nach Militanz in die Praxis umsetzen können und werden dabei noch viel Lernen und Probieren müssen. Wir* sind sehr gespannt darauf, was die Zukunft bringt und freuen uns darauf, mit euch gemeinsam neues auszuprobieren, zu diskutieren und zu kämpfen! Denn: Keine Militanz ist auch keine Lösung! Lasst uns Richtung befreite Gesellschaft voRWEg gehen!