Die Verdrängung geht weiter – Berlin im Hauptstadtwahn

In Berlin gab es zahllose Orte, die seit der Entscheidung Berlin zur Hauptstadt des wiedervereinigten Deutschland zu machen, verschwunden oder zerstört worden sind. Alles was nicht kontrollierbar ist oder einen (finanziellen) Mehrwert abwirft, wird polizeilich gegängelt, gekündigt, geräumt oder von Sozialarbeiter*innen ruhig gestellt. 
Es wird hier darauf verzichtet auch nur einen Versuch zu unternehmen diese Räume aufzuzählen. Die Zerstörungen unserer Freiräume sind einigermaßen dokumentiert. Und wenn sie gehaltvoll genug waren, wurde darüber in den komerziellen Medien berichtet. Weit unbekannter sind Verdrängungen, welche sich schleichend und leise vollzogen haben, und nicht die linke Szene betraffen. 
Diese Orte sind alte Brachen oder aufgegebene Friedhöfe, aber auch nicht-preußisch getrimmte Parks und Plätze. Hier treffen sich Menschen, probieren sich aus oder nutzen diese kreativ. Insbesondere in Parks oder Freiflächen kamen Menschen ohne den Zwang des Konsums in Kontakt zueinander. Diese Orte helfen der Durchbrechung der sozialen Isolation, bringen Menschen zusammen… Es sind Orte des Austausches, der Kreativität oder Oasen in einer hecktischen und zubetonierten Stadt. 
Während des Lockdown sind diese Orte wieder viel stärker frequentiert, als vor der Pandemie. Das Resultat des Ausweichens, vor allem von Jugendlichen in Parks, wurde in den Medien und auch großen Teilen der Linken mit der Forderungen nach Strafen begleitet, da es nicht den staatlichen Vorgaben oder den moralischen Vorstellung von zero-covid entsprach. Der Autoritäre Staat wurde wieder gefragt. Einer der Hauptorte des unkontrollierten Treffen und Feiern war neben dem Monbijoupark der Treptower Park. Daher begannen die Bullen den Park verstärkt zu bestreifen und Menschenansammlungen aufzulösen. Als dies nicht ausreichte wurden ein Aufenthalts und Alkoholverbot nach 21.00 Uhr ausgesprochen und  auf allen Eingängen des Parks auf großen Plakaten erklärt. Dass dies nicht nur ein vorübergehender Zustand war, zeigt sich an den Plänen für den Umbau des Parks.
Derzeit werden die Wege erneuert und der Park teilweise umgebaut. Dazu dient als Blaupause die 150 Jahre alte Planung des Parks. Alle nicht geplanten Wege sollen verschwinden und die Nutzung soll so erfolgen wie die Autoritäten es erlauben. Damit dies auch kontrollierbar ist, wird der Treptower Park komplett umzäunt. Einzelne Ein- und Ausgänge bleiben natürlich frei. Diese sind dann aber breit genug, dass die Streifen diese problemlos durchfahren können. 
Der Treptower Park ist nicht der erste Park, wo dies passiert und sicherlich nicht der letzte. Aber damit wird die Kontrolle des öffentlichen Raum weiter voran getrieben und die Stadt versucht in die Form der alten preußischen Reichshauptstadt zu pressen.
Ein weiteres Beispiel ist das südliche Ende der Friedrichsstraße um den Mehringplatz beim Hallischen Tor in Kreuzberg. Der Mehringplatz, samt des U-Bahnhofes Hallisches Tor, wird seit Jahren aufwendig saniert. Auch hier dient als Blaupause Pläne aus Zeiten der preußischen Reichshauptstadt. Die gesamte Friedrichsstraße soll wieder den alten Glanz Berlins verkörpern und so finanzstarke Investoren anziehen.
Dies ist vor allem für die Anwohnenden dieser Gegend mit massiven Belästigungen durch die Bauarbeiten verbunden. Hinzu kommt der schlechte Zustand der anliegenden Häuser. Diese sind in den 70’er und 80’er Jahren als billiger Wohnraum an der Mauer mit Ghettocharakter als Plattenbauten entstanden. Die Häuser waren stark vernachlässigt und krasse Beispiele, wie lange Heizungs- oder Fahrstuhlausfälle, wurden auch mal in den Medien mit einem Artikel gewürdigt. Hier wohnen vor allem arme Menschen der unteren sozialen Schichten ohne entsprechende Kaufkraft und/oder ohne Wahlrecht.
Der Sanierungsstau bei den Häusern des inneren Kreises direkt auf dem Platz ist jedoch kein Zufall. Hier ist seit Jahren geplant die Häuser des mittleren Kreises abzureissen und den Rest zu renovieren. Damit kann von einer starken Verdrängung der aktuellen Bewohner*innen ausgegangen werden.
Was soll von den Regierenden auch anders erwartet werden. Es wird von „Assis“ (O-Ton) in nicht-öffentlichen Ausschüssen gesprochen, welche doch and den Stadtrand in die Plattenbaughettos ziehen sollen, wenn sie sich die Miete in der Innenstadt nicht leisten können. In diesen Ausschüssen sitzen auch Politiker*innen der linken Parteien (SPD, Grüne, Linke), welche nicht nur dem nicht-widersprechen, sondern dies auch befürworten.
Diese Beispiele sind weitere Schritte in Richtung einer kontrollierten sauberen Stadt, die die Maske der Kreativität und Freiräume aufgesetzt hat. Hinter der Maske verbirgt sich der alte Größenwahn der Hauptstadt eines Deutschland mit weltpolitischen Gewicht.
Berlin muss brennen