FollowUp: Aufarbeitung des patriachalen Ist-Zustands

Im Dezember wurde von einem größeren Workshop für (cis-)Männer*1 zur „Aufarbeitung des patriachalen Ist-Zustands“ in Berlin berichtet https://kontrapolis.info/5841/. Ausgangspunkt war der Fall des antifaschistisch engagierten Johannes Domhöver https://de.indymedia.org/node/156448, der vielen aufgezeigt hat, dass Fälle sexualisierter Gewalt in der Szene sehr viel mit dem Zustand der linken Szene selbst zu tun haben. Konkret geht es um die Akzeptanz und Unterstützung patriarchaler Gewalt, durch eine antifeministische Grundhaltung, durch Emphatie- und Verantwortungslosigkeit und aktiven Täterschutz in Zusammenhängen, die sich angeblich als progressiv verstehen. Im Bericht von Dezember-Treffen wurde am Sinn solcher einmaligen Workshops und vor allem an der Verbindlichkeit der Verabredungen (Änderungen in den Beziehungen, in der Gruppe, in der Szene) gezweifelt. Bei dem Folgetreffen Mitte Februar sollte es nun darum gehen, was von den Ideen umgesetzt wurde, wo es dabei Probleme gibt und welche Erfahrungen es mit Formaten wie Kritischer Männlichkeit gibt. Letztlich ging es bei diesem Follow-Up-Treffen auch um die Frage, ob wir solche Treffen irgendwie verstetigen können. Wir teilen hier, in Absprache mit allen Beteiligten, was diesmal besprochen wurde. Einerseits um Transparenz darüber herzustellen was zu dem Thema diskutiert wird, aber auch um aufzuzeigen wo die Leerstellen und Probleme liegen.

Als Vorbereitungskreis waren wir positiv überrascht: Es kamen einerseits viele vom letzten Treffen wieder und es kamen einige, die wir vorher nicht erreicht hatten und selbst in Aufarbeitungsprozesse involviert sind. Offenbar gibt es ein großes Bedürfnis nach Vernetzung und keine anderen Räume für einen Erfahrungsaustausch zwischen Gruppen, zusammengewürfelten Zusammenhängen und Einzelpersonen. Auch überraschend fanden wir wieviele sich schon in der Vorstellungsrunde zu eigenem Fehlverhalten bekannten und auch darstellen wollten wo sie im Reflexionsprozess stehen. Als Erwartungen an das Treffen wurde außerdem angesprochen: Konsequenzen aus öffentlich bekanntgemachten Fällen ziehen; Reflexion von Nicht-Verhalten und Verantwortungsvermeidung; wie können Gruppen ansprechender für Flinta*2 werden.

In der Runde zu „Was ist seit dem letzten Treffen passiert“ gab es zunächst einen Gruppen-Input, der sich auf eine Veröffentlichung von Juni bezog https://kontrapolis.info/3903/ und Folgendes noch ergänzte: Beteiligung an Flinta-Vernetzungen/Aktionen; transparente Selbstbildung der (cis-)Typen; paritätische Teilnahme an Bündnistreffen; Kontakt- und Skill-Monopolisierung abbauen; Offenlegung von Liebesbeziehungen.
Mehrere Gruppen hatten mit dem genannten Fall Domhöver zu tun und sind in eine Koordination zur Abarbeitung von antisexistischen Forderungen (z.B. Gruppen zur Reflexion von Männlichkeit zu gründen) eingebunden. In dem Zusammenhang wurde auch von versuchter Täter- und Kontrollarbeit und den Fehlern die dabei gemacht wurden berichtet. Alles nicht konkret genug um es hier darzustellen, weshalb wir hoffen, dass in nächster Zeit von den Zusammenhängen noch einmal etwas Ausführliches kommt.
Von konkreten Maßnahmen aus dem gemeinsam erstellten Katalog vom letzten Treffen wurde wenig berichtet, aber von vielen Problemfelder, die erneut aufgemacht wurden. Eine Auswahl: „Freiwilligkeit; Fluktuation; Unregelmäßigkeit; Unvereinbarkeit mit Alltag und anderer politischer Arbeit; persönliche Prozesse dauern lange; Transparenz für Außenstehende ist schwer herzustellen; emotionale Involviertheit blockiert Aufarbeitung; das Thema hat keine Priorität aber ist nicht unwichtig; (cis-)Typen werden in gemischten Gruppen schnell (nicht nur von care-arbeit) entlastet“. So banal einzelne Punkte klingen, so authentisch sind sie wohl auch.
Gute Hinweise waren: „Extra-Treffen zum Thema; Hinterfragen der Struktur von Hetero-Liebesbeziehungen; eingeforderte Selbstreflexionsschreiben; Reflexion mit wem man Politik macht und welche Kriterien die erfüllen müssen; Beschäftigung mit eigenem Sexismus öffnet auch den Raum für die Beschäftigung mit Rassismus und Klassismus; Care-Arbeit für profeministische Events“.

*“Was fehlt“ – Kleingruppenphase
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Da in der großen Gruppe von 40 Personen nicht alle alles aussprechen, wurden sieben Kleingruppen gebildet um die aufgetretenen Probleme in der Bearbeitung des patriarchalen Normalzustands zu besprechen.
Hier wurden Bedarfe und Wünsche, die in der letzten Zeit bewußt geworden sind, geteilt. Den meisten ist es leicht gefallen Theoriearbeit zu machen. Konkret haben sich viele mit kritischer Männlichkeit, oder zumindest mit dem Konzept beschäftigt. In einigen Gruppen ist es Pflicht sich an kritischen Männlichkeitstreffen zu beteiligen. In den Treffen fehle es aber teilweise an Offenheit und Verbindlichkeit. Einige haben keinen Anschluss zu solchen Gruppen gefunden. Manche haben sich persönlich an bestimmten Fällen oder Tätern abgearbeit, ohne das mit anderen zu teilen. Das war nicht sehr „effektiv und hat zermürbt“. Die Wortwahl zeigt wie es nach Ansicht einiger laufen sollte: effektiv, praktisch und möglichst wenig aufreibend. Das wird wohl kaum gelingen, wenn wir dem Thema gerecht werden wollen.
Vielen fehlen die Methoden zur Aufarbeitung, aber auch die richtige Sprache (z.B. Begriffe). Es war gut sich Outcalls zu Tätern anzuschauen und sich mit den Positionen z.B. im Fall Domhöver zu beschäftigen und verstehen zu lernen. Offenbar sind andere Möglichkeiten sich feministische Positionen anzueigenen (Aktionstage wie 8.März, Debatte um §219, MeToo, Monis-Rache und viele Fälle in den letzten zwei Jahren) spurlos an einigen – die sich ja trotzdem als Teil der linksradikalen Bewegung betrachten – vorbeigegangen.
Viele Gruppen haben sich auch mit der Frage der Transparenz beschäftigt. Wie kann man die eigene Arbeit an sich persönlich und am Thema gegenüber Flinta besser darlegen? Sind z.B. Protokolle das richtige Mittel? Manchen ist auch aufgefallen, dass es viele nicht beherrschen Protokolle zu schreiben, um komplexere Diskussionen für Leute darzustellen, die nicht dabei waren.
Oft wurde gesagt, dass es zu wenig Austausch und auch Rücklauf von solchen Treffen gibt. Die Trennung von Flinta und (cis-)Männer bei der Bearbeitung verkompliziert das oft und wurde von manchen Gruppen wieder aufgegeben. Auch weil oft Probleme der Gesamtgruppe in solchen Plena angeprochen werden, die nur kollektiv gelöst werden können. Transparenz bedeutet auch Prozesse aus den Gruppen szeneöffentlich zu machen und nicht nur im eigenen Kreis. Wichtig sei es eben Wissen zu teilen, damit andere auch davon profitieren können.
Auch wenn theoretische Arbeit gut läuft (obwohl nicht dargestellt wurde wie genau), ist die Umsetzung in der Praxis nochmal viel schwerer. Hier wurde es dann etwas unplausibel, da viele aktuelle Broschüren (es muss ja nicht der Männerrundbrief aus den 90er Jahren sein), die aus der Bewegung für die Bewegung geschrieben wurden, ja genau diese Praxisebene beinhalten. Das sind dann oft aktivierende Fragen zur gemeinsamen Reflexion, aber auch konkretere Dinge. Hier kann man das Gefühl bekommen, dass (cis-)Männer erwarten, dass ihnen alles vorgekocht und vorgekaut wird. Das Lesen einer 40seitigen Broschüre wird als „Theoriearbeit“ verkauft. Die Anwendung der Vorschläge daraus riecht dann natürlich schon nach „Professionalisierung“.
Eine Gruppe berichtete von Kritik- und Selbstkritikrunden, die in Plena geholfen haben, um Emotionen darzustellen und persönliche Denkprozesse zu teilen. Natürlich kam auch hier der obligatorische Hinweis, die Reflexionspraxis auch auf Nicht-Polit-Kontexte, also das erweiterte Umfeld, zu übertragen. Es gibt überall (cis-)Männer die sich problematisch verhalten, aber nicht auf indy geoutet wurden. Ein klassischer Fall von Ablenkung von den Fällen die auf dem Tisch liegen, oder tatsächlich der Anspruch eine breite anti-patriarchale Praxis zu haben?
Berichtet wurde davon, dass die Abgabe von Verantwortlichkeiten und Fähigkeiten, um Machtpositionen aufzugeben, in Gruppen eher schleppend vorankommt. Dazu muss es natürlich auch Menschen geben die die Positionen einnehmen wollen. Hier stellte sich die Frage, wie mehr Flinta in die Gruppen und Zusammenhänge integriert werden können. Was hindert Flinta daran sich in Gruppe zu engagieren? Welche antifeministischen Tendenzen gibt es in den Gruppen? Welche Themen werden überhaupt bearbeitet? Wie sind die Erfolgserlebnisse und die Streetcredibility verteilt? Das sind Gruppenprozesse und Diskussionen für die auch Raum im Normalbetrieb da sein muss. Viele wollten sich dafür aber nicht die Zeit nehmen.
Am Rande wurde angesprochen, dass die Beschäftigung mit dem Thema auch die Gefahr birgt, dass Typen Selbstbestätigung aus dem Ganzen ziehen und als scheinbar reflektierte und kritikresistente Macker wieder auftauchen. Das ist dann auch so ein Wettbewerbsding zwischen Männern. Andererseits braucht es auch gelungene Prozesse, Lernerfolge oder Ähnliches, damit das Ganze nicht zu frustrierend ist.
Wir begreifen diesen Teil des Tages auch als Plattform um sich „rund um“ Johannes in einem breiteren Rahmen auszutauschen. Das wurde nicht so richtig genutzt. Nur wenige konnten klar formulieren was die Probleme derzeit sind, woran sie überhaupt gerade arbeiten und wie das praktisch aussieht. Meinungen dazu: „Das hat auch was mit den zerütteten Beziehungen zu tun, die erstmal wieder aufgebaut werden müssen. Manche stehen noch unter Schock, sind nirgends angebunden, wo sie das teilen können. Viele Kritikpunkte am Täter-Umfeld wurden nicht genauer formuliert, widersprechen sich gegenseitig und werden daher oft nicht verstanden. Schwierig das Patriarchat im Kleinen zu erkennen und dafür Verantwortung zu übernehmen. Großer Wunsch nach kontinuierlicherem Austausch, um auch sich selbst besser reflektieren zu können. Aufbau von Strukturen ist ein Thema, aber dafür braucht es mehr Stabilität und Vertrauen als jetzt da ist.“
Die Kleingruppen hatten Gelegenheit ihre Punkte im großen Plenum vorzutragen. Die Zeit um das alles zu diskutieren gab es hier nicht. Ziel der zweiten Hälfte des Tages war stattdessen, zwei der identifizierten Problemfelder anzugehen: Qualität Kritischer Männlichkeitsarbeit und Probleme der Organisierung zu dem Thema. Nach einer längeren Pause gab es zwei große AGs dazu.

*Workshop zu Männergruppen, deren Inhalten und Fallstricken
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Am Workshop, der von einer externen Person angeleitet wurde, nahmen 25 Personen teil. Es wurde zu Beginn darauf hingewiesen, dass es sich um eine Einführung handelt und das Themengebiet zu komplex für die Kürze der Zeit ist. Die eigentliche Arbeit beginnt somit nach diesem Treffen. Die Ansprüche und Wünsche an den Workshop waren teilweise unterschiedlich, konnten aber folgende Schnittmengen aufweisen: Zum einen ging es grob um den Wunsch einer „Anleitung“, also einer Wissensweitergabe und Fortbildung zum Thema Männlichkeit und der Frage was Kritische Männlichkeit eigentlich ist. Zum anderen war das Interesse groß an Fehleranalyse, Fallstricken und Dynamiken in solchen Gruppen und welche Widersprüche dort entstehen könnten.
Positiv ist, dass fast alle der anwesenden Personen versuchen sich zu dem Thema bereits in Gruppen zu organisieren. Die Motivation dafür ist unterschiedlich und teils durch die Forderungen von Flinta und als Konsequenz aus dem Fall Domhöver zu sehen.
Neben einem kurzen theoretischen Input, was Männlichkeit und Herrschaft miteinander zu tun haben (https://www.dissens.de/podcast), ging es direkt um die Themen, die Männergruppen bearbeiten.
Arbeitsfelder: (1) Anhand der eigenen Biografie lernen wie patriarchales Verhalten entsteht. (2) Emotionale Arbeit für einander übernehmen bzw. erlernen und üben. Wichtig ist hierbei das in andere Felder des Lebens zu übertragen. (3) Patriarchatskritik untereinander üben und problematische Verhaltensweisen thematisieren. (4) Methoden um das eigene Verhalten reflektieren. (5) Feministisches Wissen gemeinsam aneignen.
Diese Arbeit findet auf verschiedenen Ebenen der Auseinandersetzung statt: A) Was machen wir damit? = Handlungsebene. B) Wie geht es dir damit? = Emotionale Ebene. C) Wie verstehen wir das? = Wissensebene
Konkretere Methoden dazu: (1) Biografisches Erzählen und das auch reflektieren. (2) Fallbesprechungen um Alltagssituationen zu reflektieren (Sorgearbeit und Betroffenheit). (3) Feministisches Wissen aneignen (theoretisch und praktisch).
Es gibt ausreichend Themen die unter all den verschiedenen Ebenen reflektiert werden könnten und sollten. Wenn nur eine der Ebenen betrachtet wird, fallen andere Aspekte sehr schnell hinten runter. Als Beispiel: Was bringt uns eine Wissensebene ohne entsprechende Handlungen?
Weiterhin ist essentiell, in welchem Kontext diese Männergruppen sich bilden und bestehen. Viele organisierten Gruppen haben eigene Formate innerhalb ihrer politischen Praxis und Theorie, um dem Thema gerecht zu werden. Diese wirken aber meist nicht tiefgreifend genug auf das soziale Umfeld und Bewusstsein.

Fallstricke und Sackgassen in der Arbeit zu kritischer Männlichkeit:
1. „Gefühlsolympiade“ = Wettbewerb der Männer, wie man seine Gefühle nach außen darstellt.
2. „Hoffentlich merkts keiner (Ich bin ein Mann)“ = Weglassen schambehafteter Momente in der Gruppe
3. „Ich kenne die Codes“ = Bestätigung jeder feministischen Theorie, ich bin trotzdem der größte Macker
4. „Warum passiert denn nichts?“ = Keine Vorbereitung und Nachbereitung der Treffen, führt zu Einschlaftendenz. Hier ist mehr Eigenantrieb und Transparenz gefordert.
5. „Angstraum“ = Besonders bei radikaler Männerkritik (Vermischung von Privilegien und Täterverhalten). Es entstehen ambivalente Gefühle, Kritik sollte auch etwas wohlwollendes haben und auf Veränderungsprozesse bedacht sein.
6. „Profeministisches Schulterklopfen“ = Eigene Bestätigung führt zur Externalisierung der eigenen Verhaltensmuster auf die Umwelt.
7. „Hier ist es nett“ = Gute Intention, aber wir wollen keine Wohlfühloase für eine Auseinandersetzung

Tools für die Reflexion von Kritischer Männlichkeit:
- Berichte, Nachfragen und Kritik ermöglichen (falls Transparenz gewünscht ist)
- Protokolle um sich selbst zu fragen, was gemacht wurde (Unter Wahrung von Vertaulichkeit)
- Evaluation: Möglichkeit wäre hier externe Supervision und die Fragen nach „Weiter so?“ oder „Brauchen wir eine Veränderung?“.
- Konkrete Ziele formulieren, sowohl langfristig als auch kurzfristig. So kann überprüft werden ob wir das machen, was wir uns vorgenommen haben.
- Mit dem Umfeld klären, was geteilt werden kann.

*Verstetigung: Arbeitsgruppe zu Organisierung
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Parallel zu dem Workshop fanden sich rund 15 Personen zusammen, um darüber zu sprechen wie und ob weitere Treffen dieser Art stattfinden sollten und wie eine verbindliche Struktur aussehen kann, die nicht nur Nabelschau betreibt sondern auch Verantwortung  übernimmt. Denn klar ist, dass die ratlose Unorganisiertheit unter uns (cis-)Männern zum Thema Patriarchat Übergriffe erleichtert, deren Aufarbeitung erschwert und die Bewegung nachhaltig schwächt.
Ein Beispiel wie eine Organisierung aussehen könnte ist die Gruppe „Gegen_Gewalt“ aus Würzburg. Diese versteht sich als Bildungskollektiv und Ansprechgruppe gegen sexualisierte Gewalt und hat vor kurzem die Broschüre „„Wi(e)derstand nach dem Fall“ (https://gegengewalt.blackblogs.org/broschure/) veröffentlicht, die auch konkrete Handlungsmöglichkeiten vorschlägt. In Berlin gibt es die Gruppe „ask gerd_a“ (askgerda.blogsport.de) die eine Unterstützung Betroffener von sexualisierter Gewalt anbietet, sowie die Guppe „pro_fem 030“ (https://kritische-maennlichkeit.de/wer/pro_feministisches-netzwerk-berlin/), die neben der Unterstützung und Übernahme von Reproduktionsarbeit für feministische Aktionen und Gruppen, eine Vernetzung mit feministischen Gruppen und pro_feministischen Männergruppen sowie eine kritische Auseinandersetzung mit Männlichkeit(en), als Ziele benennt. Bisherige Ansätze laufen, aber leider auf niedrigem Beteiligungsniveau.
Darauf basierend stellten wir uns folgende Fragen: Wie können bereits existierende Gruppen und Strukturen unterstützt werden? Würde eine weitere Gruppe zu dem Themenkomplex „Patriarchale Gewalt“ Sinn ergeben und welche Punkte müsste diese abdecken ohne eine Doppelung zu schaffen? Wäre eine weitere Gruppe ein Problem, oder hilfreich? Wie müsste das aufgebaut sein um Hürden für die Teilnahme niedrig zu halten und gleichzeitig für Verbindlichkeit zu sorgen?
Die Zeit von 90 Minuten reichte bei weitem nicht aus um diese Fragen ausreichend diskutieren zu können. Wir sammelten somit einige Arbeitsfelder und Bedürfnisse, die uns aus den vergangenen Diskussionen wichtig erschienen und mit denen wir uns befassen wollen:
– Wissensweitergabe und -Speicherung (z.B. in Form von Vorträgen oder einer Textsammlung)
– ein Austausch- und Vermittlungsort zum Thema Patriarchat und sexualisierte Gewalt, um korrigierend und motivierend auf z.B. kritische Männlichkeitsgruppen einzuwirken.
– ein Ort der Beratung und kollektiven Auseinandersetzung mit patriarchalen Verhaltensweisen und Übergriffen, der soweit gestreut ist, dass bei Fällen schnell berlinweit gehandelt werden kann.
– ein Ort an dem z.B. Unterstützer*innengruppen oder transformative Arbeitsgruppen, Care- und Repro-Arbeit weitergeben können (z.B. Wohnungssuche, Geld für rechtliche Beratung sammeln etc.)
– Vermittlung und Vernetzung mit ähnlichen Strukturen aus anderen Städten
- Unterstützung von profeministischen Gruppen

Da die Arbeitsgruppe ausschließlich aus (cis-)Männern bestand, war klar, dass wir ersteinmal nur Vorschläge erarbeiten, wie eine (gemischtgeschlechtliche) Gruppe dazu aussehen kann. Dazu sind uns folgende Fragen und Vorschläge gekommen die unserer Meinung nach in einer weiterführenden Diskussion besprochen werden sollten:
– Wie könnte eine Arbeitsaufteilung aussehen, die vor allem Flinta entlastet?
– Wie erreichen wir unorganisierte Menschen die gerne mitarbeiten wollen? Ein Vorschlag dazu war stadtteilbezogene Gruppen solcher Organisierung zu etablieren. Dagegen sprach, dass dann nur viele kleine Grüppchen entstehen, die kaum handlungsfähig sind.
– Wenn eine Hürde Verbindlichkeit und Regelmäßigkeit ist, dann müssten wir schon monatliche Treffen (immer gleicher Ort/Zeit) anstreben, um überhaupt weiterzukommen.
– Da es schon gute Gruppen gibt, sollten wir nur eine regelmäßige VV mit anschließendem Workshop machen. Ständige Themen wären dann: Was läuft aktuell in Berlin (Fälle, Unterstützungsanfragen, Events) und was geht in den Gruppen?
– Wie kann eine ständige Reflexion von patriarchalen Verhaltensweisen und -Dynamiken in so einer Gruppe / Struktur aussehen? Kontinuierliche Meldungen aus der Struktur nach außen, sind wichtig, um auch Selbstreflexion darzustellen. Es würde schon helfen wenn die Beteiligten (cis-)Männer, die Treffen auch in ihren sonstigen gemischten Zusammenhängen zur Diskussion stellen.

Ein weiterer Diskussionspunkt war, ob es einen dritten Workshop-Tag geben soll und wie dieser aussehen kann? Welche Probleme sind jetzt bereits da oder können noch kommen und welche positiven Aspekte sehen wir bis jetzt in den Workshops, die seit Juni 2021 in größerer Runde stattfinden? Die Workshops dienen als Ort der Auseinandersetzung und Kontrolle zwischen den verschiedenen Gruppen und Einzelpersonen. Es wird für uns alle immer schwieriger, sich der Verantwortung zu entziehen, wenn von Teilnehmern dieser Workshops patriarchales Verhalten ausgeht. Wir sehen die gegenseitige Abfrage von Fortschritten, die auf den Workshops stattfindet, als gutes Instrument an, welches bei der kollektiven und persönlichen Auseinandersetzung eine Verbindlichkeit und Ernsthaftigkeit schafft. Die daraus resultierende Kritik oder eben die gegenseitige Beratung ist ein wichtiger Baustein, kann aber die eigene Auseinandersetzung und die Motivation nicht ersetzen. Die Rat- und Planlosigkeit fällt schnell auf.
Eine Gefahr, vor der immer wieder gewarnt wird, ist die neue Form der Männerbündelei und das Schaffen einer exklusiven „Wohlfühloase“. Wie erreichen wir eine externe Kontrolle über diese Treffen ohne Mehrbelastung für Flinta? Eine Lösung wäre bspw. eine regelmäßige Supervision anzufragen, die die Workshops begleitet und dann besser einschätzen kann welchen Mehrwert die haben. Ein weiteres Problem besteht darin, dass wir unorganisierte (cis-)Männer mit den (nicht-öffentlichen) Einladungen wenn nur über Umwege erreichen und dass viele der eingeladenen Gruppen bzw. deren (cis-)Männer nicht an den Workshops teilnehmen. Ebenso muss die momentane Aufgabenverteilung im Auge behalten werden. Die Vorbereitung sollte nicht von den immer selben Gruppen gemacht werden. Dadurch werden Hierarchien und fehlende Verbindlichkeit aller anderen entstehen. Diese Dynamiken können durch Rotation der Vorbereitung durchbrochen werden. Dadurch wäre es möglich, dass alle ihre Ideen einbringen können und die Workshops aus verschiedenen Ecken und mit unterschiedlichen Erfahrungen und Bedürfnissen vorbereitet werden.
Von den 90 Minuten wurde viel damit verschwendet zu betonen, dass vieles, was angedacht wurde, „Arbeit“ bedeutet. Kaum, dass über regelmäßige Vernetzung nachgedacht wurde, kamen sofort die Themen Arbeitsteilung und Hierachien auf den Zettel, statt sich frohen Mutes in die Verantwortung zu begeben der sexualisierten Gewalt in der Bewegung ein Ende zu setzen. Offenbar fehlt vielen das Vertrauen in andere, in Selbstorganiserung und eigene Kapazitäten. Statt mit irgendwas mal anzufangen, wird argumentiert warum eigentlich alles problematisch ist. Es herrscht fast schon panische Angst davor sich festzulegen, Teil von etwas zu sein, was den eigenen persönlichen Horizont übersteigt. Es gibt ein großes Bedürfnis nach individueller Entlastung und Verschiebung auf eine nicht konkretisierte kollektive Ebene – bei der wiederum offen bleibt, ob man selbst davon Teil sein wird. Dennoch konnten wir uns auf ein paar Ziele einer Vernetzung einigen, die dann der großen Gruppe vorgestellt werden.

*Abschluss: Im April weiter
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Nach den Arbeitsgruppen wurde wieder in der Großgruppe über das „Wie Weiter“ diskutiert.
Aus dem Workshop zu Kritischer Männlichkeit hieß es, dass sich viele eine Weiterführung in großer Runde wünschen, weil das der Reflexion der eigenen Arbeit hilft. Weitergehende Vernetzung ist nie schlecht, aber kostet auch Kapazitäten. Als schwierig wird auch erachtet alles parallel zu betreiben. Also z.B. Betroffenenarbeit, Täterarbeit und kritische Männlichkeit zugleich. Dass alles irgendwie zusammengehört, muss sich erst noch durchsetzen.
Zur Organisierung wurde festgehalten: Die Treffen sollen weitergehen, wenn auch nicht ausschließlich für (cis-Männer). Ziel sollte eine ständige Vernetzung zum Thema sein, die mehrere Aufgaben erfüllt (Intervention und Unterstützung bei aktuellen Fällen, Bildung, Ort der Kritik und Selbstkritik für Zusammenhänge). Dazu muss es eine Ansprechbarkeit geben, die nachvollziehbar ist. Dafür wurde eine Emailadresse eingerichtet antipat030@systemli.org. Es muss irgendwie eine Kontrollmöglichkeit geben, die über die regelmäßigen Bericht hinausgeht. Die Ideen werden mit Flinta-Vernetzungen geteilt. Ein nächstes Treffen wird für Anfang April angesetzt.
Die Orga teilte hier den Link fürs Protokoll mit, mit dem Hinweis, dass alle sich das in den nächsten zwei Wochen anschauen können, weil das die Grundlage für den vorliegenden Bericht werden sollte. Außerdem wurden weitere Hinweise von dem Referenten der AG zu Kritischer Männlichkeit in dem Link geteilt.
In der Feedbackrunde wurde traditionell viel gelobt und betont dass die Sorge besteht, dass es sich um ein einmaliges Zusammenkommen handelt. Vor allem der extern vorbereitete Teil zu kritischer Männlichkeit hat vielen weitergeholfen. Die inhaltliche Arbeit sollte mehr ausgebaut werden. Die gesammelten Probleme im ersten Teil sollten aufbereitet und in eigenen Workshops behandelt werden. Die grundsätzlich gute Stimmung (Harmoniebedürftigkeit) war wichtig, damit auch eigene Erfahrungen geteilt werden. Dass sich viele so wohl gefühlt haben, hat einige dennoch stutzig gemacht.

Kontakt zur Orga: antipat030@systemli.org

*1 Cisgender: Menschen, deren Geschlechtsidentität mit dem bei der Geburt definierten Geschlechtseintrag übereinstimmt. 
*2 FLINTA steht für Frauen, Lesben, Inter, Nicht-Binär, Trans und A-Gender.