Von Rom nach Bialystok, über Berlin – Verbindungen zwischen einer anti-anarchistische Operation in Italien mit Berlin

Von Rom nach Bialystok, über Berlin

Verbindungen zwischen einer anti-anarchistische Operation in Italien mit Berlin

Am 12. Juni 2020 fand in Italien die Operation „Bialystok“ statt. Ein weiterer Angriff auf das anarchistische Milieu, der sich in die lange Tradition der staatlichen Angriffe gegen rebellische Strukturen und Individuen eingliedert. Hauptakteure dieser „Operation“ sind zwei Staatsanwälte und ihre Schnüffler von der ROS – der „Gruppierung für Sondereinsätze“ (Akronym: ROS), das einzige Ermittlungsorgan der Carabinieri mit der Zuständigkeit sowohl für organisierte Kriminalität, als auch für Terrorismus. Mit geballter Faust und viel stümperhafter Detektivarbeit haben sie seit der Buchvorstellung von „Die Anarchisten von Bialystok“ (das Anfang 2018 ins Italienische übersetzt wurde) und dem Brandsatzanschlag gegen eine Carabinieri-Kaserme im gleichen Jahr versucht, persönliche Verbindungen von Gefährt*innen zurecht zu legen und „mutmaßliche Verdächtige“ über Monate komplett überwacht. Dabei kam ein kleiner Berg an Ermittlungsakten zustande, dem es an Fantasie kaum mangelt. Und dennoch – es mag absurd klingen – war das Ergebnis dieser Ermittlungen, dass am Tag der „Operation“ fünf Haftbefehle und zwei Hausarreste vollstreckt wurden. In Folge dessen saßen die verhafteten Gefährt*innen für 9 Monate in U-Haft. Der letzte der vor kurzem entlassen worden ist, Claudio, saß 13 Monate in U-Haft, wobei er sich die meiste Zeit in Einzelhaft befand. Doch wäre es nach den ROS und der römischen Staatsanwaltschaft gegangen, wäre das Ausmaß dieser Operation noch viel drastischer und größer gewesen. Denn eines der angestrebten Ziel der Ermittlungen wurde erst, durch die akribische Auswertung der aktuell vorliegenden Akten, klar.
Ein kurzer Rückblick: Bei der Operation „Bialystok“ war der Aufhänger der Ermittlungen das erst kurz davor veröffentlichte Buch „Die Anarchisten von Bialystok“. Dieses Buch handelt von den Interventionen und Erfahrungen anarchistischer Gruppen Anfang des 20. Jahrhunderts in der polnischen Stadt Bialystok. Unabhängig davon ging es bei den Ermittlungen auch um angebliche „konspirative Treffen“, wie beispielsweise das „klandestine“ Treffen „Dire e Sedire“ („Sagen und Konspirieren“ – eine exakte Übersetzung von „Sedire“ ins Deutsche ist nicht möglich und „konspirieren“ nähert sich der Bedeutung am meisten) und andere Handlungen, welche Solidarität mit den Betroffenen der Operation „Panico“ (2017-2019) ausdrücken wollten. Ein weiterer wichtiger Aspekt waren die „militanten“ Biografien der jeweiligen Verdächtigen, wie auch die persönlichen, solidarischen und „politisch/ideologischen“ Beziehungen zwischen den Gefährt*innen. Die fehlende Prise Salz, welche die Suppe der Schnüffler*innen abrunden sollte, waren die direkten Aktionen, die teilweise mit „FAI/FRI“ unterschrieben worden waren – die „Federazione Anarchica Informale – Fronte Rivoluzionario Internazionale“ / „Anarchistischen Informelle Föderation – Revolutionäre Internationale Front“ ist eine international agierende anarchistische Gruppierung. Die Vorgehensweise der Staatsanwaltschaft basierte auf dem „ideologischen Delikt“ oder „Gedankenverbrechen“ das den Anarchist*innen pauschal unterstellt wurde und der auch als theoretische Voraussetzung von „praktischen Delikten“ diente. Schnell wurden alle angeblichen Indizien, Beziehungen, öffentliche Veranstaltungen und Aktionen zusammen in den Kochtopf geworfen, um dann schön langsam von den Staats-Schnüfflern geköchelt zu werden. Die Staatsanwaltschaft liebt es diese Suppe mit Infos aus älteren oder anderen Ermittlungen zu würzen und die Ermittlungsrichter*innen freuen sich über die warme Kost die ihnen serviert wird. In Italien ist dies ein längst bekanntes Rezept – es ist kurzfristig effektiv, langfristig bisher, in Relation mit den ganzen Operation und Inhaftierungen der vergangen Jahre, recht erfolglos. Für Anarchist*innen und etliche Zusammenhänge bedeutet dies, dass sie sich um ihre Gefangenen und sonstige Repressionsarbeit, sowie Betroffene (von Hausarreste, Sonderüberwachung, Fußfesseln, „DASPO“ / Aufenthaltsverbote bei Sportveranstaltungen, mündliche Verweise und weitere Auflagen) kümmern müssen. Verständlicherweise zehrt das an den Nerven, aber die Idee von der Zerstörung dieser Gesellschaft und der Wunsch nach Freiheit wird dadurch keineswegs gebrochen. Das zeigen u.a. die unzähligen Aktionen die immer wieder stattfinden und die vielen publizistischen Projekte in Italien.

Generell haben sich die Ermittlungen der ROS in den letzten Jahren auf Verbindungen zwischen Individuen, Strukturen, besetzten Häusern und vermutlichen konspirativen Zusammenhängen fokussiert. Sie kreieren ein Weltbild, in dessen Anarchist*innen in jene aufgeteilt werden, die tagsüber agieren und jene die Nachts im Dunkeln handeln. Daher auch deren absichtliche Unterscheidung zwischen guten und bösen Anarchist*innen – mit dem Ziel Spaltungen in der Bewegung hevorzurufen und die Gefanganen und Angeklagten noch mehr von ihr abzukapseln. Diese Vorgehensweise lässt sich insbesondere bei der Operation „Scripta Manent“ erkennen.
In der letzten Dekade wurden in Italien etliche besetzte Häuser und Infoshops/Büchereien, als angebliche Terrornester deklariert und deswegen observiert, verwanzt, abgehört und auch teilweise geräumt. Ununterbrochen trafen und fanden unterschiedlichste repressive Operationen gegen die anarchistische Bewegung statt. Aus den aktuellen Ermittlungen lässt sich herauslesen, dass die landesweite und internationale anarchistische Bewegung scheinbar bestens vernetzt sei und angeblich gute Beziehungen zueinander hegt und pflegt. Wer sich ein bisschen mit der italienischen „Szene“ und deren Geschichte auskennt, hat womöglich ähnliche Auswertungen schon öfters gelesen. Bis hier nichts „Neues“: Zuerst ermitteln die ROS eifrig und wenn sie dann genügend Material zusammen gesponnen haben, halten sie Ausschau nach der ambitioniertesten Staatsanwaltschaft in Sachen Anti-Terrorismus. Die frischgeborene DNAA ist dafür wie geschaffen – die „Nationale Direktion für Anti-Mafia und Terrorismusbekämpfung“ besteht aus der landesweiten Anti-Mafia-Staatsanwaltschaft mit insgesamt 20 Staatsanwält*innen. Die DNAA übt die Funktion der Koordinierung der Ermittlungen aus, die von den einzelnen regionalen Anti-Mafia-Direktionen (DDA) bei Verbrechen der organisierten Kriminalität durchgeführt werden. Dabei muss man bedenken, dass für jede*n Staatsanwält*in ein möglicher Repressionsschlag gegen vermutliche „Terrorist*innen“ immer eine willkommene Gelegenheit für ein Karrieresprung ist. Überhaupt scheint es so, dass, nunmehr die Spezialeinheiten/ROS den Ton angeben wollen, d.h. sie geben vor, welche „Beweise“ für welche Anklagen ausreichend sind. Die Staatsanwaltschaft erscheint da eher ein Mittel zum Zweck. Deswegen fehlt es dann eigentlich nur an dem passenden Ermittlungsrichter*in, der die Operation absegnen soll, was er oder sie dann meistens ohne große Bedenken tut. Im Zuge dieser Verfahren wird dann oft das ganze (Soli-) Umfeld mit beschuldigt, da es mit verdächtigt und als Teil eines „Terrornetzwerkes“ gewertet wird. Frei nach dem Sprichwort: „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“.

Ein ausschlaggebender Präzedenzfall war die Operation „Scripta Manent“ im Jahre 2016 („Verba volant, scripta manent“ heisst so viel wie: „Die Worte verfliegen, die Schriften bleiben“). Bei diesen Ermittelungen wurde u.a. gegen die lokale Anarchist-Black-Cross Gruppe in Rom und um die Soli-Treffen von „A testa alta“ („Mit erhobenen Kopf“) ermittelt. Letztere waren öffentlich angekündigte Treffen zu der Situation von Nicola und Alfredo, welche sich zu den Knieschüssen gegen den Manager der Atomindustrie Adinolfi bekannt hatten und dafür hohe Haftstrafen erhielten. In dem Prozess von „Scripta Manent“ gab es zuletzt Urteile in der zweiten Instanz. Anna Beniamino wurde zu 16 Jahre und 6 Monate verurteilt. Alfredo Cospito zu 20 Jahren, Nicola Gai zu 1 Jahr und 1 Monat. Alessandro Mercogliano wurde von allen Anklagepunkten freigesprochen. Marco Bisesti wurde wegen „Anstiftung zum Verbrechen“ zu 1 Jahr und 9 Monaten verurteilt. Die Urteile wegen „subversiver Vereinigung mit dem Ziel des Terrorismus und der Untergrabung der demokratischen Ordnung“ wurden für Anna, Alfredo und Nicola wiederholt bestätigt. Sie bezogen sich auf die Veröffentlichungen von der Zeitschrift von „Croce Nera Anarchica“ und dessen Website, sowie auf die Verwaltung einiger anderer Internetseiten, die im Prozess mitangeklagt worden waren. Soweit zu dem repressiven Vorreiter, der ausschlaggebend war, um weiter gegen die anarchistische Bewegung zu ermitteln. Insgesamt bewerten die italienischen Repressionsbehörden dies als ein erfolgreiches Verfahren. Dadurch entstand eine Art Grundlage für viele weitere Ermittlungen.

Zurück zur Gegenwart und dem „Bialystok“ Verfahren. Wieder mal sind die Staatsanwaltschaft und insbesondere die ROS wie gewohnt ambitioniert und erfinderisch vorgegangen. Gemäß dem Kürzel FAI/FRI = Informelle Anarchistische Föderation/Revolutionäre Internationale Front, lag der Verdacht der staatlichen Schnüffler nahe, dass es ja ein internationales Netzwerk geben könnte. Doch wo sollten sie anfangen? Während den Ermittlungen in Italien wurde versucht den Fall auf Frankreich auszudehnen, doch fehlten dort ansässige Bezugspersonen, die auf „ideologischer“ und „praktischer“ Ebene aus Sicht der Ermittler*innen passend wären. Obwohl es in Frankreich einige Solidaritäts-Aktionen mit den Betroffenen von der Operation „Scripta Manent“ gab, besonders nach dem Aufruf „Per un giugno pericoloso“ („Für einen gefährlichen Juni“) im Sommer 2019. Anscheinend waren jedoch die Anhaltspunkte zu gering, um weiter in Richtung „Frankreich“ zu schnüffeln. Deswegen kam Südamerika ins Visier, da hin und wieder Anarchist*innen von dort in die italienische Hauptstadt reisen. Griechenland war diesmal weniger im Fokus, obwohl dennoch einige Reisen von italienischen Anarchist*innen in den Akten vermerkt und hervorgehoben werden. Aber nun erschien für die italienischen Behörden der große Clou! Eine polizeibekannte Person – die zu der Zeit unter Observation stand (Anfang September 2018) und gegen die schon im Zuge des „Scipta Manent“ Verfahrens ermittelt wurde – wurde zu einer Info-Veranstaltung über „Repression in Italien“ nach Berlin eingeladen. Diese Veranstaltung fand Mitte September 2018 statt und war anschließend Auslöser für eine ganze Reihe von Repressionsmanövern der italienischen Bullen. Es wurde eine Berlin-ansässige Person ausfindig gemacht, die in telefonischem Kontakt mit der observierten italienischen Person stand. Nach einigen Recherchen der Schnüffler*innen schien ihnen klar, dass diese Kontaktperson interessant für sie sein könnte. Sie passte in das Schema, denn sie hatte viele Jahre in Italien gelebt, spricht sowohl italienisch, wie deutsch fließend, hängt in beiden Ländern mit Anarchist*innen ab und schien sowieso wegen ihrer „militanten“ Biografie perfekt für das detektivische Kartenhaus der italienischen Bullen. Der Schlüsselmoment, der weitere Ermittlungen einleiten sollte, kam von einer Aktion der „Amad Ahmed FAI-Zelle“ in Berlin-Wedding, einen Monat nach der Info-Veranstaltung mit den italienischen Gefährt*innen in Berlin. Die gesponnene Verbindung zwischen dem abgehörten Telefonat, der Info-Veranstaltung und dem Anschlag im Wedding verstärkte die Ermittler*innen in ihrer Vermutung, dass die verdächtige Person in Berlin einen ähnlichen italienischen Dialekt wie Alfredo Cospito (der für den Staat als „ideologische Redelsführer“ der FAI/FRI gilt) sprechen muss (!). Diese Vermutung beruhte auf einem Satz im Bekenner*innenschreiben der „Amad Ahmed FAI/FRI-Zelle“. Dort wurde sich direkt an Alfredo gewendet und der suspekte Satz lautete: „Auch wenn wir nicht den selben Dialekt sprechen, Alfredo, verstehen wir uns trotzdem…“ Laut den ROS lässt sich daraus schließen, dass die Verfasser*innen der italienischen Sprache mächtig sind und sie aus einer naheliegenden, aber nicht der selben italienischen Region kommen, wie Alfredo. Und so basteln die italienischen Anti-Terroreinheiten weiter an ihrem Kartenhaus.

Anschließend haben die ROS bei der römischen Staatsanwaltschaft mehrmals verlangt, dass sogenannte „Europäische Ermittlungsanordnungen“ (EEA) nach Berlin übermitteln werden sollten: Die erste EEA – November 2018 – war eine Anfrage von der Ermittlungsakte über die Brandstiftung in Berlin-Wedding im Oktober 2018, zu der sich eine FAI/FRI Zelle bekannt hatte. Die zweite EEA – Anfang Februar 2019 – sollte die Gewissheit über die tatsächliche Ansässigkeit der angeblichen deutschen Kontaktperson validieren und es wurde das Vorstrafeinregister und sonstige Einträge, bzw. Datensätze angefordert. Das nächste Manöver – Mitte Februar 2019 – war der Erlass eines Europäischen Haftbefehls gegen die Kontaktperson wegen einer ausstehenden Haftstrafe in Italien mit dem Ziel der Überführung der verurteilten Person von Deutschland nach Italien. In den Ermittlungsakten gab es einen Vermerk der ROS, die sich von der Auslieferung bzw. der sogenannten „Internationalisierung“ des Haftbefehls, nähere Infos über die Verbindung zwischen der italienischen FAI/FRI und dessen angeblichen Berliner Ableger erhofften. Ihre Strategie sollte nicht aufgehen. Die Kontaktperson, die nun zu einer Verdachtsperson geworden war (nach dem §270bis – Subversiver Vereinigung mit dem Zweck des Terrorismus und der Untergrabung der demokratischen Ordnung), hat die deutsche Staatsbürgerschaft und konnte somit der Auslieferung widersprechen. Eine Auslieferung nach Italien ist vorerst nicht möglich, solange sich die Verdachtsperson in der BRD aufhält. Nach dieser Schlappe sollte die dritte EEA – Juni 2019 – an die Berliner Staatsanwaltschaft geschickt werden. Diesmal wurde nach einer „Leibesvisitation“ und Hausdurchsuchung der nun Verdachtsperson, sowie der Mitbewohner*innen verlangt. Ein weiteres Mal sollten die feuchten Träume der römischen Inquisition platzen. Die Berliner Staatsanwaltschaft leistete der EEA nicht Folge und begründete ihre Ablehnung damit, dass die besagte Brandstiftung und die FAI/FRI nicht als „terroristisch“ eingestuft sind und es an konkreten Tatvorwürfen gegenüber der Verdachtsperson mangelt. Die Hirngespinste der ROS scheinen so lächerlich oder „abenteuerlich“ zu sein, dass sich sogar ihre deutschen Kollegen nicht davon überzeugen ließen. Es ist bemerkenswert, dass wegen dieser Meinungsverschiedenheit zwischen den Inquisitoren ihre Verfolgung kurzzeitig zum Stocken kommt. Dennoch lässt sich in den Akten finden, dass die „Berliner Verdachtsperson“ im Zeitraum zwischen Dezember 2018 und Februar 2019 von der ROS abgehört und geolokalisiert wurde. Wer ihnen dazu wohl die Befugnis gegeben hat?
All diese Repressionsvorhaben hätten nach den italienischen Behörden schon ein Jahr vor der eigentlichen Ausführung der Operation „Bialystok“ stattfinden sollen. Hätte die Verhaftung der Verdachtsperson in Berlin geklappt oder wären vermutliche Beweismittel bei einer Hausdurchsuchung gefunden worden, hätte dies vermutlich zu einer eigenständigen Operation auf internationaler Ebene geführt. Nun hat jedoch am 14.12.2020 der Prozess gegen die Beschuldigten im „Bialystok“ Verfahren angefangen. Die Ermittlungen sind gegen die bisherigen Beschuldigten abgeschlossen und in Berlin ist bisher nichts passiert. Das heißt jedoch nicht, dass die Schweine nicht noch weiter im Zuge der bisherigen Ermittlungen Telefone abhören und/oder Leute observieren. Jedenfalls wird einer der Oberschweine der ROS, Kommandant Oberstleutnant „Luigi Imperatore“, sicherlich enttäuscht sein, dass er sein Gefechtsfeld vorerst nicht expandieren zu dürfen. Ob es überhaupt zu einer Verurteilung im aktuellen Verfahren gegen die Gefährt*innen kommen wird, ist fraglich, da bisher Beweise – oh wunder – nicht standhielten und sie stellenweise widerlegt wurden. Beim vorletzten Prozesstag hat die Richterin den Zeugen „Imperatore“ vorgeladen, um u.a. über die angebliche deutsche Verbindung auszusagen, da diese als Untersuchungshypothese gewertet wird.

Wundern würde es wenig, wenn in der nächsten Repressionswelle Berlin und/oder andere Länder ins Visier der Ermittlungsbehörden kämen – im Gegenteil, damit muss gerechnet werden. Der Vorteil ist, dass nun mit dieser Auswertung, die Bewegung, sowie eventuelle ins Schema passende Personen, sich auf mögliche staatliche Angriffe einstellen könnten. Bei der nicht-genehmigten Durchsuchung der Verdachtsperson in Berlin, sollte nach Handys, Computern, USB-Sticks, Harddisks, Publikationen zum Thema Anarcho-Insurrektionalismus (konkret nach dem Text „Der Autismus der Aufständischen“) und Knastkorrespondenz mit italienischen Gefangenen gesucht werden. Das soll aber weder zum panischen Verbrennen so mancher Broschüren führen, noch zur Beendigung der Knastkorrespondenz mit den Gefährt*innen. Mit List und Tücke sollten Alle versuchen es den Behörden so schwierig wie möglich zu machen unsere Kommunikation und Beziehungen aufzudecken.

Schließlich stellt sich die Frage, was die Behörden in der BRD von all dem halten. Es ist denkbar, dass der oder die ein*e oder andere LKA´ler*in nun angepisst ist, dass die italienischen Behörden einfach so sensible Ermittlungsakten weiterleiten (keine Sorge, einige Textpassagen waren auch von der Zensur geschwärzt! 😉 ). Vielleicht sind sie ja auch angepisst, dass die ROS auf deutschen Terrain einfach mal so Handys abhören, bzw. eigenständig ermitteln. Andersherum werden sich die Italiener*innen ärgern, dass diese ganzen Infos nach Berlin gelangt sind. Und falls diese paar Zeilen Behördenzwist verursachen sollten, kann das nur erfreulich sein. Klar ist, dass die Personen, die in Berlin leben und die potentiell in dieses zusammengesponne Raster der Bullen passen nun vorgewarnt sind.

Was abschließend noch ausdrücklich erwähnt werden muss ist, dass dieser Text in keinster Weise eine Distanzierung gegenüber der divergenten Methoden und Organisierungsformen aus einer anarchistischen Perspektive ausdrücken will und auch das moralische Konstrukt der „Unschuld/Schuld“ energisch zurückweist. Nein! In diesem Text geht es darum aufzuzeigen, wie die Repression im Moment funktioniert und wie der Staat strategische Vergeltung gegen seine Feind*innen ausüben kann und ausübt. Auch wenn in der BRD (noch) keine „italienischen Zustände“ (massive und breite Repression gegen die anarchistische Bewegung) erreicht sind, könnte die römische Inquisition als Omen gedeutet werden, in welche Richtung sich die Repression entwickeln kann… In den letzten Jahren und Monaten gab es eine ganze Reihe an staatlichen Überfällen, Razzien und §129er-Verfahren, in denen die staatlichen Schnüffler*innen versuchten Netzwerke zu zeichnen, um gegen eine ganze Bewegung oder ein Milieu vorzugehen.

Die hiermit veröffentlichte Auswertung der Akten und der bisherigen Prozesstage hat einen bis hier nur analytischen Ansatz und will sich neben dem Ende Januar 2022 von einigen Angeklagten veröffentlichen Text „Aktueller Stand der Maßnahmen und des Verfahrens für die Operation Bialystok“ stellen (https://panopticon.blackblogs.org/2022/02/05/italien-aktueller-stand-der-massnahmen-und-des-verfahrens-fuer-die-operation-bialystok/). Um diesen fast perspektivlosen Text abzuschließen, ist es an dieser Stelle angebracht, die Worte zu zitieren, die ein Gefährte einmal schrieb: „Angreifen bedeutet zuschlagen, zerstören, abfackeln, in die Luft jagen, umbringen, mit der Wurzel ausreißen, vom Angesicht der Erde hinwegfegen, wenn auch nur die kleine Realität, die wir vor unseren Augen ergreifen können.“

Schlag auf Schlag gegen die Autoritäten!

Für die Anarchie!

Infotext-Fraktal.jpg

passiert am 20.02.2022