Keine Zukunft ohne »Zukunft«

Berlin: Kulturzentrum in Friedrichshain steht nach Kündigung vor dem Aus

»Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut«, schallte es am Sonnabend aus den Kehlen von rund 800 Demonstranten. Die Unterstützer des Kulturzentrums »Zukunft am Ostkreuz« im Ortsteil Friedrichshain hatten sich zu einer »Kiezdemo« versammelt. Ihr Protest richtet sich gegen die Kündigung der »Zukunft«, die seit rund zehn Jahren in einem kreativ umgebauten alten DDR-Lagerhaus sitzt. Dort gibt es ein Kino, eine Bar, Konzerträume und eine Galerie. Im Keller wird eigenes Bier gebraut. Damit soll nun nach dem Willen des Eigentümers Schluss sein. Nachdem die Nachricht von der Kündigung die Runde machte, kamen innerhalb kurzer Zeit mehr als 7.000 Unterschriften für eine Petition zusammen, in der neben der Verlängerung des Mietvertrags der Bestandsschutz, die Sicherung kultureller Räume sowie langfristige innerstädtische Perspektiven für Standorte dieser Art gefordert werden.

Aktive aus der direkten Nachbarschaft geben sich nicht mit der Kündigung zufrieden. »Die ›Zukunft‹ ist ein unglaublich wichtiger Anlaufpunkt in unserem Kiez«, erklärte Timo Steinke, Sprecher des im Frühjahr dieses Jahres gegründeten Nachbarschaftsbündnisses »Wem gehört der Laskerkiez?«, am Sonnabend gegenüber jW. Die Initiative hatte die Demonstration gemeinsam mit Beschäftigten der »Zukunft« organisiert. Auf der Demoroute, die quer durch den Laskerkiez, wie der Friedrichshainer Südteil auch genannt wird, verlief, wurden von den Teilnehmenden Transparente und Schilder gezeigt, die sich mit Hilfe zahlreicher Wortspiele für den Erhalt der »Zukunft« aussprachen – darunter etwa »Die Zukunft gehört zu uns« oder »Für die Zukunft für uns Alle«. Direkt nach dem Start der Demonstration am Rudolfplatz wurde durch einen Redebeitrag und mehrere Parolen die Solidarität mit einem Späti und Backshop bekundet, der vor mehreren Monaten eine Kündigung erhalten hatte. Die Route endete in der Laskerstraße vor der »Zukunft«. Dort war eine große Bühne aufgestellt, auf der Bands spielten und Redebeiträge zu hören waren.

»In unserer Nachbarschaft entstehen seit rund einem Jahr überall Baustellen von Luxusbüroprojekten großer Unternehmen wie zum Beispiel der Ostkreuz-Campus der Pandion AG«, berichtete Bündnissprecher Steincke im jW-Gespräch. Dafür habe in der Nachbarschaft »niemand auch nur ansatzweise Verständnis, da gleichzeitig die Mietpreise in die Höhe schnellen und dringend benötigter Wohnraum fehlt«. Im August hatte der Eigentümer der »Zukunft« für Ende März 2022 gekündigt. Seine Absichten mit dem Gelände sind ebenso unklar wie der Grund für die Kündigung. Den Namen des Eigentümers möchten die Demoorganisatoren aktuell nicht nennen, da mit ihm noch ein Treffen bevorsteht. Ob und wie es mit der »Zukunft« weitergeht, bleibt also noch offen. Dennoch zeigten sich die Demonstranten am Sonnabend kämpferisch. »Wie wir heute gezeigt haben, ist die ›Zukunft‹ Teil einer Bewegung, die nicht länger duldet, dass die Entscheidungen in der Stadt an den Menschen vorbei getroffen werden«, resümiert Lars Werner, Mitarbeiter des Kulturzentrums. Man könne sich keine Zukunft ohne »Zukunft« vorstellen.

Der Kampf um den Erhalt kultureller Orte in Berlin findet in Zeiten explodierender Mieten statt. An dieser Situation hat der bisherige »rot-rot-grüne« Senat kaum etwas geändert – auch weil das Bundesverfassungsgericht im April das »Mietendeckel«-Gesetz der Landesregierung kassiert hat. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in der vergangenen Woche, wonach Berliner Bezirke das Vorkaufsrecht in sogenannten Milieuschutzgebieten nicht wie bisher ausüben können, wird die Lage aller Voraussicht nach weiter verschärfen.

https://www.jungewelt.de/artikel/414497.protest-gegen-verdrängung-keine-zukunft-ohne-zukunft.html

passiert am 15.11.2021