Rückschlag für Berliner Wohnungspolitik: Bundesverwaltungsgericht kippt Vorkaufsrecht

Die Annahme, dass ein Hauskäufer Mieter verdrängen könnte, reicht nicht allein, um das Vorkaufsrecht zu ziehen, urteilte das Gericht. Zugrunde liegt ein Fall aus Friedrichshain-Kreuzberg.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die in Berlin übliche Vorkaufsrechtspraxis von Grundstücken aus Gründen des Milieuschutzes in Teilen gekippt. Ein solches Vorkaufsrecht dürfe nicht auf Basis der Annahme ausgeübt werden, dass der andere Käufer die Mieter in der Zukunft mutmaßlich aus dem Gebiet verdrängen könnte, entschied das Gericht am Dienstag in Leipzig.

Es hob damit das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin von 2019 auf und gab einer klagenden Immobiliengesellschaft recht. Das Vorkaufsrecht sei ausgeschlossen, wenn das Grundstück entsprechend den Zielen oder Zwecken der städtebaulichen Maßnahmen bebaut ist und genutzt wird und ein auf ihm errichtetes Gebäude keine Mängel aufweist, hieß es in der Begründung.

Diese Voraussetzungen lägen in dem Fall vor. Der Einschätzung der Vorinstanz, wonach auch zu erwartende Nutzungen zu berücksichtigen seien, folgte das Bundesverwaltungsgericht nicht.

Florian Schmidt, grüner Baustadtrat im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg und einer der Vorreiter im Umgang mit dem Vorkaufsrecht, sprach nach der Gerichtsentscheidung am Dienstag von einem „herben Schlag im Kampf gegen die Spekulation mit Wohnraum“. Auf Twitter schrieb Schmidt, damit das Vorkaufsrecht auch zukünftig genutzt werden könne, müss der Bundesgesetzgeber schnell eine rechtliche Klarstellung vornehmen und das Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten stärken.

Auch Berlins Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel (Linke) kommentierte das Urteil auf Twitter. Er sei fassungslos, der Beschluss sei „eine Katastrophe, nicht nur für die Mieter:innen in Berlin, sondern bundesweit“. Ein Instrument zur Sicherung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung sei damit so gut wie tot.

Die klagende Immobiliengesellschaft hatte ein Grundstück mit 20 Mietwohnungen und zwei Gewerbeeinheiten im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg erworben. Da sich das Grundstück in einem Milieuschutzgebiet befand, übte der Bezirk das Vorkaufsrecht zugunsten der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft aus. Damit habe der Gefahr begegnet werden sollen, dass ein Teil der Wohnbevölkerung durch Mieterhöhungen oder Umwandlungen in Eigentumswohnungen verdrängt werden könne. Die Gesellschaft klagte dagegen. (Tsp/dpa)

 

https://www.tagesspiegel.de/berlin/rueckschlag-fuer-berliner-wohnungspolitik-bundesverwaltungsgericht-kippt-vorkaufsrecht/27783944.html

passiert am 9.11.2021