Ehrt das Humboldt Forum einen Mäzen mit rechtsradikaler Gesinnung?

Einer der im Berliner Schloss gewürdigten Großspender vertrat rechtsradikale Positionen und pflegte Beziehungen zu Rechten. Es scheint kein Einzelfall zu sein.   von Philipp Oswalt

Im Humboldt-Forum wird ein Spender geehrt, der auch rechtsextreme Positionen vertrat
Die Konzeption des Humboldt-Forums im Schloss war von Anfang an eine Art Blackbox, mit der die unterschiedlichsten Wünsche und Vorstellungen bedient wurden. Während der fertige Bau nun den Duktus eines gediegenen Luxuskaufhauses aus London Knightsbridge ausstrahlt, sieht man allenthalben Spuren von ideologischen Projektionen.

Außen über dem Eosanderportal radikalisiert das Kuppelkreuz mit dem Zitat aus der Zeit der Reaktion die preußische Sendung. Die in der Öffentlichkeit umstrittene Inschrift, verfasst von König Friedrich Wilhelm IV., lautet: „Es ist kein ander Heil, es ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, denn der Name Jesu, zu Ehren des Vaters, daß im Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Kniee, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind“. Hier wird Unterwerfung verlangt. Im Inneren dagegen ist man meist um das Gegenteil bemüht: vielerorts kleine Reliquien aus dem Palast der Republik und antikoloniale Kunst im Schützenhof. Im Museumsshop gibt es wohl mehr DDR-Souvenirs als solche zu den Hohenzollern.

Deutsche Geschichte versteckt sich überall. Im Durchgang des Eosanderportals werden ein Dutzend Großspender mit Reliefmedaillons gewürdigt, die jeweils mehr als eine Million Euro für den Bau gestiftet haben, unter ihnen der im Jahr 2016 im Alter von 91 Jahren verstorbene Jurist und Banker Ehrhardt Bödecker. Im Jahr 2000 hatte er das Brandenburg-Preußen Museum in Wustrau als Privatmuseum gegründet und mehrere Bücher über die preußisch-deutsche Geschichte geschrieben. Auch dem 1969 auf der Burg Hohenzollern gegründeten Zollernkreis gehörte er an.

Bödeckers Preußenbild hat rechtsradikale Züge. Der Zentralrat der Juden hält seine Äußerungen für antisemitisch. Nicht nur, dass Bödecker die Zahl von sechs Millionen Holocaustopfern bestritt; so schrieb er 2002 in „Vae Victis, wehe den Besiegten“ in der Schriftenreihe Brandenburg-Preußen Museum. Für den im Kaiserreich praktizierten Ausschluss von Juden aus Armee und Verwaltung äußerte er Verständnis, dieser sei in dem legitimen Wunsch des Staates nach Homogenität begründet gewesen.

Deutschland und Europa leide seit 1918 unter dem „talmudischen ,Niemals vergessen‘“, heißt es 2005 in seiner Schrift „Preußen und die Wurzeln des Erfolgs“. Das Ende des Zweiten Weltkriegs habe zur „Selbstvergottung der Sieger“ geführt, die „das politische Ziel der persönlichen Demütigung und Erniedrigung der Deutschen, der Untergrabung unseres nationalen Selbstbewußtseins“ verfolgten, so formuliert er in „Vae Victis“.

Bödecker meinte, die westlichen Siegermächte hätten sich auf eine „besondere Demütigung geeinigt, indem sie den Deutschen eine Art Gehirnwäsche verordneten, die als Reeducation oder Umerziehung in die Nachkriegsgeschichte eingegangen ist“. Und dieses Elend sei den Juden zuzuschreiben, denn die „Reeducation“ der West-Alliierten sei auf den Einfluss der in die USA exilierten jüdischen Soziologen der Frankfurter Schule zurückzuführen. So steht es wiederum in „Preußen und die Wurzeln des Erfolgs“. Die Vertreibung der Deutschen aus den Ostgebieten sei von Großbritannien schon 1939 ins Auge gefasst worden. Ihr seien 2,5 Millionen Deutsche zum Opfer gefallen, mithin angeblich fünfmal so viel wie von den Geschichtswissenschaften konstatiert.

Während Bödecker von unserem heutigem Gesellschaftswesen wenig hielt, schwärmte er vom Kaiserreich. Dies sei der „erfolgreichste Staat der deutschen Geschichte“ gewesen („Preußen – Die antipreußische Gehirnwäsche“, 2001). Dank Kanzler und Kaiser sei Deutschland erblüht wie nie wieder. Einen Völkermord an den Herero und Nama habe es nicht gegeben, behauptete er in „Preußen und die Wurzeln des Erfolgs“. Der preußische Militarismus würde verleumdet, sei aber historisch betrachtet „ausgesprochen positiv“ gewesen, meinte Bödecker 2007 in einem Interview mit der rechtsgerichteten „Jungen Freiheit“.

Heute, so führte Bödecker in den genannten Schriften aus, trieben Parteien, Presse und Parlamentarismus mehr als je zuvor ihr Unwesen. „Schlagworte wie Demokratie, Freiheit und soziale Gerechtigkeit dienen als Knüppel in der politischen Auseinandersetzung. Zusätzlich sorgt das ‚System‘ mit Verfassungsschutzeinrichtungen für seine Unangreifbarkeit.“ Und: „Parlamentarismus und Rechtsstaatlichkeit haben wir doch längst nicht mehr“, hingegen aber „versorgungsstaatlichen und mitbestimmungswütigen Wildwuchs des Staates und der Gewerkschaften“, verriet er der „Jungen Freiheit“.

Solche Positionen vertrat Bödecker nicht nur in seinen eigenen Publikationen, sondern auch als Gastautor in der „Jungen Freiheit“ und auf einer Tagung des rechtsextremen Instituts für Staatspolitik von Götz Kubitschek. Gemeinsam mit dem Schloss-Fan Wilhelm von Boddien und mehreren rechtslastigen Autoren publizierte er 2001 und 2005 im Jahrbuch der geschichtsrevisionistischen Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft SWG, die gelegentlich Rechtsradikalen und Holocaustleugnern ein Podium bot. Herausgegeben wurde der Sammelband von Brigadegeneral a. D. Reinhard Uhle-Wettler als Vorsitzendem der Gesellschaft, der drei Jahre zuvor auch eine Festschrift für den Holocaustleugner David Irving publiziert hatte.

Als der Förderverein Berliner Schloss 1993 unter Führung von Wilhelm von Boddien seine Fassadensimulation installierte, warb im Jahrbuch der SWG der ehemalige NS-Raubkunst-Funktionär Niels von Holst für den Wiederaufbau des Schlosses. Auf Nachfragen zu Bödecker verweigert von Boddien als Verantwortlicher des Fördervereins, der seine Spende eingeworben hatte, nun eine Stellungnahme.

Die Stiftung Humboldt Forum hingegen distanziert sich von Bödeckers Positionen und will ihrem Stiftungsrat eine Prüfung der Frage vorschlagen, ob eine Änderung der Spenderehrung erfolgen soll. Der Präsident des Zentralrats der Juden Deutschlands Josef Schuster begrüßt die Prüfung und meint, dass die Ehrung von Ehrhardt Bödecker kritisch hinterfragt werden müsse.

Während sich die Prüfung noch einige Zeit hinziehen wird, stellt sich die Frage, ob es sich hier um einen isolierten Einzelfall handelt. Nicht ganz. Die Witwe des Versandhändlers Werner A. Otto hatte in Erinnerung an ihren Ehemann das vier Meter hohe Christuskreuz mit Reichsapfel auf der Schlosskuppel gestiftet. Dieser hatte sich zwar zeit seines Lebens mit politischen Äußerungen in der Öffentlichkeit zurückgehalten, aber im Jahr 2001 dem rechtsnationalen Bundeswehroffizier a. D. Max Klaar drei Millionen Mark für den Wiederaufbau der Garnisonkirche Potsdam zugesagt.

Während das Problem einer rechtslastigen Ikonografie sich beim Berliner Schloss auf die Kuppel und die Spenderehrung für Bödecker konzentriert, betrifft es bei der Garnisonkirche in Potsdam den gesamten Bau. Ehrhardt Bödecker gehörte zu den Unterstützern Max Klaars. Bödecker und Klaar erfreuten sich zudem beide der unterstützenden Sympathie von Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) und Innenminister Jörg Schönbohm (CDU).

Bödeckers und Klaars vielfach publizierte Positionen können nicht völlig unbekannt gewesen sein. Beide verbanden aber ihre punktuellen rechtsextremen Äußerungen mit einem großen Schwall an wortseliger Preußenverehrung, für die auch die gesellschaftliche Mitte empfänglich ist. Wer mag schon etwas gegen preußische Tugenden, Christentum oder die berühmten Architekten Andreas Schlüter, Philipp Gerlach und Friedrich August Stüler einwenden?

Rekonstruktionsbauten können eine legitime Form staatlich-gesellschaftlicher Repräsentation sein. Aber der Bund als Bauherr und Hauptförderer der preußischen Symbolbauten in Berlin und Potsdam muss sich der Frage stellen, ob aus fehlender Achtsamkeit nicht immer eine klare Abgrenzung zu rechtslastigen Spendern erfolgt ist und dies der Korrektur bedarf. In Berlin betrifft es nur eine Spendertafel, in Potsdam war der Einfluss weitaus größer und hat sich auch auf die Ausgestaltung des Bauvorhabens und seiner argumentativen Legitimation ausgewirkt.

Und was war Bödeckers Rolle beim Berliner Schloss? Der Bund als Bauherr hat mit den optionalen Bausteinen Spendern die Möglichkeit gegeben, auf die Ausgestaltung des Bauwerks Einfluss zu nehmen. Im Frühjahr 2013 stand die Entscheidung an, ob das Schloss mit oder ohne historische Kuppel gebaut wird. Mit einem siebenstelligen Spendenbetrag sicherte ein vom Förderverein eingeworbener Spender die Realisierung dieses ideologisch besonders problematischen Teils des Bauvorhabens. Bödeckers Spende war siebenstellig. Zu Fragen ihrer Zweckbindung verweigert die Stiftung Humboldt Forum aus „datenschutzrechtlichen Gründen“ die Auskunft. Doch die Öffentlichkeit hat ein Recht zu erfahren, wem sie die historische Kuppel verdankt.

Philipp Oswalt, Architekt und Autor, lehrt an der Universität Kassel. Von 2009 bis 2014 leitete er die Stiftung Bauhaus Dessau. 2019 initiierte er den Lernraum Garnisonkirche in Potsdam.

https://plus.tagesspiegel.de/kultur/preussentum-und-antisemitismus-ehrt-das-humboldt-forum-einen-mazen-mit-rechtsradikaler-gesinnung-285568.html

passiert am 28.10.2021