Mach’s gut Deutsche Wohnen & Co. enteignen!

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Genossinnen und Genossen,

Ich gehe. Ich verlasse die Kampagne und wollte Euch auf diesem Weg noch einmal Tschüss sagen. Es war eine aufregende Zeit und auch eine tolle Erfahrung. Wir haben eine Kampagne zusammen aufgebaut, die zu einer wirklich relevanten politischen Kraft geworden ist. Eine Kampagne, die wichtig ist für diese Stadt, weil sie sich auf eine Frage konzentriert hat, die Millionen von Menschen wirklich betrifft und die dadurch auch das Ziel erreicht hat, einen Volksentscheid zu gewinnen. Eine Million Menschen haben sich für Vergesellschaftung ausgesprochen. Eine Million Menschen haben für Enteignung gestimmt. Wer hätte das noch vor ein paar Jahren gedacht? Das ist ungeheuerlich. Das ist irre. Das ist der blanke Wahnsinn.

Trotz allem gab es aber in den letzten Wochen und Monaten Entwicklungen innerhalb der Initiative, die mich richtig frustrierten und… irgendwie sogar richtig traurig gemacht haben. Es war wahrscheinlich die Traurigkeit über den Verlust einer offenen und heterogenen Kampagne, verbunden mit dem Schmerz darüber, sich nicht mehr richtig zuhause zu fühlen.

Die Initiative Deutsche Wohnen & Co. enteignen hat sich für mich dadurch ausgezeichnet, dass sie die unterschiedlichsten Leute angesprochen hat und meiner Meinung nach, auch die unterschiedlichsten Leute einbinden konnte. Ich bin der Kampagne beigetreten, weil ich endlich mal etwas Relevantes machen wollte. Ich wollte Teil einer radikalen Politik sein, die nicht am Rande der Gesellschaft in der Bedeutungslosigkeit herumwurschtelt, sondern mitten drin steht, in einem notwendigen gesellschaftlichen Kampf. Dabei zog mich vor allem der bunte Haufen von engagierten Menschen an, die sich zusammen getan haben, um endlich mal wieder politisch aktiv zu werden und Großes zu bewegen.
Manche waren zum ersten mal überhaupt politisch aktiv, andere sind durch die Initiative nach langen Jahren der Pause, repolitisiert worden. Was DWE aber so anziehend gemacht hat, war die Tatsache, dass hier die unterschiedlichsten Menschen Platz hatten und die verschiedensten Strömungen zusammen kamen. Kompromissbereit, wie es sich für so ein großes Bündnis gehört- vereint, um einem scheinbar übermächtigen Gegner vors Schienbein zu treten – und mehr als das.

Diese Stimmung ist in den letzten Monaten allerdings mehr und mehr verflogen und der Charakter der Kampagne hat sich, meiner Meinung nach, immer mehr verändert. Statt einer bunten Stadtgesellschaft, wurden die Treffen immer mehr von einer ganz bestimmten Art von Aktivist:innen dominiert, die alle aus ein und demselben Milieu zu kommen schienen. Die Sprache ähnelte immer mehr dem typisch linksradikal-liberalen Szenejargon. DWE wurde immer akademischer und die Positionen dogmatischer. Es wurde viel von linkem Populismus geredet, von Organizing und von Diversität, die Bereitschaft aber echte Diversität und somit auch Widersprüche auszuhalten – diese Bereitschaft wurde immer geringer. Ich war live bei dabei, wie eine Organizing-Person gesagt hat, dass sie an einem längerfristigen Engagement in einem gewissen Viertel gar kein Interesse habe, weil sie mit den Leuten vor Ort gar nicht so viel anfangen könne, da diese vom Habitus halt ganz anders seien. Wie schön kann man ausdrücken, dass man mit den Assis eigentlich gar nichts zu tun haben will?

Gleichzeitig wurden auf unseren Treffen Diskussionen geführt, die bei aller berechtigter Kritik an einzelnen Positionen und bei aller Meinungsverschiedenheit einfach unsolidarisch, verletzend und ausgrenzend waren. Leute, die noch vor kurzem mit offenen Armen begrüßt wurden, weil sie eben nicht aus dem typischen Aktivist:innen-Umfeld kamen, hatten plötzlich das Gefühl, mit ihren Ansichten, Gedanken und Erfahrungen nicht mehr erwünscht zu sein. Ausdrücklich wurde gesagt, dass man sich nicht mehr vorstellen könne, mit gewissen Personen zusammen auf dem Plenum zu sitzen und mitunter trauten sich dann manche Leute gar nicht mehr, überhaupt den Mund aufzumachen.

Ich persönlich hatte wiederum das Gefühl, mich immer mehr verstellen zu müssen und nicht mehr so sein zu können, wie ich bin. Das fand ich richtig deprimierend. Manchmal fühlte ich mich umgeben von Leuten, die nur darauf warten, dass man einen Fehler macht. Moralapostel und Rechthaber:innen, denen es gar nicht so sehr um den Austausch geht, sondern ums Aburteilen und bestrafen. Ich hatte und habe das unangenehme Gefühl, dass es diesen Kreisen innerhalb der Kampagne gar nicht so sehr darum geht, dass wir uns gemeinsam entwickeln und gemeinsam lernen können, sondern darum, möglichst rein und korrekt durchs Leben zu flutschen. Alles richtig zu machen. Keine Fehler… Nun, ich denke, das wird nicht gehen.

Solange man lebt, wird man Fehler machen. Immer wieder. Man wird sich falsch verhalten, man wird andere verletzen, man wird Dinge falsch verstehen. Die Kunst dabei ist, aus Fehlern zu lernen und sie, wenn möglich auch zu verzeihen. Diese Bereitschaft sehe ich bei diesem Milieu allerdings nicht, weshalb man dann auf diesen Treffen hockt und sich fühlt, als wäre man von Feinden umzingelt, wobei man doch eigentlich mit Genoss:innen zusammen sitzt. (Abgesehen davon, dass es auch noch verdammt humorlos und unlustig ist.)

Versteht mich nicht falsch. Ich will mich an den Positionen und Praktiken Eurer Klientel gar nicht abarbeiten, weder an Eurem Zustimmungs-Gewedel, noch an Euren Pronomen, noch an Eurer künstlichen Sprache. Ich habe kein Interesse daran, mich mit Leuten zu streiten, mit denen ich eigentlich solidarisch sein will. Allerdings hatte ich in den letzten Wochen sehr oft das Gefühl, dass mir und anderen eine Welle der Verachtung entgegenschlägt. Wenn Verachtung das Gegenteil von Solidarität ist, dann war Euer Verhalten ganz einfach unsolidarisch.

Aus diesem Grund fühle ich mich mit Euch einfach nicht mehr gut aufgehoben und deshalb gehe jetzt. Wenn es nicht passt, dann passt es halt nicht und man muss ja auch nicht zwingend zusammen in einer Gruppe sein. Es reicht ja, wenn wir uns hin und wieder begegnen und partiell zusammen arbeiten können. Aus dem politischen Leben dieser Stadt werden wir nicht verschwinden und insofern werden wir uns auch immer wieder über den Weg laufen. Ich hoffe, wir können uns dann immer noch in die Augen schauen.

In diesem Sinn verbleibe ich ernsthaft mit den solidarischstenen Grüßen.

Auf dass wir beim nächsten Volksentscheid die Regierung stürzen.

Venceremos!

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passiert am 02.10.2021