Linksextremisten bekennen sich zu Anschlägen auf Polizei, Amtsgericht und SPD
Mittwochfrüh haben Unbekannte eine Unterkunft einer Hundertschaft der Polizei in Lichtenberg angegriffen. Am Amtsgericht in Kreuzberg wurde eine Tür angezündet. Alexander Fröhlich
Nach einem Angriff auf ein Polizeigebäude in Berlin-Lichtenberg und das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg werden die Liegenschaften der Sicherheitsbehörde schärfer überwacht. Ermittler vermuten, dass die Angriffe im Zusammenhang mit der für Freitag geplanten Räumung des besetzten Hauses in der Liebigstraße 34 in Friedrichshain steht.
Auch ein SPD-Büro in Neukölln wurde attackiert. In allen drei Fällen sind am Mittwoch Bekennerschreiben der linksextremistischen Szene veröffentlicht worden. Alle nehmen Bezug auf die Liebigstraße 34.
Die Täter kamen am frühen Mittwochmorgen um 3.14 Uhr, in dem Gebäude in der Sewanstraße ist die 13. Einsatzhundertschaft untergebracht. Die Vermummten sollen zunächst die Zugänge mit Ketten von außen verschlossen haben. Und sie warfen Farbbeutel und Gegenstände auf das Gebäude.
Zum Zeitpunkt des Angriffs befanden sich in dem Gebäude Menschen, verletzt wurde jedoch niemand, wie die Polizei mittteilte. Die Vermummten stießen mehrere, private Motorräder von Beamten um, die vor dem Gebäude geparkt waren, Und an einem Einsatzwagen der Polizei zerstachen sie die Reifen und beschädigte zwei Scheiben, wie es in einer internen Bestandaufnahme heißt. Sieben dunkel gekleidete und vermummte Personen wurden bei der Flucht beobachtet.
Auf einem Twitterkanal äußerte sich die linksextreme Szene zu dem Anschlag. Es seien Steine und Farbe geworfen und „etliche Scheiben“ zerstört worden. Die Tore seien mit Bügelschlössern verschlossen worden.
Um 4 Uhr folgte dann die nächste Attacke. In der Möckernstraße traf es das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg. Dort setzten Unbekannte eine Tür des Gerichts in Brand. Eine Mitarbeiterin des Gerichts bemerkte den Brand und alarmierte Polizei und Feuerwehr. Das Feuer konnte gelöscht werden.
Das Gebäude ist nicht weiter beschädigt worden. Die Fassade wurde leicht beschädigt. Das Gericht ist die Verteilungsstelle des Gerichtsvollziehers, der für die Durchsetzung der Räumung der Liebigstraße 34 zuständig ist.
Berlins Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) verurteilte den Anschlag auf das Amtsgericht scharf. Über den Kurznachrichtendienst Twitter erklärte er: „Diesen Angriff auf die Justiz verurteile ich scharf. Der einzig. rechtsstaatliche Weg ist das Rechtsmittel, niemals Feuer.“
Auch auf das Büro der SPD Neukölln in der Hermannstraße ist in der Nacht ein Anschlag verübt worden. Gegen 2.45 Uhr stellten Polizisten fest, dass die Scheiben an dem Büro beschädigt worden sind. Im Internet hat sich die linksextrem Szene zu dem Anschlag bekannt und auf die Räumung der „Liebig34“ verwiesen. „Wer den Sommer der Räumungen veranstaltet, provoziert den Herbst der kaputten Scheiben und brennenden Autos“, heißt es in dem Bekennerschreiber.
In allen Fällen ermittelt nun der politische Straftaten zuständige Staatsschutz des Landeskriminalamtes. Von einem Bezug zur Räumung der „Liebig34“ wird in beiden Fälle polizeiintern ausgegangen.
Linksextremisten bekannten sich zu S-Bahn-Anschlag
Am Freitag steht der Polizei ein Großeinsatz bevor: Nach einer gerichtlichen Entscheidung soll das linke Hausprojekt „Liebig34“ in der Liebigstraße geräumt werden. Am Samstag gab es deshalb schon eine große Demonstration im Friedrichshainer Nordkiez.
Zu einem Anschlag auf die Berliner S-Bahn am Montag bekannten sich bereits Linksextremisten. Nach einem Kabelbrand ist die Ringbahn deshalb zwischen den Bahnhöfen Neukölln und Frankfurter Allee unterbrochen.
An alle Mitarbeiter der Berliner Polizei ist am Mittwochmorgen wegen der nächtlichen Angriffe eine Einsatzanordnung ergangen. Demnach werden jetzt alle Liegenschaften der Berliner Polizei in den Gebäuden und von außen durch Beamten „unregelmäßig stündlich bestreift“. Alle Fenster und Türen müssen geschlossen gehalten werden.
Polizei: Auf Verdächtiges „im Umfeld von Reizobjekten“ achten
Zudem sollen alle Polizisten, die im Außendienst unterwegs sind, verstärkt auf Verdächtiges „im Umfeld von Reizobjekten für die linke Szene“ achten.
Tatsächlich tauchte die in der Nacht attackierte Polizeiliegenschaft in Lichtenberg auf einer „Aktionskarte“ der linken Szene auf. Dort sind Ziele für Sachbeschädigungen genannt: Immobilienfirmen, Büros, Polizeiwachen und Baustellen.
Polizeimitarbeiter sollen auch verstärkt auf ihre Fahrzeuge achten. Bei Dienstwagen sollen sie „unbedingt vor Fahrtantritt auf Sachbeschädigungen oder Manipulationen achten“. Das sollten alle Beamten auch bei ihren privaten Fahrzeugen beachten, heißt es in dem internen Schreiben.
Gewerkschaft: „Durch nichts zu legitimieren“
„Dieser abscheuliche Angriff in der Nacht zeugt von einer enormen Gewaltbereitschaft“, kommentierte der Sprecher der Berliner Gewerkschaft der Polizei, Benjamin Jendro, den Angriff. „Diese mutwilligen Zerstörungen sind mit nichts zu legitimieren und wir erwarten, dass das auch alle Politiker dieser Stadt so einschätzen.“
Auch bei dem Angriff auf die Lichtenberger Polizei-Unterkunft liegt ein Zusammenhang mit der Räumung der „Liebig34“ nahe. Das müsse nun der Staatsschutz ermitteln, erklärte die GdP. „Aber Fakt ist, die Szene hat zu gewalttätigen Aktionen aufgerufen und lässt keine Zweifel an der Bereitschaft zu schwersten Straftaten“, sagte Jendro. „Diese Extremisten vergessen dabei auch immer wieder, dass Polizisten Menschen sind.“
Zu einer vorläufigen Festnahme kam es am Dienstag bei einer Pressekonferenz der „Liebig34“-Sprecherinnen. Die Polizei wertete einen Helm als „Schutzbewaffnung“ und Verstoß gegen das Versammlungsgesetz.
passiert am 07.10.2020