Benefiz-Autorennen in Leipzig: Mit Tausenden PS und dem Ex-Kanzler gegen Kinderarmut

Bauunternehmer Christoph Gröner hat seine Freunde zum Porschefahren nach Leipzig eingeladen. Für einen guten Zweck, versteht sich. Bei der Gelegenheit stellte er auch seinen neuen Berater vor: Altkanzler Gerhard Schröder.

Leipzig

Eigentlich war Christoph Gröner abgetaucht. Es hatte Anschläge auf seine Baustellen gegeben. Er hatte von Drohungen erzählt, gegen seine Familie. Jetzt gibt Gröner Gas. Heißer, schwarzer Asphalt, ein gelber Porsche GT3. Mit Tempo 225 biegt Gröner auf die Zielgerade der Teststrecke hinter dem Leipziger Porschewerk ein.

„Sie sagen, wenn es zu schnell wird“, sagt Gröner. „Machen Sie mal“, entfährt es dem Reporter.

Gröner, einer der reichsten Deutschen und vielleicht der aktivste Bauherr der Republik, hat Freunde und Geschäftspartner für Sonntag und Montag zum Autofahren eingeladen. Auf Lkw hat er seine Porschesammlung (40 Stück, Wert: 10 Millionen Euro) nach Leipzig überführt. Für jede Runde, die seine Gäste drehen, müssen sie zwischen 500 und 1000 Euro an „Wirtschaft kann Kinder“ überweisen, Gröners Stiftung gegen Kinderarmut. Das Geld landet bei Streetworkern und Kinderhospizen. Mit Tausenden PS geht es gegen das Elend, 400.000 Euro sollen am Schluss zusammenkommen. Vergangenes Jahr waren es 300.000 Euro.

Aus der eigenen Firma ausgestiegen, dann eine neue gegründet

Gröner rast auf die nächste Kurve zu, dann bremst er scharf ab. In Leipzig hatte Mitte der Neunziger alles für ihn angefangen. Im Namen seiner CG Gruppe kaufte er Altbauten, sanierte, vermietete, verkaufte. In Plagwitz gibt es ganze Straßenzüge, in die Gröner sein Geld steckte. Und an denen er einiges verdiente. Auf rund 80 Millionen Euro schätzt er sein Privatvermögen.

Doch in einer Nacht im Oktober 2019 änderte sich vieles. Auf einer Baustelle Gröners standen zwei Baukräne in Flammen. Ein Millionenschaden. Die Polizei vermutet die Täter im linken Spektrum, setzte eine Belohnung von 100.000 Euro aus. Eine Spur gibt es bis heute nicht. Aber seither wurde es ruhiger um Gröner. Er bewegte sich fast nur noch mit Personenschutz umher. Gröner stieg aus seiner eigenen Firma aus, gründete eine neue, alles eher geräuschlos. Und er schien sich aus Leipzig zurückzuziehen. Oder doch nicht?

Einige Stunden, bevor die Spender auf die Sportwagen losgelassen werden, bittet Gröner einen Mann ans Mikrofon. „Gerhard, the floor is yours“, sagt er. Gerhard Schröder, marineblauer Anzug zu Velours-Slippers, tritt nach vorn. Der Unternehmer und der SPD-Altkanzler sind per du. Vor drei Monaten lernten sie sich in Hannover kennen, erzählt Gröner später. Sie gingen essen. Dann sagte Gröner zu Schröder: „Ich will Dich als meinen Berater.“ Und Schröder, der auch für das russische Erdgasunternehmen Gazprom arbeitet, willigte ein.

Altkanzler Schröder erzählt von seiner Kindheit in Armut

Und so erzählt Schröder auf Gröners Spendengala gegen Kinderarmut nun gewissermaßen als Kronzeuge, nämlich von seiner eigenen Kindheit. Er stamme selbst aus dem „Milieu des Prekariats“, sagt er. „Wir galten in meinem Heimatdorf als die Asozialen.“ Schröder erzählt von seiner Mutter, einer alleinerziehenden Putzfrau. Und von seinem zu Hause, einer „zugigen Holzbude“. Davon, dass er es ja doch geschafft habe. „Und warum soll der nächste Bundeskanzler nicht aus einem Plattenbau in Leipzig stammen?“ Applaus von den vor allem aus Berlin angereisten Gästen.

Bloß, fährt Schröder fort, sei aufzusteigen heute schwerer als früher. Es fehle an Durchlässigkeit. Die meisten Leute aus armen Haushalten würden es heute nicht mehr aus ihrer sozialen Schicht nach oben schaffen. Und der Sozialstaat allein könne daran auch nichts ändern. Daher müssten Unternehmer ran. „Und“, sagt Schröder „ich sehe nichts Schlechtes daran, wenn sich ein Unternehmer wie Christoph Gröner dadurch einen Namen macht.“

Dann bedankt sich Gröner, der Altkanzler muss schon wieder los. Am Montag will er auf die nächste Spendengala, Golf spielen. Wieder geht es um Geld für Kinder. Auf eine Spritztour verzichtet er. Schon 30 Jahre lang würde er nicht mehr regelmäßig Auto fahren. Dafür nimmt Gröner dessen Frau Soyeon Schröder-Kim mit auf eine Runde.

Der Alte Postbahnhof in Leipzig ist Gröners neuestes Projekt

Schröder, 77 Jahre, und Gröner, 52 Jahre, haben einiges gemeinsam. Sie sehen sich sogar ein wenig ähnlich. Vor allem aber betonen beide gern, dass die Öffentlichkeit sie verkennt. Schröder, weil er den Sozialstaat zerstört habe, sagt er in seiner Rede. Dabei, so erzählt er es, habe er den Sozialstaat erst „zukunftsfest“ gemacht. Über Gröner sagen manche, vor allem Linke, dass er mit Wohnraum, den Menschen dringend benötigen, Profit mache, egoistisch und rücksichtslos. Unsinn, sagt er. Er betreibe ein „soziales und innovatives Unternehmen.“ Das könne man auch an einem Tag wie heute sehen.

Was hat Gröner in Leipzig vor? Der Alte Postbahnhof ist sein neuestes Projekt. „Ein Areal, das Demut erfordert“, sagt er. Außerdem macht er sich über die Plagwitzer Höfe her, ein Areal zwischen Karl-Heine-Straße und Limburgerstraße. 92 Wohnungen sollen bis Ende 2022 bezugsfertig sein.

Man kann an einem Tag, an dem mit schnellen Autos Geld für einen guten Zweck gesammelt wird, nicht viel über Gröner erfahren. Denn meistens läuft er, mit einem Glas Wasser oder Häppchen in der Hand, vom einen Spender zum Nächsten. Man kann ihm aber, während einer Runde über die Teststrecke, zuhören, wie er über die politische Lage im Land reflektiert.

Gröner will jetzt wieder häufiger öffentlich auftreten

Also, eine schnelle Frage: Wen wünschen Sie sich als Bundeskanzlerin oder Bundeskanzler, Herr Gröner? Leichte Zurückhaltung. Annalena Baerbock? Ausgeschlossen. „Aber einen wie Kretschmann würde ich jeden Tag wählen“, sagt er. Armin Laschet, Olaf Scholz, die überzeugten ihn nicht. Weiter rechts? „Dem Rechtspopulismus kann man gar nicht fest genug die Tür vor der Nase zuschlagen“, sagt Gröner. Vor einiger Zeit spekulierte Gröner, eine eigene Partei zu gründen. Er ließ es. Dann spendete er knapp eine Million an die Berliner CDU.

Gröner fährt rechts ran, macht die Autotür des 911er Porsche einen Spalt weit auf. Er habe sich, erzählt er dann, in letzter Zeit häufiger mit den Grenzen seiner eigenen Toleranz auseinandersetzen müssen. Angefangen habe das mit seinen Kindern, die eher links denken würden. Ach ja? „Ja sicher“, sagt Gröner, „meine Tochter springt in der Liebigstraße rum.“ Das ehemals besetzte, anarchistische Wohnprojekt wurde im Oktober 2020 von der Polizei geräumt.

Gröner will jetzt wieder häufiger öffentlich auftreten. Er will weiter bauen und renovieren, nicht mehr mit der CG Group, der Christoph-Gröner-Gruppe. Sondern völlig neu, mit seiner neuen Firma. Mit mehr Demut, wie er sagt. Gröner lächelt. Der Name der neuen Firma? CG Elementum.

passiert am 27.06.2021