Berliner Abgeordneter 15 Stunden an Flughafen im Nordirak festgehalten

Der Berliner Abgeordnete Hakan Taş ist von Sicherheitsbehörden 15 Stunden im Sicherheitsbereich des Flughafens in Erbil festgehalten worden. Erst am Samstagnachmittag durfte der kurdisch-stämmige Abgeordnete den Flughafen verlassen und weiterreisen. Er wurde in dieser Zeit laut eigener Aussage zweimal verhört, durfte sich nicht waschen. Erbil ist die Hauptstadt der kurdischen Autonomiegebiete im Irak.

Dem Tagesspiegel sagte Taş am Sonnabendnachmittag nach seiner Freilassung in der Nähe von Erbil, er sei „erschüttert“, dass ihm so etwas nicht nur in der Türkei, sondern auch in Kurdistan passiere. Das Sicherheitspersonal habe ihm seinen Pass abgenommen, er habe die ganze Zeit über kein Essen bekommen, sein Smartphone durfte er nicht benutzen. Polizisten hätten seine Fotos und seinen Instagram-Account durchgesehen und von ihm wissen wollen, wen er zu treffen beabsichtige.

Taş nimmt an einer Delegationsreise zu einem Friedenskongress teil, am 14. Juni soll es eine Pressekonferenz geben. Dem Tagesspiegel sagte Taş, er sei psychisch unter Druck gesetzt worden. Er werde sich aber nicht beugen: „So etwas bin ich aus der Türkei gewohnt. Wir dürfen uns nicht fürchten.“

Seine Festsetzung zeige, dass der Demokratisierungsprozess in der autonomen Republik Kurdistan noch lang ist: „Wir müssen jetzt deutlichere Schritte machen.“ Taş plant, in der Nacht zum 16. Juni über Istanbul nach Deutschland zurückzufliegen.

Die Berliner Linken-Chefin Katina Schubert zeigte sich am frühen Abend erleichtert. „Wir sind froh und erleichtert, dass Hakan Taş wieder auf freiem Fuß ist. Wir fordern, dass alle Repressionen von irakischen und türkischen Behörden gegen alle Mitglieder der #friedensdelegation sofort aufhören und alle frei reisen können“, twitterte sie.

Eine weitere Delegation der Linken ist am Samstag an einer Reise in den Nordirak gehindert worden. Die Gruppe wurde am Flughafen Düsseldorf von der Bundespolizei festgehalten, die Weiterreise wurde ihr untersagt. Unter den Betroffenen war auch die Hamburger Linken-Fraktionschefin Cansu Özdemir.

Der Linken-Bundesvorstand forderte von der Bundesregierung „umfassende Aufklärung“ über den Vorgang. „Es kann nicht sein, dass Politikerinnen und Politiker, die ihre Rechte wahrnehmen, auf diese Weise in ihrer Arbeit behindert werden“, erklärte Linken-Bundesgeschäftsführer Jörg Schindler. „Deutsche Behörden dürfen nicht zu Erdogans Handlangern werden.“

Behörden fürchten Belastung der Beziehungen zur Türkei

Die türkische Armee geht im Norden des Irak gegen kurdische Milizen vor. Ziel der Reise sei es gewesen, „sich vor Ort in Erbil über die seit Wochen andauernden Militäraktionen der Türkei im Nordirak zu informieren und auf die völkerrechtswidrigen Angriffe aufmerksam zu machen“, sagte Schindler.

Deutschen Sicherheitsbehörden sei aus „Veröffentlichungen im Internet“ bekannt geworden, dass kurdische Vereine, die der in Deutschland verbotenen PKK nahestünden, eine Aktion „menschliches Schutzschild“ gestartet hätten, heißt es in der von Teilnehmern der Delegation verbreiteten „Ausreiseuntersagung“ der Bundespolizei.

Durch eine Teilnahme von Personen an Aktionen der „PKK oder der passiven Unterstützung der Aktionen der PKK im Krisengebiet gegen Sicherheitskräfte des NATO-Partners Türkei werden erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland berührt“. Eine Teilnahme deutscher oder europäischer Staatsbürger an dem Konflikt werde „die Beziehungen zur Türkei weiter negativ belasten“.

https://www.tagesspiegel.de/berlin/linken-politiker-im-konflikt-mit-erdogan-berliner-abgeordneter-15-stunden-an-flughafen-im-nordirak-festgehalten/27281266.html

passiert am 12.06.21