Rigaer 94-Bewohner ziehen gegen Brandschutzprüfung vor Gericht

Im Streit um das teilbesetzte Haus in der Rigaer Straße 94 in Berlin-Friedrichshain wollen die Linksautonomen die in einer Woche angesetzte Brandschutzprüfung durch den Eigentümer nun noch kurzfristig juristisch verhindern. Am Verwaltungsgericht ist ein Eil-Antrag eingegangen, wie ein Sprecher dem Tagesspiegel am Donnerstagabend bestätigte.

Der Antrag richtet sich gegen das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg und die von der Behörde gegen die Bewohner der Rigaer 94 verfügte Duldungsanordnung. Der Bezirk hatte auf Druck des Verwaltungsgerichts und der Bezirksaufsicht der Senatsinnenverwaltung die Bewohner der Rigaer 94 verpflichtet, die Begehung durch einen Sachverständigen und Vertreter des Eigentümers zu dulden.

Seit Monaten laufen die Vorbereitungen für einen größeren Polizeieinsatz, weil das Haus als Hotspot der gewaltbereiten linksextremistischen Szene gilt. Die Begehung durch Eigentümervertreter und der dafür nötige Polizeieinsatz sind für Donnerstag, 17. Juni, angesetzt. Ohne die Duldungsanordnung wäre das nicht mehr möglich. Die Bewohner wollen Zeit gewinnen und haben beim Verwaltungsgericht zunächst beantragt, dass die Anordnung nicht mehr sofort vollziehbar sein soll.

Die Bewohner und Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) halten die Brandschutzprüfung durch einen Sachverständigen des Eigentümers für obsolet. Schmidt selbst hatte im März vor dem ersten Begehungstermin des Eigentümers eine Mitarbeiterin der Bauaufsicht in das Haus geschickt und so den Termin samt Polizeieinsatz platzen lassen. Dem Land Berlin entstanden deshalb wegen der georderten Unterkünfte für auswärtige Polizeieinheiten Kosten von einer halben Million Euro.

Das Ergebnis der Prüfung durch Schmidts Mitarbeiterin lautete: Zwar seien bei der Begehung eine Reihe von Mängeln festgestellt worden, allerdings wiesen diese „weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit“ eine Intensität auf, die eine Nutzungsuntersagung rechtfertigen würde. Die meisten Mängel ließen sich schnell beheben, was bei einer Nachkontrolle durch Schmidts Mitarbeiter überprüft werden könne. Das geschah dann Ende März.

Demnach sollen die meisten Mängel behoben worden sein. Binnen vier Wochen – also bis Ende April – sollte es, so entschied die Bauaufsicht, eine weitere Nachkontrolle der Restmängel geben. Ob es die bereits gab oder noch geben soll, ist unklar. Eine konkrete Frage dazu beantwortete das Bezirksamt ausweichend.

Pikant an den eigenmächtigen Prüfungen durch Schmidts Mitarbeiterin war bereits, dass Schmidt Gerichtentscheidungen ignorierte, Beschlüsse der Richter und des Senats unterlief. Er wollte die Erkenntnisse seiner Mitarbeiterin auch als Beweis nutzen, dass eine eigenständige Begehung durch den Eigentümer gar nicht nötig sei.

Das Gericht hat Schmidt jedoch mehrfach in die Schranken verwiesen und deutliche Worte für den Grünen-Politiker gefunden. Es bescheinigte dem Bezirksamt, sich nicht an Recht und Gesetz gehalten zu haben und trotz klarer Hinweise auf Brandschutzmängel untätig geblieben zu sein. Auf das Bezirksamt sei kein Verlass.

Schmidt stimmte sich stets eng ab mit den Anwälten der Linksextremisten

Dagegen habe der Eigentümer nicht nur die Pflicht, sondern auch das Recht, selbst das Haus zu betreten und den gesamten Komplex auf Brandschutzmängel zu prüfen – auch die Wohnungen. Und es sei auch nicht auszuschließen, dass das Bezirksamt eine umfassende Dokumentation der Brandschutzmängel sogar umgehen könnte – nämlich „aus anderen als baupolizeilichen Gründen“, also politischen.

Dass Schmidt sich in dem jahrelangen Konflikt um den Brandschutz eng abstimmt mit den Anwälten der gewaltbereiten Linksextremisten, ist bekannt. Erst versuchte er, die Bezirksaufsicht auszubremsen, dann seine eigene Entscheidung und Gerichtsbeschlüsse zu unterlaufen, die Eigentümerin – wie vom Gesetz vorgesehen – zur Behebung der Mängel zu verpflichten. Nun klagen die Bewohner gegen die Duldungsanordnung, zu der Schmidt mehrfach vom Verwaltungsgericht und vom Senat verpflichtet worden war.

Unklar ist jedoch, ob Schmidt seine Bauaufsicht oder einen Vertreter zu der Begehung des Eigentümers am 17. Juni schicken will. Der Tagesspiegel hat konkret angefragt, ob das Bezirksamt, so wie es bislang im Raum stand, einen Mitarbeiter oder Prüfingenieur zur Begehung durch den vom Eigentümer beauftragten Sachverständigen der Rigaer 94 schicken wird.

Späte Einsicht: Bezirksamt will Rechtslage jetzt beachten

Das Bezirksamt antwortete am Donnerstag ausweichend: „Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg ist sich seiner Verantwortung bei der Durchführung der Sachverständigenbegehung im Objekt Rigaer Straße 94 bewusst und wird dafür Sorge tragen, dass es als zuständige Bauaufsichtsbehörde zeitnah und rechtssicher alle notwendigen Entscheidungen treffen kann.“ Konkrete Details „der Ausgestaltung dieser Handlungsfähigkeit“ seien „noch in Vorbereitung“ und erfolgten „in enger Abstimmung“ mit Innenverwaltung und Polizei.

Immerhin sieht sich das Bezirksamt nun an die Rechtslage „gebunden und wird diese beachten“, nämlich: „Das Verwaltungsgericht Berlin hat in zwei Beschlüssen vom März 2021 die Begehungen durch das Bezirksamt insgesamt für nicht ausreichend erachtet und der Senat von Berlin hat das Bezirksamt im Wege der Bezirksaufsicht dazu verpflichtet, eine Begehung des Objektes durch einen Brandschutzsachverständigen zu ermöglichen und zu begleiten.“

Die daraufhin erlassene Duldungsanordnung sei jedoch auf die brandschutzrechtliche Begutachtung und Begehung beschränkt. Alles weitere könne erst nach den „Feststellungen bei der Begehung selbst“ entschieden werden.

Schmidt hatte bislang stets damit argumentiert, einen größeren und aus seiner Sicht unverhältnismäßigen Polizeieinsatz vermeiden zu wollen. Er wähle nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit den geringstmöglichen Einsatz exekutiver Gewalt. Wobei die Gewalt hier von den Linksextremisten ausgeht.

Die Winkelzüge von Schmidt und Herrmann zum Schutz der Autonomen

Bereits die gesamte Vorgeschichte ist bizarr. Schmidt hatte erst im Dezember 2020 ein bauordnungsrechtliches Verfahren gegen den Eigentümer eingeleitet – allerdings erst auf Druck der Innenverwaltung, die im März 2020 ein Verfahren der Bezirksaufsicht eingeleitet hatte.

Schmidt und Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) wussten seit 2016 von Hinweisen auf massive Brandschutzprobleme, dennoch hinderten sie die Bauaufsicht jahrelang aktiv und entgegen der Rechtslage am Einschreiten. Dabei ist die Bauaufsicht bei derlei Hinweisen auf Gefahren dazu verpflichtet, Verfahren einzuleiten.

In dem Haus, eines der letzten Symbole der linksextremen Szene in Berlin, waren bei mehreren Polizeieinsätzen und vom Hausmeister zahlreiche Mängel dokumentiert worden: fehlende Fluchtwege, Wanddurchbrüche, fehlerhafte Elektroleitungen und Sperren in Treppenhäusern. Innensenator Andreas Geisel (SPD) hatte Schmidt in diesem Frühjahr vorgeworfen, mit seinen „Winkelzügen“ gewaltbereite Linksextreme vor rechtsstaatlichem Handeln schützen zu wollen.

Erst in der Nacht zu Donnerstag sind erneut Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr in der Rigaer Straße nahe dem Haus Rigaer94 angegriffen worden. Die Feuerwehr war gegen 2.30 Uhr wegen eines brennenden Müllcontainers gerufen worden.

Dann ist das Löschfahrzeug in der Rigaer Straße mit Steinen beworfen worden, Polizisten mussten die Feuerwehr beim Löschen mit Schutzschildern schützen. Fahrzeuge von Polizei und Feuerwehr wurden beschädigte, Beamte fanden nach dem Einsatz mehr als 50 Pflastersteine auf der Straße.

Die linksextremistische Szene hat in diesem Jahr wegen der Rigaer 94 und der Räumung anderer Projekte mit Gewalt und Chaos in der gesamten Stadt gedroht. Genannt wurden in Bekennerschreiben auch Brandanschläge auf Autos und die Infrastruktur, etwa um die S-Bahn lahmzulegen. Ausdrücklich erwähnten die Linksautonomen auch den Flughafen BER in Schönefeld als Ziel.

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