Keep spendin‘ most our lives livin‘ in the gangsta’s paradise – Defend Rigaer94
Am 17. und 18. Juni soll erneut eine „Brandschutzbegehung“ in der Rigaer94 durchgeführt werden. Dieser Text soll zeigen, warum es hier nicht um den Schutz der Bewohner*innen und Nutzer*innen geht, sondern sich um einen weiteren Angriff des Staates auf unsere Strukturen handelt.
Wenn es den Verantwortlichen um Brandschutz ginge, hätte die ganze Nummer schon lange abgehakt sein können. Es gab diverse Prüfungen mit daraus folgenden Reparaturen, aber der Senat und die Briefkastenfirma bestehen weiterhin auf eine weitere Prüfung. Es handelt sich hier also um nichts anderes, als einen vorgeschobenen Grund, um einen weiteren rebellischen Ort in dieser Stadt zu zerstören, weswegen sich die Bewohner*innen gegen diese „Begehung“ auch wehren werden.
Bereits am 11. und 12. März diesen Jahres sollte die Prüfung stattfinden. Dafür wurde ein riesiges Bullenaufgebot in die Stadt beordert. Da die Bewohner*innen der R94 vor dem angesetzten Termin bereits ein Brandgutachten machen ließen, gab es dafür jedoch keinen Anlaß mehr. Dennoch war die Aufregung groß, wer jetzt den ausgefallenen Bulleneinsatz bezahlen soll. Dagegen bleibt die Aufregung aus, wenn Leute durch Räumungen Wohnraum verlieren und obdachlos werden. Das ließ sich schon bei der Räumung der Liebig 34 und unzähligen anderen Räumungen, die im Fokus der Öffentlichkeit stattfanden, sehen. Wohnraum ist Ware und die gehört nun mal dem*der Eigentümer*in.
Immer wieder wurden die unterschiedlichsten Vorwände benutzt um die R94 zu belagern, versucht Teile des Hauses zu räumen oder zu durchsuchen. Die Gründe reichten von angeblichem Sozialbetrug, Angriffen durch Laserpointer oder „kriminelle“ Attacken auf vermeintlich „nichts ahnende“ Spätibesitzer in Kreuzberg. Unüblich dabei ist aber, dass sich Hauseigentümer*innen oder jene die sich dafür ausgeben an Hausdurchsuchungen beteiligen können.
Der sogenannte Eigentümervertreter mit samt seinem Anwalt bewegten sich unter dem Schutz der Bullen während Hausdurchsuchungen im Gebäude und nutzten dies, um eine vermeintliche Brandgefahr zu konstruieren und der Presse allerlei Propaganda auf zu quatschen. Die Masche unter dem Vorwand der Sicherheit für die Bewohner*innen, ihre nicht-kommerziellen Lebensräume zu zerstören, scheint sich im Senat ohnehin durchzusetzen. Auch bei Bekanntwerden dieser heuschlerischen Strategie, scheuen Politiker*innen nicht davor zurück die Verantwortung von sich zu weisen.
So geschehen in der Vergangenheit beim Gelände der Cuvrybrache oder an der Rummelsburger Bucht. Unter dem Deckmantel Brandgefahr oder Kältehilfe wurden Bewohner*innen der Plätze, Rom*nja und Sinti*zze, Familien und Einzelpersonen aus ihren Hütten und holz-gezimmerten Häuschen vertrieben. Ob Lieferando, Padovizc oder das Coral-World Projekt; vereint in der Zusammenarbeit zwischen privaten Konzernen und staatlichen Entscheidungsträger*innen. In einer Stadt, die ausschließlich für kaufkräftiges Klientel aufpoliert wird, werden kreative Argumente vorgeschoben, um Menschen ihr Zuhause zu rauben. In welchen „sicheren“ Bedingungen sie anschließend unterkamen ist nach Räumungen für niemanden mehr von Interesse. Hauptsache jeder Quadratmeter wird für die Verwertung in Aussicht gestellt.
Ziemlich wahrscheinlich ist, dass mit dem Brandschutzgutachten in der R94 auch gleich private Sicherheitsdienste und Bauarbeiter*innen im Haus Einzug halten, wie es in der Vergangenheit schon mehrmals passiert ist. Ebenso muss damit gerechnet werden, dass wieder Decken eingeschlagen, Türen rausgerissen, Inventar zerstört und der Wohn- und Rückzugsraum verwüstet wird. So werden Maßnahmen, die im Sinne des Brandschutzes in der Vergangenheit getätigt wurden, ironischerweise wieder zu nichte gemacht.
Die geistigen Brandstifter*innen sitzen dabei im Parlament. In jeder Legislatur, egal ob Körting, Henkel oder Geisel, alle eint die Sucht nach einer harten Hand und dem Heraufbeschwören einer sauberen und kapitalistisch verwertbaren Stadt. Begleitet durch eine medial unterfütterte Hetzkampagne, sowie einer Denunzierung als „Kriminelle“, „Gangster“, „rot-lackierte Faschisten“ und dergleichen. Eine nicht mehr zu ertragende Propaganda bedient sich hierzu auch gerne bei den Nachbar*innen des Luxusbauprojekts Bambiland in der Rigaer Straße. Dessen Bewohner*innen halten immer wieder vor den Kameras dafür her, sich über die Gewaltexzesse der Bewohner*innen der R94 zu empören.
Dies zusammen dient der Legitimation der gewaltvollen Handlungen des Staates, während sie sich getrost auf den deutschen Rechtsstaat beziehen können. Allein das im Internet kursierende Kaufangebot in der Woche nach der zwar angesetzten, aber nicht vollzogenen Brandschutzbegehung Ende März, zeigt auf, wohin die Reise im Sinne des Senates und der Eigentümer gehen soll.
Weil das natürlich nicht ausreicht und weil sie nicht noch mehr Niederlagen einstecken wollen, versuchen sie jetzt schon die Bewohner*innen auf andere Weise zu zermürben und zu zersetzen.
So werden Anzeigen wegen Dokumentenfälschungen an die Bewohner*innen verschickt, weil diese sich auf besetzte Wohnungen bei Bürgerämtern gemeldet haben. Bestehende Mietverträge werden einfach gekündigt, was dann erstmal wieder angefochten werden muss, etc…
Es geht schon lange nicht mehr nur um die Interessen des Eigentümers, sondern um die prinzipielle Zerstörung alternativer und selbstverwalteter Projekte durch den Berliner Innensenat zugunsten der kapitalistischen Aufwertung. Die Bullen sind dabei willige Gehilf*innen, die interne Informationen über die Bewohner*innen gerne auch an Nazis und Presse weitergeben oder gleich selbst aus den Datensätzen im Polizeicomputer Drohbriefe gegen Bewohner*innen und Freund*innen der R94 basteln.
In dieser Gemengenlage aus politischer und psychologischer Kriegsführung nutzen sie jedoch auch die ihnen zur Verfügung stehende Rechtsauslegung durch „Kleinstmaßnahmen“, wie das ständige Präsenz zeigen im Kiez, die permanenten Kontrollen, um auch Nachbar*innen gegen das rebellische Haus aufzuwiegeln oder Leute vom Besuch der Vokü abzuhalten etc.
Hinzu kommen die unterschiedlichen persönlichen Profilierungsversuche einiger fehlgeleiteter Politiker*innen. Ein Schmidt kann sich zwar aufspielen als wäre er Robin Hood und würde irgendwas retten wollen. Das hoffnungsbeladene Vertrauen aber in die persönlichen und machtpolitischen Strategien von Politiker*innen, hat sich schon bei der Liebig 34 als großer und gefährlicher Fehler erwiesen. Auch im Fall der R94 hat er mit der Anordnung einer Brandschutzbeguchtachtung durch die Lafone (vermutliche Eigentümerfirma) den Stein erst ins Rollen gebracht.
Machen wir uns nichts vor und lassen wir uns nichts vormachen; der Senat und Bezirk haben null politisches Interesse am Erhalt dieses Hauses, was uns auch nicht wundert, da wir auf verschiedenen Seiten stehen. Schon im Jahr 2016 saßen der vermeintliche Eigentümer, Henkel, Krömer und der zuständige Bullen-Abschnitt an einem runden Tisch und planten die Belagerung der Rigaer 94. Auch Geisel reiht sich ein in die Tradition der vorherigen Politclowns. Mit der Suche nach weiteren Gründen die Schlösser zu tauschen und die Türen zu klauen, verfolgt er die Zerstörung einer unserer letzten Lebens(t)räume in dieser Stadt.
Wir sollten niemals darauf vertrauen, dass sich unsere Belange vor Gericht lösen lassen. Auch in der Vergangenheit wurde die R94 nie auf einem rein juristischen Weg verteidigt. Die andauernde Existenz dieses Projekts ist auf die konstante Verteidigung zurück zu führen, die sich auf eine vielfältige Weise gezeigt hat. Auf der Straße, bei Demonstrationen, an den Wänden der Stadt, in den Versammlungen, international. Eine Vernetzung mit anderen Strukturen in Berlin und überall. Direkte Aktionen in der Nacht. Interventionen bei der Hausverwaltung oder Bezirksämtern. Plakate, Banner, Flyer. Ein Zusammenspiel unserer Kämpfe, im Rahmen eines Angriffs auf uns alle.
Die R94 befindet sich seit Jahren unter permantem Beschuss durch Bullen, Senat, Nazis und Eigentümer. So vielfältig wie die Feinde, sind auch ihre Methoden. Auch deswegen sollte die Brandschutzbegehung in dieser Kontinuität von Angriffen gesehen werden. Es sollte nicht gewartet werden bis es zu spät ist. Erst auf die Straße zu gehen, wenn geräumt wird, ist zwar nett für die Betroffenen als Support, aber nicht der Moment, um noch für den Erhalt unserer Räume zu kämpfen. So war auch die Scherbendemo für die Liebig34 in Mitte ein schönes Erlebnis, ein Versuch Rache zu nehmen, der jedoch schon bald von der Realität des toten Gebäudes in den Schatten gestellt wurde.
Egal ob Razzia, kurzfristig, langfristig, eine Teil- oder komplette Räumung: jeder Angriff auf unsere Strukturen und Ideen, ist ein Angriff auf uns alle, die wir uns dem System widersetzen und den Krieg des Profits und des Kapitals zurückschlagen. Indem sie unsere Räume belagern und versuchen Individuen und Gruppen zu isolieren, zielen sie darauf ab, unsere Strukturen langfristig zu schwächen, den Widerstand zu brechen und uns die Räume zur Vernetzung, des gemeinsamen Organisierens zu nehmen.
Dieser Versuch das Haus ein weiteres Mal zu zerstören, muss als solcher erkannt und entsprechend beantwortet werden!
Stellen wir uns hinter die bedrohten Projekte dieser Stadt!
Wir bleiben unregierbar.
Rigaer, Potse, KöpiWagenplatz Verteidigen!