Über die Hungerstreiks in chilenischen Knästen

Am 22.3. begannen Gefangene mehrerer chilenischer Knäste mit einem Hungerstreik. Unter anderen im berüchtigten Gefängnis Santiago 1 und im Hochsicherheitsgefängnis in welchem zahlreiche rebellische Gefangene einsitzen.

Hauptforderung der Streikenden ist die Änderung eines im Jahr 2019 verschärften Dekrets, welches es Gefangenen quasi unmöglich machen kann, ihren vormaligen Rechtsanspruch auf vorzeitige Entlassung oder Hafterleichterung geltend zu machen. Somit unterliegt ein mögliches vorzeitiges Ende der Haft bzw. eine Milderung vollkommen der Willkür von Knast und Justiz. Die Verschärfung des Dekrets ist darüber hinaus rückwirkend wirksam, wird also auch auf Gefangene angewendet, welche schon Jahre im Knast sitzen und unter noch vor der Änderung verurteilt worden waren. Für einige Gefangene wie für Marcelo Villaroel bedeutet dies, quasi lebendig im Knast begraben zu werden. Für ihn fordern die Hungerstreikenden seine sofortige Freilassung.

Ein weiteres Anliegen einiger Hungerstreikenden ist ihre Anerkennung als politische Gefangene. Seit den Revolten ab dem Oktober 2019 sitzen etliche Rebell*innen in den chilenischen Knästen, weil sie sich an den massiven Kämpfen gegen die rechtskonservative Regierung und das neoliberale kapitalistische Regime beteiligt haben. Zwar gibt es (besonders in Santiago de Chile) etliche Gruppen zur Unterstützung von Gefangenen. Seit Ausbruch der Pandemie, einer militärischen Ausgangssperre und einer Regierungsstrategie zur Vertröstung der wütenden Bevölkerung fühlen sich viele subversive Gefangene jedoch zunehmen isoliert. Auch staatstreue Medien und eine spalterische „Versöhnungskampagne“ der Piñera-Administration tragen ihren Teil zur Unsichtbarmachung und Entpolitisierung der Gefangenen bei. Mit ihrem Hungerstreik machen die Gefangenen auf die Situation der zahlreichen Rebell*innen in den Knästen aufmerksam und dem staatlichen Versuch die Revolte und die Wut unter den Teppich zu kehren, entgegentreten.

In zahlreichen Statements die im Internet und während der Solidaritätsveranstaltungen auf der Straße verbreitet wurden, machen die Gefangenen klar, weshalb sie eingesperrt wurden: Weil sie gegen eine Welt der Ausbeutung, der Zerstörung und der Unterdrückung kämpfen und von einer Justiz der kapitalistischen Gesellschaft dafür verfolgt werden.

Am 4. Tag (26.3.) des Hungerstreiks wurde von einem Gericht der Hauptstadt Santiago eine außerordentliche Sitzung zu dem Hungerstreik veranlasst. Ziel war es offensichtlich die Streikenden zum Abbruch ihrer Aktion zu bewegen und eine weitere Mobilisierung zu verhindern. Ein weiterer Grund für die Gerichtssitzung war es offensichtlich, den Hungerstreik öffentlich zu denunzieren, da sich bereits nach kurzer Zeit eine große Solidaritätskampagne mit den Gefangenen entfaltete. Wie bei anderen Hungerstreiks versuchten die Richter*innen den Streik zu delegetimieren, indem ihm politische Inhalte abgesprochen und den Gefangenen eigennützige Interessen unterstellt wurden.
Darauf antworteten einige der Gefangenen prompt: Francisco Solar stellte in einer sofortigen Antwort auf die richterlichen Behauptungen klar, es gehe ihm nicht um eigene Privilegien. Er stellte klar, dass sich der Hungerstreik direkt gegen das oben genannte Dekret richte und bekräftigte seine Forderungen nach einer Entlassung des Gefangenen Marcelo Villaroel (der noch auf Grundlage von Gesetzen aus der Pinochet Diktatur verurteilt worden war).
Marcelo selbst sprach sich vor dem Tribunal für eine weitere Mobilisierung des Hungerstreiks aus.
Auch Joaquin Garcia verwies auf das Ziel der Streikenden die Verschärfungen zurückzunehmen.

Die Revolte in Chile ist mit dem Ausbruch der Pandemie nicht zu Ende, ebenso wenig wie mit dem verlogenen Angebot der Herrschenden dem Volk eine neue Verfassung zu schenken. Die Kontinuität der Unterdrückung kennt die Bevölkerung1 im Chilenischen Staat nur zu gut vom sogenannten „Übergang zu Demokratie“ nach 17 Jahren Militärdiktatur Anfang der 1990er Jahre. Während die Mörder*innen der Diktatur (allen voran Pinochet) im großen Stil rehabilitiert (oder sogar verehrt) wurden, blieb die Armut und Ungleichverteilung in der Bevölkerung quasi unangetastet. Für ihren Kampf dagegen sitzen damals wie heute zahlreiche Menschen in den Knästen des Chilenischen Staates.

Die rückwirkende Verschärfung der Entlassungsbedingungen steht dabei genau in dieser Kontinuität. Sie dient als Instrument der Rache an den Kämpfenden gegen die Diktatur, genau wie sie auf die Zerstörung und Unsichtbarmachung der Gefangenen der jüngsten Revolten zielt.
Die große Solidarität mit den Hungerstreikenden in Chile macht dabei einen wichtigen Aspekt von sozialen kämpfen deutlich: Kämpfe enden nicht hinter den Gittern der Knäste! Die Antiautoritären im chilenischen Hungerstreik kämpfen weiter gegen die Ungerechtigkeiten der Mächtigen, diesmal mit dem Einsatz ihrer Gesundheit.

Zeigt euch solidarisch mit den chilenischen Hungerstreikenden, indem ihr über ihre Situation informiert.
Natürlich ist es immer gut sich mit Gefangenen aus dem eigenen Kontext zu solidarisieren, ihre Kämpfe und Forderungen draußen sichtbar zu machen und die Isolation im Knastsystem zu brechen.

Freiheit kennt keine Grenzen!
Kraft und Mut für Hungerstreikenden in Chile!
Weg mit den Knästen!

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passiert am 22.03.2021