Erklärung: Über die Demo zur Polizeistation von Kolonos/Athen

Am 5. Dezember 2020 führte eine unangekündigte Demonstration zur Polizeistation von Kolonos/Athen, nach der einige Bullen im Krankenhaus landeten, eine Genossin später verhaftet wurde und die Regime Presse sich empörte. Direkt danach gabs schon einen kurzen Bericht auf Indymedia, zwei Wochen später erschien ein Text aus dem Vorbereitungskreis, der hiermit übersetzt ist. Nicht weil er besonders gut wäre (was er nicht ist) sondern weil es einer der ganz wenigen Momente der letzten Monate war, in denen sich die anarchistische Bewegung auf der Straße durchsetzen konnte:

Über die Demo zur Polizeistation von Kolonos

Am Samstag, den 5. Dezember, haben wir, ein Kollektiv von etwa 80 Leuten aus der anarchistischen und der breiteren emanzipierten radikalen Bewegung, beschlossen, die Atmosphäre des Terrors zu durchbrechen, die der Stadt in dieser Zeit auferlegt wurde, und eine Demo in der Nachbarschaft von Kolonos zu machen.
Der Ausnahmezustand des faktischen Verbots für die Menschen sich zu bewegungen und zu versammeln, zwang uns, unsere Demo durch Mundpropaganda zu organisieren, nicht weil wir etwas zu verbergen hätten, sondern um sicher zu gehen, dass wir es schaffen würden, auf die Straße zu gehen und unsere öffentliche Präsenz zu behaupten, ohne sofort von den unkontrollierbaren Polizeihorden angegriffen zu werden.

Wir beschlossen, auf den Straßen des Viertels in Richtung der Polizeistation von Kolonos zu marschieren, um die Ehrung des anarchistischen Schülers Alexandros Grigoropoulos, der 2008 von Korkoneas, einem Lakaien der Demokratie in Uniform, ermordet wurde, mit der Aufdeckung der anhaltenden Polizeigewalt und des Terrors zu verbinden, und das zu einem Zeitpunkt, an dem diese unter der totalen Deckung, wenn nicht sogar auf Veranlassung, der Regierungszentrale und des zuständigen Ministeriums völlig aus dem Ruder gelaufen sind.

Unter dem Vorwand der öffentlichen Gesundheitskrise ist die Absicht der politischen und wirtschaftlichen Elite, die unser Leben regiert, die Zerschlagung aller sozialen Errungenschaften, der Angriff auf jedes auch nur annähernd etablierte Recht und die totale und unkontrollierbare Unterdrückung jedes Ansatzes von Widerstand und Protest gegen die Politik der Regierung. Eine Politik, die sich neben allem anderen durch ihre provozierende Doppelmoral auszeichnet, die die unterjochten Unterschichten einer fortwährenden Einschränkung ihrer Freiheit und ständigen Überlebensschwierigkeiten unterwirft, während sie durch die Art und Weise, wie der Staat sie manipuliert, einer pandemischen Gefahr ausgesetzt sind (besonders die verletzlichsten Gruppen von Menschen, wie die Gefangenen und die in Einwanderungsstrukturen Eingesperrten).

Unsere Entscheidung, zu dieser spezifischen Polizeistation zu marschieren, war das Ergebnis einer bewussten Entscheidung, um auf einen weiteren Fall von eklatanter Polizeigewalt hinzuweisen, einen von vielen Fällen in dieser Periode, und insbesondere auf das Ereignis der Verhaftung eines 25-jährigen Kämpfers vor seinem Haus am Jahrestag der Polytechneio-Revolte, und die folgende Verhaftung und Folterung anderer Mitglieder seiner Familie. Als sein Vater zur Polizeistation kam, um seinen Sohn zu suchen, erlitt er nach dem Angriff der Motorradpolizisten (DIAS) auf ihn einen Herzanfall.

Von dem Moment an, als wir auf die Straße kamen, war es offensichtlich, dass wir demonstrierten, denn es gab ein großes Transparent an der Spitze, während alle Leute Slogans zum Gedenken an Alexis und gegen Polizeigewalt riefen. Während des gesamten Weges zur Polizeistation liefen wir koordiniert, trugen Masken zu unserer Sicherheit vor der Ansteckung durch den Virus und hielten Fahnen als Zeichen unserer politischen Tradition und Haltung. Es vergingen einige Minuten, bis wir die Vorderseite der Polizeistation erreichten. Es gab keine Möglichkeit, dass irgendjemand über unsere Anwesenheit dort als kollektiv demonstrierender Körper verwirrt werden könnte.

Als wir bei der Polizeistation ankamen, stellten wir uns in einer Entfernung von 20~30 Metern von den Sicherheitszäunen, die davor aufgestellt waren, auf und blieben eine Minute lang an diesem Punkt, riefen Parolen und warfen Flugblätter. Obwohl unsere Absicht zu diesem Zeitpunkt sehr klar war, stürmte eine DIAS-Gruppe und griff den vorderen Teil der Demonstration heftig an, mit Tränengas, Blendgranaten und einer Leuchtrakete, einem Gegenstand, der nicht einmal Teil des Waffenarsenals der Polizei ist. In den nächsten Tagen entdeckten wir, dass diese Tatsache von einem Anwohner auf Video aufgenommen und auf einer bekannten Nachrichten-Website veröffentlicht wurde.

Die Gruppe der DIAS-Bullen, die uns ohne Vorwarnung und Provokation angriff, hatte nicht nur das Ziel, uns präventiv wegzuschieben, sondern auch den kollektiven Körper der Demonstration zu zerschlagen, uns zu jagen, jeden zu schlagen, der als leichtes Ziel entlarvt werden würde, und dann Verhaftungen von verletzten Menschen vorzunehmen, gemäß der bevorzugten Polizeitaktik. So wie es vor etwa einem Monat bei dem Angriff auf dem Sankt-Andreas-Platz in Galatsi geschah. Deshalb reichte es ihnen nicht, dass die Demonstranten zurückliefen und in der nächsten Gasse Deckung fanden. Stattdessen setzten die DIAS die manische Verfolgung fort, fuchtelten mit ihren Schlagstöcken, schleuderten Beschimpfungen, drohten und versuchten, das Banner der Demo als Trophäe zu ergreifen. Dies gelang ihnen jedoch nicht.
Der kollektive Körper der Demo widerstand und fing ihren manischen Angriff ab, mit den einfachen verfügbaren Schutzmitteln, einigen Fahnen und Feuerlöschern, und schaffte es, sich neu zu gruppieren und den Marsch sicher und mit einer erhöhten Moral fortzusetzen, bis zur Metrostation Sepolia, wo wir geplant hatten, uns aufzulösen.

In derselben Nacht stellten wir zu unserer Überraschung fest, dass das Ereignis unserer Intervention in den Medien als ein Überfall auf die Polizeistation dargestellt wurde, bei dem behauptet wurde, dass wir Leuchtraketen, Holzknüppel und auch Tränengas und Blendgranaten geworfen hätten, die wir angeblich in der Vergangenheit von den Bullen gestohlen hätten.

Es ist sicher, dass diese lächerliche Geschichte von den DIAS-Bullen erfunden wurde, die uns angegriffen haben, mit dem Ziel, ein kleines Stück ihrer verletzten Ehre zu retten, denn unser Demoschutz hat sich der Herausforderung gestellt und hat nicht zugelassen, dass sie unsere Körper missbrauchen und auch keine blinden Massenverhaftungen vornehmen. Diese speziellen Bullen haben ihre eigene Glaubwürdigkeit entwertet.

Waren sie es nicht, die vor einigen Monaten, nachdem sie einige Jugendliche in der Nachbarschaft verprügelt hatten, ohne Gnade und ohne auch nur einen Vorwand, hinterher behaupteten, die Verprügelten seien allein auf die Motorräder der DIAS gefallen und deshalb verletzt worden? Nur um sich später lächerlich zu machen, als das Video eines Zivilisten ihre eklatanten Lügen enthüllte.

Waren sie es nicht, die am 17. November die Solidaritätsversammlung für die Familienmitglieder des 25-jährigen verhafteten Kämpfers als einen Überfall mit Schlagstöcken und Steinen darstellten, um die Folterungen zu vertuschen, die sie an seiner Familie praktizierten? Die Familie wurde verhaftet und sie folterten sie weiter in der Polizeistation, trotz des Herzinfarkts des Vaters, der später unter Polizeibewachung ins Krankenhaus gebracht wurde. Haben sie sich nicht wieder lächerlich gemacht, nach den Videos und den Dutzenden von Zeugen, die genau berichteten, was passiert war?

Sie sind nicht nur Lügner und lächerlich, sondern auch Feiglinge. Heute jammern sie über die Verletzungen, die sie von den vermummten Bösewichten erlitten haben, aber vor einem Monat waren sie sehr „mutig“, als fünf von ihnen zusammen einen Vater angriffen, der nach seinem verhafteten Sohn suchte, als sie die Mutter und die Schwester auf die Straße warfen, eine von ihnen an den Haaren packten und sie in die Polizeiwache schleppten, sie schlugen und drohten, sie zu vergewaltigen.
Bei all diesen Lügen machen sie sich nicht einmal die Mühe, eine Geschichte zu fabrizieren, die Bestand haben kann. Sie behaupten, dass wir Leuchtraketen geworfen haben, obwohl es ein Video gibt, das dies widerlegt. Außerdem behaupten sie, dass wir Tränengas und Blendgranaten geworfen haben und dass diese Materialien von der Polizei gestohlen wurden. Wenn dies wahr wäre, müsste es als Ereignis im Polizeiprotokoll registriert werden, es müsste eine Fallakte existieren, die den genauen Tag und die Stunde des Diebstahls sowie den Ort und die Umstände, unter denen er stattfand, festhält. Es sollte Seriennummern der gestohlenen Gegenstände geben, die angeblich von uns geworfen wurden, und diese Nummern sollten mit denen der an der Stelle gefundenen Materialien übereinstimmen. Wahrscheinlich hätte dies eine offizielle interne Untersuchung über mögliche Verantwortlichkeiten oder Vergehen der Bullen, von denen das Material gestohlen worden war, eingeleitet.

Also fragen wir, wo sind all diese? Selbst wenn eines von dem, was sie behaupten, wahr ist, warum legen sie nicht alle Beweise und Details des Falles offen, so wie sie sehr gut wissen, wie man es macht und wie sie es in ähnlichen Fällen machen? Wir fordern sie offen auf, voranzugehen und die Beweise zu veröffentlichen, um zu beweisen, was sie sagen. Offensichtlich werden sie es nicht tun, nicht weil „die Demokratie nicht mit Krawallmachern verhandelt“, sondern weil es nichts zu veröffentlichen gibt. Wieder einmal wird die Polizei dabei ertappt, wie sie Fake News verbreitet, wie es vor kurzem mit ihrem Possenreißer und Syndikalisten Stavros Balaskas geschah, als er in einer Fernsehsendung behauptete, dass eine Gruppe vermummter Randalierer am 6. Dezember in Exarcheia versucht habe, ihn zu entführen und in einen Wohnblock zu zerren, um die Blendgranate zu rechtfertigen, die von einer Gruppe der DRASIS* in das Gebäude geworfen wurde. Am nächsten Tag wurde seine Geschichte durch ein veröffentlichtes Video triumphal widerlegt.

Es ist eine Tatsache, dass die Polizei sicherlich weiß, dass überfallartige Angriffe auf Polizeistationen nicht von 80 Personen durchgeführt werden, die für eine beträchtliche Zeit durch die Straße marschieren, Parolen schreien und ein Transparent halten. Die Polizei weiß sicher, dass überfallartige Angriffe keine Zeit verschwenden um nicht einer Armee von Polizeikräften zu ermöglichen, das vermeintliche Ziel zu erreichen. Die Polizei weiß das und lügt bewusst, nur um den strafrechtlichen Teil einer öffentlichen politischen Präsenz auf der Straße aufzuwerten und jede Einzelperson, die in einen weiteren fabrizierten Fall verwickelt ist, über Gebühr zu belasten. Die Polizei tat dies im Fall der 22-jährigen Genossin, die verhaftet wurde und für diesen Fall angeklagt ist, ohne irgendeine Beziehung weder zur Vorbereitung noch zur Durchführung dieser speziellen Intervention in irgendeiner Ebene zu haben. Einmal ein Lügner, immer ein Lügner.
Von unserer Seite aus betrachten wir unseren Schritt, an diesen Tagen auf die Straße zu gehen, als einen weiteren Strich in dem schönen Mosaik von Aktionen und Interventionen, die während der vier Tage zwischen dem 4. und 7. Dezember im ganzen Land stattfanden, gegen alle Verbote, Terrorismus, Repression, Polizeigewalt, Verhaftungen und die unzähligen Geldstrafen, die überall verteilt wurden.

Wir sind der Meinung, dass es ein kleiner Beitrag zur Gesamtheit der Ausdrucksformen des Gedenkens an unseren Alexis war, in einem wirklich sehr schwierigen Moment, in dem selbst unsere einfache Anwesenheit auf der Straße zu einem grundlegenden Einsatz wird.
Abschließend beurteilen wir, dass die Haltung unseres Demoschutz, der die Menschen nicht den wilden Gelüsten der Hooligan-Bullen ausgesetzt hat, vorbildlich war. Diese Tatsache hinterließ bei uns allen ein sehr zufriedenstellendes Gefühl, erfüllte uns mit Selbstvertrauen und ließ uns wieder an unsere Kräfte glauben, in schwierigen Zeiten, in denen Mut und Selbstvertrauen für kämpfende Menschen lebenswichtig sind. Mit diesen beiden können wir alles erreichen.

Von dieser kleinen Ecke unseres geographischen Raums aus, wo alles viel dunkler und viel schwieriger erscheint, beobachten wir die Entwicklungen im internationalen Umfeld, wir sind berührt und inspiriert von den aufständischen Momenten, die sich in unserer Nähe oder in der Ferne ereignen, von den flammenden Demonstrationen auf den Straßen Frankreichs gegen das Gesetz über die Sicherheit der Bullen bis zu den Zusammenstößen mit den Polizeikräften in der albanischen Hauptstadt wegen des Mordes an dem 25-jährigen Clodian Rasa durch die Polizei. Und wir hoffen, dass der Moment, in dem auch unsere Straßen mit Wut überflutet werden, nicht weit entfernt ist.
Ewiges Gedenken an den anarchistischen Schüler Alexandros Grigoropoulos

Solidarität für die Verhafteten bei den Gedenkmobilisierungen dieser Tage

Mit unseren erhobenen Fäusten und in Würde gegen die Mörder in Uniform und die autoritären Eliten, denen sie dienen.

αναρχικοί/αναρχικές

* [Anm. d. Übers.] DRASIS bedeutet „Aktion“ auf Griechisch und ist die „spezielle“ Anti-Aufruhr-Einheit mit Mopeds, Nachfolger von DELTA, bekannt für die brutalen Folterungen gegen Demonstrant*innen während der Anti-Memorandum-Bewegung (2009-2012)

(Übersetzung von https://athens.indymedia.org/post/1609280/ )

passiert am 05.12.2020